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Bayreuth: "Walküre" in Bayreuth: Stimmen zwischen Wonne und Weh – und einem Unfall

Bayreuth

"Walküre" in Bayreuth: Stimmen zwischen Wonne und Weh – und einem Unfall

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    Sieglinde (Lise Davidsen) und Siegmund (Klaus F. Vogt).
    Sieglinde (Lise Davidsen) und Siegmund (Klaus F. Vogt). Foto: Enrico Nawrath

    Es war der Abend der Gesangssolisten, dieser zweite Teil des neuen Bayreuther „Rings“. Ein „Walküre“-Abend, der jedoch durch ambivalente Ereignisse Besonderheit erlangte. Durch herausragende sängerische Leistungen einerseits, durch Bestürzendes zum anderen. Doch der Reihe nach.

    Klaus Florian Vogt greift in der Bayreuther "Walküre" zur Pistole

    Siegmund, Sieglinde, Hunding, den Interpreten dieser Rollen in Richard Wagners „Walküre“ war es geschuldet, dass man sich über weite Strecken des ersten Aufzugs nicht allzu viel Kopfzerbrechen machen musste über die Fortschreibungen, die Regisseur Valentin Schwarz in der Folge zwei seiner „Ring“-Neuinszenierung macht. Weshalb ist Sieglinde bereits schwanger, als es Siegmund in ihre Stube verschlägt? Das Sieg verheißende Schwert Nothung, weshalb steckt es nicht in dem Baum, der in Hundings Hausmeisterkeller gekracht ist, sondern liegt auf Sieglindes Bett unter einem Leuchtkegel, wie man ihn schon aus „Rheingold“ kennt? Wieso entpuppt er sich nicht als Schneidewaffe, sondern als Revolver?

    Das fragende Gehirn hat jedoch Ruh’, wenn Klaus Florian Vogt auf Lise Davidsen trifft und die beiden sich als unwissendes Zwillingspaar Siegmund und Sieglinde erst schüchtern-fasziniert beschnuppern, bevor beide sich, als das Wiedererkennen sich Bahn bricht, dem großen Gefühl überlassen. Mit seinem von glänzendem Metall unterlegten Schmelz, dessen die Partie des Siegmund bedarf, ist Klaus Florian Vogt eine Idealbesetzung, sein noch farbenreicher gewordener Strahl in der Höhe lässt sogar vergessen, dass er, statt heldisch Nothung zu recken, lediglich ein Pistölchen zur Hand nehmen darf.

    Lise Davidsen überzeugt in Bayreuth als Sieglinde

    An vokaler Überzeugungskraft nicht nach steht ihm Lise Davidsen. Wo andere Sieglinden schnell an ihre Stimmgrenzen gelangen, entfacht die Norwegerin gerade in den Spitzen nichts als wärmende Glut, voller Fülle und dennoch kompakt. Nicht nur ihr leuchtender „Siegmund“-Benennungsruf stellt schönste Wechsel aus auf die Rollen-Zukunft dieser jungen dramatischen Sopranistin. Davidsen, Vogt – wenn zu diesem Traumpaar der Hunding eines Georg Zeppenfeld tritt, der das Abgründig-Lauernde des Gehörnten allein mit den Farben seiner Stimme hervorzurufen vermag, ist die vokale Wagner-Welt kaum besser zu denken.

    Doch dann, der zweite Aufzug ist noch nicht weit fortgeschritten, lässt sich Tomasz Konieczny, der als Wotan wieder einmal ehelichen Streit ausfechten muss mit Fricka, in einen hölzernen Schwingsessel fallen. Es kracht, die Rückenlehne gibt nach, Wotan-Konieczny stürzt auf den Rücken, steht aber sofort wieder auf… – ein Regie-Gag nur, als welchen ihn offenbar zahlreiche Lacher im Publikum verstehen? Nein, ein Bühnenunfall, so bedenklich, dass Konieczny – der den ganzen langen Aufzug noch hinter sich bringt, als wäre nichts gewesen – im finalen Akt nicht mehr erscheint. Vor den Vorhang tretend verkündet Festspiel-Sprecher Hubertus Herrmann, dass anstelle des Gestürzten nun Michael Kupfer-Radecky als Wotan erscheinen werde. Kupfer-Radecky weilte bereits bei den Festspielen, weil er als Gunther in der „Götterdämmerung“ vorgesehen ist – und glücklicherweise Wotan im Repertoire hat. Beinahe bruchlos fügt er sich in den dritten Aufzug, sorgt als trauriger Gott am Ende gar für einen der bewegendsten Momente der ganzen Aufführung.

    In der Welt von Valentin Schwarz sind die Barbies Blondinen

    Und Brünnhilde und ihresgleichen, die Walküren? In der Familiensaga-Welt von Valentin Schwarz sind sie Barbie-Blondinen, die sich im Vorraum einer Schönheits-Chirurgie Figur und Gesicht zurechtbilden lassen. Eine Szene, die des sinnig-skurrilen Humors nicht entbehrt und wovon man gerne mehr hätte in diesem „Ring“ für das Serien-Zeitalter. Iréne Theorin ist Brünnhilde, „Hojoto-ho“ und „Heia-ha“ – schon im vorigen Aufzug – kommt souverän; zugleich ist die geballte Kraft zu spüren, die hierfür aufgewendet werden muss. In den langen Dialogen mit Wotan zehrt sie gestalterisch von ihrer reichen Erfahrung als Wagner-Interpretin – muss sie auch zehren, denn hier bleibt doch auffallend oft die Unterstützung aus dem Orchestergraben aus. Im Bestreben, jegliche Dickflüssigkeit zu vermeiden, nimmt Cornelius Meister die Musik stellenweise über die Maßen zurück, und so offenbart das Klangkonzept des Dirigenten bei aller Durchhörbarkeit doch auch Schwächen im dramatischen Spannungsgefüge.

    Am Ende der Vorstellung, wie schon beim „Rheingold“, ein Patt im wie immer kundgebungsfreudigen Publikum: hälftig lautstarke Buhs für die Inszenierung, gekontert von ebenso demonstrativen Bravos. Ungeteilte Zustimmung dagegen für Sängerinnen und Sänger. Es bleibt spannend bei diesem „Ring“, der an diesem Mittwoch weitergeht mit „Siegfried“ – und, das teilten die Festspiele mit, wieder mit Tomasz Konieczny.

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