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Auszeichnung: Der norwegische Autor Jon Fosse erhält den Literaturnobelpreis

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Der norwegische Autor Jon Fosse erhält den Literaturnobelpreis

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    Der norwegische Schriftsteller Jon Fosse bei einem Fototermin in Stockholm.
    Der norwegische Schriftsteller Jon Fosse bei einem Fototermin in Stockholm. Foto: Jessica Gow/TT News Agency/AP/dpa

    Sein Name ist schon seit mehreren Jahren im Gespräch, wenn vor der Bekanntgabe des Literaturnobelpreises über die diesjährigen Favoriten spekuliert wird. In seiner Heimat Norwegen ist er längst zum Nachfolger des berühmten Henrik Ibsen erklärt worden. Auch auf deutschen Bühnen haben die Stücke von Jon Fosse für Furore gesorgt. Nun wird der 64-Jährige mit der wichtigsten Literaturauszeichnung geehrt, er wird im Dezember in Stockholm den Nobelpreis entgegennehmen dürfen.

    Viel ist vor der Bekanntgabe in diesem Jahr spekuliert worden, ob die Akademie mit der Preisvergabe auch ein Zeichen für die freie Meinungsäußerung setzen wolle. Aber schon im letzten Jahr entschied sie sich gegen das Naheliegende und die Vergabe an den Schriftsteller Salman Rushdie. Anders als bei der Vergabe des Medizinnobelpreises an die Grundlagenforscher der mRNA-Impfstoffe, der auch ein Zeichen für die Wissenschaft und gegen die Verschwörungstheorien sein sollte, steht beim Literaturnobelpreis 2023 ausschließlich die Literatur im Mittelpunkt.

    Jon Fosse ist ein Dramatiker der düsteren und melancholischen Stoffe

    Ein Norweger, nach 95 Jahren einmal wieder, wie zu vermerken ist. Für einen Dramatiker, der sich einen Ruf erarbeitet hat als einer, der düstere, melancholische Stoffe auf die Bühne bringt und das durchaus sprachmächtig. Diese Stoffe passen ja zu einem, der in einem kleinen Dorf an einem Fjord in Norwegen aufwuchs, in einem Land, dessen Winter lang und dunkel sind. "Die Nacht singt ihre Lieder" (1997), ein Kammerspiel von Fosse, dreht sich um ein Ehepaar, das in der selbst geschaffenen Hölle lebt, sie führen eine gescheiterte Beziehung, können es sich aber nicht eingestehen. Der Ausweg, der dem chronisch erfolglosen Autor, dem Er dieses Stückes, bleibt, ist der Selbstmord.

    Als ein Meister des Minimalismus führt Fosse in seinen Bühnenwerken eben auch vor, wie Sprache nicht mehr funktioniert, wie die Worte nicht mehr beim anderen ankommen, wie Kommunikation scheitert, zum Beispiel in "Winter" (2000), einem Zwei-Personen-Drama. In den Nuller Jahren waren die Stücke von Fosse nicht wegzudenken, etwa auch "Der Name", das bei den Salzburger Festspielen (2000) erstmals in deutscher Sprache aufgeführt wurde, ein "Stillleben der verlorenen Seelen", wie es in der Besprechung dieser Zeitung damals hieß. Der Norweger trachtet nach der dunklen Zone jenseits der Sprache, dem seltsamen Kraftfeld zwischen den Personen, der Poesie des Unbenennbaren. 

    Aber Fosse schrieb nicht nur Theaterstücke, sondern auch Gedichte, Essays und Romane, etwa seinen Erstling "Rot, schwarz" (1983) oder "Geheimnis des Glaubens" (2015). Darin geht es, wie der Titel erahnen lässt, um Religion, eines von Fosses eigenen Lebensthemen, weil er wie so viele in Norwegen in die protestantische Kirche hineingeboren wurde. Fosse löste sich davon aber und schloss sich den Quäkern an, um dann noch einmal eine religiöse Wendung zu vollziehen: 2013 trat er zum Katholizismus über. Dem Deutschlandradio sagte er in dieser Zeit in einem Interview: "Man kann sich dem Glauben nicht wissenschaftlich nähern. Denn dann existiert Gott nicht. Er ist hinter allem, was existiert."

    Fosse ist ein Meister der Reduktion von Sprache

    Anders Olsson, der Vorsitzende des Nobelkomitees der Akademie, hob hervor, dass Fosse in seiner radikalen Reduktion der Sprache und der dramatischen Handlung den Kern menschlicher Ängste und Ambivalenzen offenlege. "Durch seine Fähigkeit, den menschlichen Orientierungsverlust hervorzurufen und dadurch paradoxerweise den Zugang zu einer tieferen Erfahrung nahe der Göttlichkeit zu ermöglichen, gilt Fosse nicht nur im zeitgenössischen Theater als Innovator."

    Trotz der Berühmtheit, der Schriftsteller ist schon mit vielen wichtigen Ehrungen ausgezeichnet worden, zieht Fosse auch als Erwachsener die Stille kleiner Orte dem Trubel großer Städte vor. Seinen Rückzugsort in der Nähe von Bergen etwa oder das österreichische Städtchen Hainburg an der Donau, wo er mit seiner slowakischen Frau zeitweise lebt, um ganz nah an ihrer Heimat zu sein. Es ist seine dritte Ehe, insgesamt hat Fosse fünf Kinder. 

    So verwundert es auch nicht, dass der 64-Jährige gerade am Fjord in der Nähe seines Sommerhauses stand, als die Akademie ihn anrief und ihm ihre Entscheidung mitteilte. "Ich bin überwältigt", sagte Fosse später der schwedischen Zeitung Svenska Dagbladet. Er sei "sehr, sehr froh", habe aber auch ein wenig Angst vor der ganzen Aufmerksamkeit, die der Nobelpreis mit sich bringe. Dem norwegischen Fernsehsender TV2 sagte er mit Blick auf seine jahrelange Mitfavoritenrolle, er sei die Spannung vor der Preisbekanntgabe gewohnt – und auch, den Preis dann nicht zu bekommen. Dass er nun wirklich Nobelpreisträger werde, komme "also etwas unerwartet", sagte er mit einem Lachen. "Höher als zum Nobelpreis wirst du nicht kommen. Danach geht alles bergab." (mit dpa)

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