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Musik: "Layla" ist offizieller deutscher Sommerhit

Musik

"Layla" ist offizieller deutscher Sommerhit

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    Passt doch eigentlich hervorragend, wenn der deutsche Sommerhit auf grenzwertigem Niveau auf den Ballermann führt.
    Passt doch eigentlich hervorragend, wenn der deutsche Sommerhit auf grenzwertigem Niveau auf den Ballermann führt. Foto: Jens Kalaene, dpa

    Normal ist ja die große Verkündungseuphorie. Denn wenn die Gesellschaft für Konsumforschung alle Jahre seit 1990 den offiziellen deutschen Sommerhit kürt, sichert das den Ausgezeichneten wie auch den Auszeichnenden zuverlässig das mitunter Kostbarste in dieser multimedial dauererregt durchrauschenden Zeit: Aufmerksamkeit. So präsentierte man in Baden-Baden vom ersten Sieger mit MC Hammers „U Can’t Touch This“ bis zu dem im letzten Jahr mit Ed Sheerans „Bad Habbits“ immer auch mit stolz die eigene Rolle. Die GfK ist die Instanz, hat auch mit „Maccarena“ und „Despacito“, mit „Baccardi Feeling“ und „Jungle Drum“, mit „Hamma!“ und „Bella Ciao“, mit „Mr. Vain“ und „I Kissed A Girl“ immer schon sich selbst aufs Schild gehoben. In diesem Jahr aber ist manches etwas anders.

    Deutscher Sommerhit 2022 ist „Layla“ von DJ Robin & Schürze

    Der offizielle deutsche Sommerhit nämlich ist: „Layla“ von DJ Robin & Schürze. Das schien nach fünf Wochen an Nummer eins der Hitparaden ohnehin kaum anders möglich, die Single hat Gold-Status erreicht und wurde über 60 Millionen gestreamt. Die Verlautbarung der Gesellschaft für Konsumforschung dazu aber liest sich nun abseits jeder Verkündungseuphorie fast wie Bedauern und Rechtfertigung. Dr. Mathias Giloth, Managing Director GfK Entertainment: „Wir sehen, dass ‚Layla‘ in den Nachrichten und Sozialen Medien aktuell so kontrovers diskutiert wird wie kaum ein anderer Song. Aufgabe der Offiziellen Deutschen Charts ist es, Trends und Entwicklungen im Musikmarkt neutral und transparent darzustellen. Dazu gehört auch die Ermittlung des offiziellen Sommerhits. Die repräsentativen Streaming- und Verkaufsdaten ergeben in diesem Jahr ein eindeutiges Bild.“

    Wenigsten DJ Robin freut sich: „Ich wache jeden Morgen auf und denke: Schade, das hab ich wohl nur geträumt. Und dann fang ich an zu grinsen!“ Und Kompagnon Schürze freilich auch: „Ich hab bestimmt hundert Leuten gesagt, dass sie mich mal kneifen sollen. Mein ganzer Körper hat mittlerweile blaue Flecken. Alles unfassbar für mich!“ Also, öhm, na dann, herzlichen Glückwunsch?

    Muss das jetzt der Tod des offiziellen Sommerhits sein?

    Oder ist das nun – „jünger, schöner, geiler“ – ein Problem? Muss man an den einst offiziellen deutschen Musikpreis Echo erinnern, der sich 2018 durch die Auaszeichnung von der Rapper Kollegah und Farid Bang quasi selbst zerstört hat, weil mindestens den Holocaust verharmlosende Stellen in ihren Songs zu finden waren? Ist der aufgeregt kritisierte und nun also auch noch gekrönte Sexismus von „Layla“ auch ein GfK-Skandal, weil allein das Prinzip des Erfolgs hier blind alles auf den nächsten Sockel hebt? Der Kommentar von Herrn Dr. Giloth scheint dem fast vorbeugen zu wollen.

    Aber natürlich ist ein noch so dämliches Party-Provokationsspielchen mit Frauenklischeebild noch kein Auschwitz-Vergleich. Und vor allem bildet sich samt der dazugehörigen Kritik damit ja durchaus repräsentativ viel mehr von Deutschland ab als einst „Mambo No. 5“, „The Ketchup Song“ oder „Scatman’s World“. In diesem Land herrscht eine verbreitete Freude an Ballermann-Hits – und eine große moralisierende Bereitschaft, auch angesichts von Schlagermusik und zumal wenn es um Geschlechterfragen geht, über die Grenzen der Kunstfreiheit und Verbote zu diskutieren. „Layla“ ist damit tatsächlich der offizielle Sommerhit, den Deutschland 2022 verdient hat.

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