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Bayreuther Festspiele 2024: Tannhäuser begeistert erneut

Bayreuther Festspiele

Musikpolizei auf dem Grünen Hügel

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    Bei den Besuchern der Bayreuther Festspiele seit Jahren besonders gefragt und besonders bejubelt: die Tannhäuser-Inszenierung von Tobias Kratzer.
    Bei den Besuchern der Bayreuther Festspiele seit Jahren besonders gefragt und besonders bejubelt: die Tannhäuser-Inszenierung von Tobias Kratzer. Foto: Enrico Nawrath/Bayreuther Festspiele/dpa

    Vielleicht, wahrscheinlich war es der letzte stürmische Applaus, der dem 2023 tragisch verstorbenen Heldentenor Stephen Gould galt. Er brandete jetzt im Bayreuther Festspielhaus mitten im Vorspiel zu Wagners romantischer Oper „Tannhäuser“ auf, als noch einmal ein Porträt-Foto des Sängers in memoriam gezeigt wurde – wobei ihm Manni Laudenbach als „Oskar“, diese wichtige (stumme) Rolle im Spiel, mit einem Schnaps zuprostete. Ein berührender, liebevoller Film-Moment.

    Und ein Moment, der speziell in diesem „Tannhäuser“ illustriert, was die vielfach beschworene „Bayreuther Werkstatt“ bedeutet – nämlich die jährliche Weiterentwicklung einer Inszenierung und ihrer musikalischen Umsetzung. Was alles hat sich doch seit dem Premierenjahr 2019 geändert, als Tobias Kratzers singulär kluge „Tannhäuser“-Regie aus dem Stand heraus umjubelt worden war! Vor allem die Filmeinblendungen des zweiten und dritten Aufzugs wurden alljährlich zur Freude, ja Begeisterung des Publikums überarbeitet, angepasst, aktualisiert.

    Neuerungen in Kratzers „Tannhäuser“ begeistern in Bayreuth

    Beispiel 1: Sah man zum filmbegleiteten Vorspiel von 2019 in ironischer Anspielung auf die vorhergehende, ungeliebte, miserable „Tannhäuser“-Inszenierung von Sebastian Baumgarten (2011) noch eine „wegen mangelnder Nachfrage“ zugesperrte Biogas-Anlage und 2021 eine Auto-Irrfahrt Tannhäusers zu den Salzburger Festspielen, so kam nun 2024, angeblich zur letzten Wiederaufnahme der Inszenierung eben Stephen Gould mit Trauerrand ins Bild.

    Beispiel 2: Im nachgerade genial umgedeuteten zweiten Aufzug, da sich die Theater-Realität und theatralische Fiktion vielschichtig auf der Bühne verschränken, amüsierte bislang die wunderbare Filmszene, da Le Gateau Chocolat, diese zweite wichtige (stumme) Rolle der Inszenierung, im Bauch des Festspielhauses einen Gang mit Dirigenten-Fotoporträts durchläuft – und sich plötzlich, als schrill aufgeputzte schwarze Dragqueen, dem wachen Blick Christian Thielemanns ausgesetzt sieht. Welch‘ rattenscharfe Ironie!

    Dramaturgische Evolution: Bayreuther „Tannhäuser“ 2024

    Diese Szene war nun 2024 leider eliminiert; stattdessen geht der Tannhäuser Klaus Florian Vogt per Live-Cam emotional und mimisch schwer mit, wenn der Rivale Wolfram von Eschenbach sein Lied im Sängerwettstreit um Elisabeth gestaltet – um Schlüsse für seinen eigenen Vortrag zu ziehen. Eine schauspielerische Glanzleistung! Und neu 2024 auch war im ersten Aufzug ein kleines Plakat, das Claudia Roths sich vergaloppierenden Vorschlag auf die Schippe nahm, wonach doch in Bayreuth auch mal die Humperdinck-Oper „Hänsel und Gretel“ gespielt werden könne.   

    So fiel über die Jahre manches weg, kam manches hinzu (auch eine Sympathiebekundung für die Ukraine). Was aber natürlich durchgängig, weil konzeptuell, in Kratzers Regie zu erleben blieb, dies war Katharina Wagners filmischer Telefonnotruf 110 und der anschließende Festspielhaus-Sturm durch Bayreuther Uniformierte als Musik- und Kunstpolizei – nachdem auf offener Bühne „ein furchtbares Verbrechen begangen ward“, wie Thüringens Landgraf Hermann partiturgetreu konstatieren muss: „Frei im Wollen , frei im Tun und frei im Genießen“, also mit Richard Wagners Motto dieser Inszenierung, war nämlich Venus ins Festspielhaus widerrechtlich eingedrungen. Hausfriedensbruch.  

    Ja, diese Inszenierung ist witzig und hochgewitzt und aberwitzig – um dann, im dritten Aufzug, tragisch und tieftraurig auch dank der musikalisch eminent einfühlsamen Leitung von Nathalie Stutzmann zu enden. Bayreuths letzte Aufführung 2024 schloss am Dienstag mit Ovationen in erster Linie für Klaus Florian Vogt, Nathalie Stutzmann und Eberhard Friedrich, den Chorleiter über mehr als zwei Jahrzehnte hinweg. 30 Vorstellungen hatten dieses Jahr auf dem Grünen Hügel stattgefunden, für die 58 000 Eintrittskarten vergeben wurden. Damit waren die Festspiele wieder ausverkauft, nachdem 2023 freie Plätze vor allem im allenfalls durchwachsenen „Ring des Nibelungen“ zu verzeichnen waren.

    War diese letzte Vorstellung 2024 nun wirklich auch die letzte „Tannhäuser“-Aufführung in der Regie von Tobias Kratzer? Zweifel sind angebracht. Denn 2026, zum 150-jährigen Jubiläum der Bayreuther Festspiele, will Katharina Wagner einen besonderen neuen „Ring“ herausbringen, was in aller Regel mit vier Premieren verbunden ist – und dazu weitere sechs Opern Wagners, darunter „Rienzi“, ins Programm nehmen. Da wird sie dann wohl doch noch einmal diesen „Tannhäuser“ reanimieren müssen. Was beileibe kein Schade wäre. Er war seit Jahren die am stärksten gefragte Inszenierung Bayreuths.    

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