Man muss etwas geduldig sein bei einem Gossip-Konzert, zumindest bei dem Auftritt der Band am Freitag im Kloster Wiblingen ist das so. Erst ganz zum Schluss singt Gossip-Sängerin Beth Ditto ihre mit Abstand bekannteste Nummer „Heavy Cross“, die ja wirklich jeder kennen dürfte, der gelegentlich Radio hört. Das Publikum klatscht und singt mit und auf vielen Gesichtern lässt sich ein Lächeln entdecken. Ditto ist nicht nur eine verdammt gute Sängerin und Unterhalterin, das wird in Ulm deutlich. Für ihre Fans ist die Sängerin über die Jahre zur Identifikationsfigur geworden.
Wie das so üblich ist, beginnt der Abend mit einer Vorband, die zum punkigen Geist der Hauptband ganz gut passt. Wohl kaum eine oder einer im Publikum dürfte wissen, wer da um 19.30 Uhr auf der Bühne steht. Die „Snoozers“ aber spielen in ihrer Dreierformation solide Rockmusik und einige Riffs bringen den Schlosshof schon mal zum Tanzen. An anderer Stelle wirkt der Auftritt eher wie die öffentliche Probe einer Schülerband: Bei mehreren Songs muss die Gruppe nochmal neu anfangen, aber die Musikerinnen und Musiker nehmen es mit Humor.
Gossip-Konzert in Wiblingen: Beth Ditto singt beim Open Air im Klosterhof
Gut eine Stunde später stehen dann endlich Ditto und ihre vier Live-Kollegen auf der Bühne. „Danke, dass ihr hier seid, das freut mich sehr“, begrüßt die Sängerin ihre Fans auf Englisch. „Es hat euch ja keiner gezwungen“, scherzt sie. Es soll nicht ihre einzige Witzelei bleiben, später schwärmt sie vom deutschen Wort „Tante“, das sie offensichtlich irgendwo aufgeschnappt hat. „Mein Traum ist, für die ganze Welt eine Tante zu sein“, ruft Ditto in den Innenhof des Klosters, ihre sympathisch-freche Art erinnert aber eher an die eines Teenie-Mädchens. Das Publikum jedenfalls mag die Quasseleien der 43-Jährigen.
Gossip spielt eine Mischung aus älteren und neuen Songs. In „Love Long Distance” aus dem Jahr 2009 singt Ditto von den Tücken einer Fernbeziehung, Songs wie „Crazy Again“, „Turn the Card Slowly“ oder „Act of God“ dagegen kommen vom aktuellen Album „Real Power“. „Moving in the Right Direction“ zählt sicher zu den bekanntesten Hits der Band und entsprechend groß ist die Freude im Publikum, als Ditto den Song performt. Ihre Stimme klingt live mindestens so gut wie auf ihren Studioaufnahmen, was in Zeiten digitaler Nachbearbeitung keine Selbstverständlichkeit ist.
Rote Haare und schwarzer Body: Beth Dittos Look bei Gossip-Konzert in Ulm
Ditto, berühmt für ihre ausgefallene Looks, trägt auf der Bühne einen schwarzen Damen-Body und ihre Haare sind knallig orange – es dürfte sich um eine Perücke handeln. „Ich fühle mich wie eine Eiskunstläuferin“, scherzt die Sängerin, die auch eigene Mode entwirft. Seit jeher macht sie sich für mehr „Body Positivity“ stark, also das Hinterfragen gängiger Schönheitsideale. Im Interview erzählte sie Anfang des Jahres: „Als wir bekannt wurden, war ich Mitte 20, und alle fragten mich, woher ich als dicke (…) Frau mein Selbstvertrauen nehmen würde. Ehrlich, ich verstand die Frage nicht.“
Bekannt wurde Ditto und ihre Band Gossip in Deutschland in den späten Nullerjahren. Spätestens mit „Heavy Cross“, 2009 erschienen, erlangte die 1999 im US-amerikanischen Arkansas gegründete Gruppe große Bekanntheit. 2016 trennten sich die Musiker, nur um 2023 wieder ein Comeback zu feiern. Das Markenzeichen von Sängerin Ditto ist ihre wuchtige Stimme, sie wurde aber auch zu einer Ikone von Lesben, Schwulen und Menschen mit anderen sexuellen Orientierungen. Ditto lebte lange in einer offen lesbischen Beziehung und ist jetzt mit einem Trans-Mann zusammen.
Ticketpreise gerade noch in Ordnung, finden Gossip-Fans in Ulm
Für die 28-jährige Tahnee, zum Beispiel, war Ditto das erste „queere Vorbild in der Kleinstadt“, wie sie beim Konzert am Freitag erzählt. Die begeisterte Gossip-Hörerin steht mit ihrer Partnerin Johanna ganz vorne vor der Bühne. Sie seien extra von Berlin aus angereist, sagt Tahnee, einen ganzen Tag lang hätten sie im Zug verbracht, alles nur für Gossip. „Beth Ditto ist einfach unfassbar cool“, schwärmt die Berlinerin. Die beiden sind nicht die einzigen, die einen weiten Weg auf sich genommen haben. Auch Autokennzeichen aus Hamburg finden sich auf dem Parkplatz vor dem Kloster. Rund 1200 Tickets sind insgesamt verkauft worden, wie man an der Abendkasse erfährt.
Gut 60 Euro kostete eine Karte im Vorverkauf. Anita und Petra, die im Publikum etwas weiter hinten stehen, finden den Preis noch in Ordnung. „Das Ambiente ist schön, da ist das gerade noch okay“, sagt die 57-jährige Anita. Petra, die sich selbst als großer Gossip-Fan bezeichnet, stimmt ihr zu und nickt.
Es ist dann 22 Uhr, als Sängerin Ditto ein letztes Mal den typischen Gossip-Schrei absetzt und das knapp eineinhalbstündige Konzert mit drei Zugaben beendet. Sofort springt sie von der Bühne und gibt Autogramme. Unzählige Handy-Kameras werden gezückt, es dauert lange, bis alle Fans ein Foto bekommen und ihrem Idol die Hand geschüttelt haben.
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