Jeden Gesichtsausdruck, jede noch so kleine Körperbewegung sollen die Zuschauer in der Brechtbühne im Gaswerk mitbekommen – so nah werden sie teilweise an den Tänzerinnen und Tänzern sitzen. Es könne sogar sein, dass den ein oder anderen ein Schweißtropfen treffen wird, scherzt Augsburgs Ballettdirektor Ricardo Fernando. Und in seinem „Mammutprojekt“, wie er es nennt, steckt auch ordentlich Schweißarbeit. Mit seiner 18-köpfigen Kompanie traut er sich etwas, das seinen Angaben nach vor ihm noch niemand gewagt hat: Er bringt neun Kompositionen an einem Abend auf die Bühne, entworfen von Choreografinnen und Choreografen aus sechs verschiedenen Nationen. Neben bereits international bekannten Namen, seien auch ein paar neue „Shooting Stars“ mit von der Partie, so Fernando. Außerdem – und das freut den Ballettchef besonders – choreografieren mit Giovanni Napoli und Nikolaos Doede auch ein ehemaliger und ein aktueller Tänzer der Kompanie.
Erste Aufführung wurde wegen Corona verkürzt
„Made for two“, also „für zwei gemacht“, ist das Motto des Abends. Die Männer und Frauen tanzen ausschließlich das Pas De Deux, den Höhepunkt im klassischen Ballett. Auch wenn acht der neun Inszenierungen in Augsburg ihre Premiere feiern, ist das übergeordnete Konzept der Veranstaltung kein neues. Bereits 2020 wollte Fernando das Motto verwenden, doch mit den Proben begann auch die Corona-Pandemie. Das bedeutete: Weniger Vorstellungen, weniger Besucher. „Wir wagen einen zweiten Versuch“, sagt Fernando. Hinter dem Motto steht deswegen dieses Jahr ein „reloaded“, also „neu aufgelegt“.
Neun Choreografen, 18 Tänzer, acht Wochen Vorbereitungszeit – für den Direktor und seine choreografischen Assistenten Carla Silva und Demis Moretti bedeute das „schlaflose Nächte“, eine Menge Stress und logistischen Aufwand. Jedes Duett ist doppelt besetzt, deswegen musste die Planung für die Proben perfekt ausgeklügelt sein. Die Choreografen seien teilweise nur etwa zehn Tage vor Ort, sagt Fernando. In der Zwischenzeit kommen Silva und Moretti ins Spiel. Sie proben mit den Tänzern, verteilen Lob, aber auch mal die nötige Kritik. Im Idealfall übergeben sie den Choreografen ein Endprodukt, das besser ist, als sie es bekommen haben. „Ohne sie würde es nicht gehen“, sagt Fernando.
Choreographen hatten bei der Inszenierung freie Hand
Bei der Inszenierung ihrer Werke hatten die Choreografinnen und Choreografen komplett freie Hand– sowohl beim Stil ihrer Inszenierung, als auch bei der Musikauswahl. Manche Tänze erzählen eine Geschichte, andere passen zu einem bestimmten Thema oder einer Idee. „Das Schöne ist, dass die Zuschauer das auch selbst interpretieren können“, sagt Fernando. Der Ballettdirektor steuert auch selbst ein Stück bei. Dafür hat er sich vom Schlafwandeln inspirieren lassen. Das bedeutet: langsame, präzise Bewegungen statt schnelle, dynamische Rhythmik. Die Musik solle das Tanzpaar beinahe in eine Trance versetzen. Wenn Ricardo Fernando nun, kurz vor der Premiere, sein Endprodukt betrachtet, sei er mehr als zufrieden. Da ist der ganze Stress-Schweiß schon vergessen.
Info: Premiere am Samstag, 7. Dezember, 19.30 Uhr in der Brechtbühne im Gaswerk (ausverkauft). Für den 25. Dezember gibt es noch die meisten Karten.
„Made for two“
- Choreografen: Francesca Frassinelli mit „be gentle with the fear“, Anne Jung mit „Beneath the Woods“, Alba Castillo mit „The Fact of Being“, Giovanni Napoli mit „Whispers of an Ending“, Riva & Repele mit „Sinking“ Lukáš Timulak mit „Hold The Passenger“ Ricardo Fernando mit „State of Mind“ Ihsan Rustem mit „Nemesis“
- Tänzer: Martina Piacentino, Kako Kijima, Soyoka Iwata, Tomona Seike, Lucie Horná, Martina Maria Gheza, Álvaro Olmedo, David Nigro, Fátima López García, Chiara Zincone, Nikolaos Doede, Mateo Mirdita, Giulia Finardi, Alfonso López González, Vito Damiano Volpicella, Afonso Pereira, Thomas Krähenbühl,
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