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Bildung: Zwischen Kohlenkeller und Cyberspace: Musikschulen feiern 50-jähriges Jubiläum

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Zwischen Kohlenkeller und Cyberspace: Musikschulen feiern 50-jähriges Jubiläum

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    Notlösung oder Zukunftsmodell? Während des Corona-Lockdowns lief auch der Musikunterricht vielerorts digital ab.
    Notlösung oder Zukunftsmodell? Während des Corona-Lockdowns lief auch der Musikunterricht vielerorts digital ab. Foto: Harald Holstein

    Vom Kohlenkeller über den Lehrsaal in den Cyberspace – ist das der Weg, den der kommunale Musikunterricht geht? Beim Blick in die Vergangenheit sind sich die Verantwortlichen des Verbandes Bayerischer Sing- und Musikschulen (VBSM) weitgehend einig, dass es seit der Gründung der Vereinigung 1970 deutliche Verbesserungen gegeben hat. Wie dagegen die Arbeit der Musikschulen im Freistaat in Zukunft ablaufen soll, darüber gehen die Meinungen auseinander. Deutlich wurde dies beim Bayerischen Musikschultag in Kaufbeuren, bei dem der VBSM sein 50-jähriges Bestehen feierte.

    Beim Blick in die Chronik des Musikschulverbandes und mehr noch in die der gastgebenden Ludwig-Hahn-Sing- und Musikschule Kaufbeuren, die heuer bereits 100 Jahre alt wird, stößt man auf Zustände, die für heutige Musikschüler kaum noch vorstellbar sind. Auch um minimalste finanzielle Förderung durch die Kommunen mussten viele Musikschulen hart kämpfen, geeignete Lehrräume waren Mangelware. So berichtet Josef Höß, früherer Oberbürgermeister von Kempten und Ehrenpräsident des VBSM, dass er sich an Musikunterricht in einem leer stehenden Kohlenkeller erinnern könne. Noch in den 1970er Jahren, als Reinhard Loechle in Erding den Aufbau einer Kreismusikschule vorantrieb, sei das dafür errichtete Gebäude nicht nur von einigen Dorfbürgermeistern aus dem Umland als „Prestigeprojekt“ geschmäht worden, schildert der diesjährige Träger der Carl-Orff-Medaille des VBSM.

    Es gibt rund 220 kommunale Musikschulen

    Die vor einem halben Jahrhundert von der bayerischen Staatsregierung vorangetriebene Gründung des VBSM sollte auch die bis dahin konkurrierenden traditionellen Singschulen und die mehr dem Instrumentalunterricht zugewandten Musikschulen zusammenbringen. Vor allem aber war sie ein Ergebnis einer zu dieser Zeit im gesamten Bildungsbereich herrschenden Aufbruchsstimmung. Das Musikschulwesen in Bayern erhielt damals eine verlässliche rechtliche Grundlage und dazu eine eben solche finanzielle Förderung, was zu zahlreichen Neugründungen führte.

    Elf Prozent der Kosten schießt Bayern inzwischen für den Betrieb der rund 220 kommunalen Musikschulen zu. Laut Kunstminister Bernd Sibler strebt der Freistaat künftig 15 Prozent an. Die Einrichtungen sind für etwa 1000 Städte und Gemeinden zuständig und unterrichten über 203000 Schüler. Trotz einiger „weißer Flecken“ bei der flächendeckenden Versorgung sei man dem Ziel nahe, jedem Kind einen „bezahlbaren“ und „erreichbaren“ öffentlichen Musikschulplatz zur Verfügung zu stellen, betont VBSM-Präsident Martin Bayerstorfer.

    Mit den digitalen Methoden soll pragmatisch umgegangen werden

    Durch Corona sind diese hehren Ziele jedoch existenziellen Fragen gewichen. Millionenschwere Sonderzuschüsse aus München sollen den Fortbestand der kommunalen Musikschulen während der Pandemie sichern. Mit viel Kreativität und Engagement hätten die Einrichtungen während des Lockdowns den Kontakt zu ihren Schülern gehalten, lobt Bayerstorfer. Aber waren die Musikstunden via Internet, Lautsprecher und Bildschirm nur eine Notlösung, „die von sehr vielen dankbar angenommen wurde“, wie Birigt Adolf, Leiterin der Musikschule Essenbach bei Landshut, berichtet? Oder könnte der Online-Unterricht ein Zukunftsmodell werden?

    Matthias Pannes, Bundesgeschäftsführer des Verbandes deutscher Musikschulen, plädiert für einen pragmatischen Umgang mit den neuen Vermittlungsmöglichkeiten, ohne gleich „den Untergang des Abendlandes“ herbeizureden. „Man wird die Kinder nicht mehr erreichen, wenn man das nicht nutzt“, sagt auch Thomas Osterkamp vom bayerischen Kunstministerium. Auf der anderen Seite gehe es beim Musikunterricht aber nicht nur um reine Wissensvermittlung, sondern besonders um die kulturelle und die Persönlichkeitsbildung. Das sei online nur eingeschränkt möglich, meint Thomas Goppel, Präsident des Bayerischen Musikrates.

    Auch VBSM-Vorsitzender Markus Lentz steht dem Musikunterricht vor dem Bildschirm sehr kritisch gegenüber, sieht für die Musikschulen aber künftig noch andere Herausforderungen. Etwa Schüler mit zunehmend unterschiedlichem kulturellen Hintergrund anzusprechen. Dazu kämen vermehrt Probleme, Nachwuchs bei den – bekanntermaßen alles andere als überbezahlten – Musiklehrern zu gewinnen. Die coronabedingten Kürzungen bei den öffentlichen Haushalten werden auch an den Musikschulen nicht spurlos vorübergehen – trotz aller Solidaritätsbekundungen beim Jubiläumsverbandstag.

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