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Ausstellung: Klimt als Spektakel: Immersive Ausstellung "Der Kuss" in München

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Klimt als Spektakel: Immersive Ausstellung "Der Kuss" in München

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     „KLIMTS KUSS – Spiel mit dem Feuer“ zeigt eine Multimedia-Show über das Leben und Werk des Jugendstilpioniers Gustav Klimt (1862–1918).
    „KLIMTS KUSS – Spiel mit dem Feuer“ zeigt eine Multimedia-Show über das Leben und Werk des Jugendstilpioniers Gustav Klimt (1862–1918). Foto: Morris Mac Matzen

    Zum Schluss gibt es den Goldrausch: Von oben und unten, von rechts und links und auch von vorn und hinten ist man umgeben von glitzernden Goldflittern, die zu verschlungenen Ornamenten, zu Quadraten und Kreisen werden. Mittendrin in einem der berühmtesten Gemälde der Kunstgeschichte und sehr nahe jenem eng umschlungenen Paar, das Gustav Klimt für sein Bild "Der Kuss" gemalt hat. Im Münchner Utopia läuft derzeit die Multimedia-Show "Klimts Kuss – Spiel mit dem Feuer", in der Besucherinnen und Besucher eintauchen können in Leben und Werk des Wiener Jugendstilmalers.

    "Klimts Kuss" in München ist eine 360-Grad-Multimedia-Show

    Nüchtern und bei Licht besehen ist es eine ehemalige Reithalle im Norden der Stadt mit kahlen Wänden. Mithilfe ausgeklügelter Technik wird daraus eine 360-Grad-Begegnung mit Landschaften, Blumen, Mustern, allegorischen Figuren und all jenen wunderschönen Frauen, die Klimt auf seinen Bildern festgehalten hat – eine Begegnung aber, die auch zum visuellen Overkill wird, wenn Farben und Formen rund um die Besucherinnen und Besucher in den Sitzsäcken explodieren.

    Beliebtes Selfie-Motiv ist eine Goldkammer in der Klimt-Ausstellung in München.
    Beliebtes Selfie-Motiv ist eine Goldkammer in der Klimt-Ausstellung in München. Foto: Morris Mac Matzen

    Hinter- und übereinander schweben Bilder und Motive auf die Wände, manchmal sieht man sie überdimensional in voller Größe, manchmal nur ein Detail oder einen Ausschnitt davon, und hin und wieder zwinkert einem auch eine der Schönheiten zu. Projektion und Animation gehen Hand in Hand, dazu gibt es Walzer, Schrammelmusik, Gustav Mahler, Beethovens "Freude schöner Götterfunken" und allerlei atmosphärische Geräusche, die das Wien der Jahrhundertwende auch ins Ohr bringen. 

    Immersive Ausstellungen wie "Klimts Kuss" in München erleben einen Boom

    "Immersives Kunsterlebnis" nennt sich diese Art von Ausstellung, in der man viele Bilder zu sehen bekommt, allerdings nicht in Öl und auf Leinwand, sondern erzeugt von Hochleistungsprojektoren auf vier Wände. "Klimts Kuss" ist in diesem Genre kein Solitär. Immersive Ausstellungen gibt es mittlerweile auch zu Van Gogh und Monet, die in Stuttgart, Dresden, New York und Berlin laufen. In London wurde gerade eine immersive Ausstellung mit Werken David Hockneys eröffnet, und noch während in München "Klimts Kuss" läuft, wird bereits angekündigt, dass ab Oktober "Monets Garten" zu sehen sein wird. Es ist also nicht übertrieben, von einem neuen Boom zu sprechen – sowohl was die Vielfalt als auch den Zuspruch betrifft. Vorgänger der Klimt-Schau im Münchner Utopia war bis Ende März "Viva Frida Kahlo", für die der Veranstalter in dreieinhalb Monaten Laufzeit 111.000 Besucherinnen und Besucher zählte. 

    Das sind Zahlen, bei denen Museumsdirektoren ins Träumen geraten. Gerade nach der Pandemie und ihren Lockdowns erlebten sie – ähnlich wie die Theaterleiter und Konzertveranstalter – einen Einbruch. Fürchten müssen sie sich vor der Konkurrenz allerdings nicht, glaubt der Medienwissenschaftler Dominik Rinnhofer von der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe. Selbst besuchte er bereits die immersive Van-Gogh-Schau in Berlin und war durchaus angetan, doch sagt er auch: "Immersive Ausstellungen sind Spektakel, mehr Vergnügungspark mit einer Prise Hochkultur als Kunstgenuss."

    "Monets Garten" war ein Befreiungsschlag aus der Corona-Lethargie

    Ihr großer Erfolg resultiere vor allem daraus, dass sie sich auf die berühmten Namen der Kunstgeschichte konzentrieren, die auch in den Museen Besucherschlangen erzeugen. Durch ihre Verbindung von Entertainment und Kultur vergrößere sich die Zielgruppe. "Es kommen also einerseits Menschen, die das Event erleben wollen, und andererseits die sogenannten Bildungsbürger, die auch in Museumsausstellungen dieser Künstler gehen." Keinesfalls dürfe man aber der Illusion erliegen, dass man Klimt, Monet oder Van Gogh zu sehen bekäme. "Das sind Abbilder, die hier gezeigt werden, wie die Plastikdecke mit dem Picasso-Aufdruck auf dem Gartentisch", ordnet er ein.

    Nepomuk Schessl würde bei diesem Satz wohl ein wenig zusammenzucken. Schessl von der Münchner Konzertagentur Alegria ist nicht nur der Veranstalter, sondern auch der Produzent der Klimt-Ausstellung. "Es war ein Befreiungsschlag aus der Corona-Lethargie", erläutert Schessl seine Motivation, sich auf neues Terrain zu begeben. Verschieben und absagen – das war über Monate zur Routine für ihn und seine Mitarbeiter geworden, viel lieber wollte er wieder produktiv sein und sich auf neue Inhalte konzentrieren, erzählt er. So kam es zum Erstlingswerk "Monets Garten", das Alegria mit einem Schweizer Studio verwirklichte und im vergangenen Jahr in Berlin und Stuttgart präsentierte.

    Klimts Leben wird in fiktivem Dialog erzählt

    Die Idee dahinter: Menschen etwas niedrigschwellig näherzubringen, vor dem sie erst einmal Scheu hätten. "Als Klassik-Veranstalter haben wir durchaus einen edukativen Anspruch", nennt Nepomuk Schessl das. Für diejenigen, die mit Klimt und Kunst bisher wenig anfangen konnten, könnte es ein Einstieg sein; den anderen könnte es eine neue Perspektive auf den Künstler und sein Werk aufzeigen, erhofft sich Schessl. 

    Für "Klimts Kuss" heißt das konkret, dass zum Bilder-Spektakel auch einiges an Wissen zu Künstler und Werk vermittelt wird. Aus dem Off werden Klimts Leben und Wirken um die Jahrhundertwende in Wien in einem fiktiven Dialog zwischen einer Kunststudentin der heutigen Zeit und Klimts Ex-Geliebter Emilie Flöge erzählt. Auch die Skandale, die der Maler mit seinen ungeschönten Darstellungen von Menschen und den aufreizenden Positionen von Frauen hervorrief, und die Affären, die er mit seinen Modellen und Damen der Wiener Gesellschaft hatte, kommen zur Sprache. 

    "Klimts Kuss" wirft einen kritischen Blick auf Gustav Klimts Frauendarstellungen

    Bei all dem geht es dem Schweizer Drehbuchautor Roman Riklin auch darum, einen kritischen und zeitgenössischen weiblichen Blick auf diesen "Maler der Frauen" zu werfen. Handelt es sich bei seinen oft umstrittenen Werken um zeitlose Darstellungen weiblicher Körper oder zeigt er Frauen als Objekt der Begierde? 

    Die Antwort auf diese Frage bleibt auch in dieser Ausstellung, die Klimt auch in seinen expliziten Bildern von Frauenkörpern so nahe kommt, offen und muss sich jeder Betrachter selbst geben. Für Gustav Klimt selbst stand jedenfalls fest: "Wer über mich als Künstler etwas wissen will, der soll meine Bilder aufmerksam betrachten und daraus zu erkennen suchen, was ich bin und was ich will." Im Museum gelingt das immer noch nachhaltiger – und nebenbei bemerkt auch billiger. Denn der von den Machern proklamierte "niedrigschwellige" Einstieg zu Klimt kostet immerhin 22 Euro. Für dieses Geld bekommt man in manchen Museen schon die Jahreskarte.

    Info Klimts Kuss eine Immersive Geschichte. Utopia München, Heßstraße 132; Laufzeit bis 14. Mai. Informationen unter www.klimts-kuss.de

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