Stets ein stiller Teilhaber unter den Malern, zurückgezogen, sich selbst und seinem Schaffen treu bleibend. So ist Rudi Tröger Kunstkennern bekannt. Seit mehr als 60 Jahren zeichnet der 1929 in Oberfranken geborene Maler und durchdringt dabei die Genregrenzen. Insgesamt 109 seiner Werke präsentiert das Kaufbeurer Kunsthaus derzeit in der Ausstellung "Rudi Tröger – Ausblicke und Innenschau". Darin zeigt sich in Retrospektive die ganze Bandbreite Trögers Œuvres – und auch, warum seine Kunst so zeitlos ist.
Auf bemerkenswerte Art und Weise bricht Tröger mit Konventionen, mit Perspektiven und Horizonten. Viele seiner Stillleben, die zwischen 2000 und 2010 entstanden sind, stellen Blumen zwar prominent ins Zentrum, lassen ferner aber eine feine Trennlinie zwischen Himmel und Globus im Hintergrund deutlich erkennen. Ebenso finden sich dort Figuren, angedeutet, menschenähnlich. Collagenartig zusammengesetzt, aber doch passend fließen sie farbig ineinander über. Die floralen Gebilde sind vom Verfall verfolgt – stets haben die Blumen ihren Zenit bereits knapp überschritten. Vanitas, doch die einstige Schönheit hallt nach.
Tröger, der von 1949 bis 1957 an der Akademie der Bildenden Künste in München studierte, steht zwischen den Genres. Mal mit Acryl, mal mit Gouache und mal mit Eitempera wandelt er von abstrakten Formen hin zu realistischeren Impressionen und wieder zurück. Genau diese Ambivalenz löst seine Kunst über Dekaden hinweg von Trends und macht die Schau in Kaufbeuren zu einem Augenschmaus für Tröger-Kenner und -Einsteiger.
Rudi Tröger spielt meisterhaft mit Motiven und Genres
Mit der Disparität der Genres und Motive spielt der Künstler meisterhaft. Inspiration dafür findet er vor der eigenen Haustür. Neben dem Ammersee oder den bayerischen Voralpen dient ihm der Garten seines Hauses in Markt Indersdorf im Dachauer Land, in dem der Maler seit 1970 lebt, als Motiv – im Sommer wie im Winter. Viele der Gartenbilder Trögers, insbesondere die aus den frühen 1980er Jahren, sind durchzogen von flirrend leichten Farben. Gelb, Grün und Weiß dominieren. Schattierungen – Fehlanzeige. Eindrücke des Künstlers, flüchtige Gefühle vermischen sich mit den tatsächlichen Motiven, die keine idealistischen Szenen, sondern vielmehr Momentaufnahmen abbilden, und werden so zu einer Melange aus dem, was ist, und dem, was sein könnte.
Figuren – etwa die auf den Badebildern, die ein weiteres favorisiertes Sujets Trögers sind – wirken statisch, gar tektonisch, aber doch liegt ihnen eine gewisse Dynamik inne. Sie sind nur angedeutete humanoide Schemen, auf den Körper reduziert und keine Individualisten. In ihnen wohnt eine Mystik, eine Verwaschenheit, die deutlich macht: Tröger geht es bei seinen Werken nicht um die Gegenständlichkeit des Gemalten per se, sondern darum, was das Bild beim Betrachter auslöst. Trögers Werke drängen – passend zum Titel der Ausstellung – dazu, selbst zu eruieren, was sich hinter dem Sichtbaren verbirgt.
Ganze 25 Jahre lang dozierte Tröger ab 1967 selbst als Professor an der Universität, an der er einst studierte, bis er 1992 seine Lehrtätigkeit einstellte. In diesem Jahr entstand mit dem "Großen Gartenbild" eines seiner bemerkenswertesten Werke. Im Gegensatz zu seinen früheren Gartenbildern erweitert sich die Farbpalette. Zwar dient die Natur weiter als Inspiration, doch halten dunklere Farben Einzug. Schicht für Schicht. Bisweilen ist nicht klar zu erkennen, welche Ebene überlappt, welche darunterliegt. Ein Relief aus kleinen Kratern, Rissen und Erhebungen entwirft sich – so oft wurde die Farbe auf die Leinwand aufgetragen. Nahezu rindenartig die Textur des Bildes, das derzeit im Erdgeschoss des Kunsthauses seinen Platz gefunden hat.
Ähnliches Relief weist das "Bildnis R." auf – eines von drei Selbstporträts Trögers: Pinselstriche, fast fingerdick, sind Zeugen einer nervösen Hand, die mitunter skizzenhaft das eigene Selbst umreißt. Das Werk stammt aus den Jahren 1962/63, einer Zeit, in der Tröger als freischaffender Künstler arbeitete. Es ist durchzogen von mehreren Millimeter tiefen Furchen, die ein geradezu plastisches Bildwerk auf der Leinwand hinterlassen. Unruhe. Dieser Duktus wohnt einige Werken inne, die Tröger in den 1960er Jahren schuf. Augen, Nase und Mund bleiben angedeutet, sind nicht ausformuliert. Blau und verwaschenes Gelb, durchtränkt von braunen Akzenten, dominieren das Farbenspiel.
Ausstellung in Kaufbeuren läuft bis 19. November
Zu einer Zäsur sollte der Tod seiner Frau Klara im Jahr 2017 werden. Tröger zog sich als aktiver Maler zurück und fertigte seitdem lediglich ein weiteres Gemälde: Mit stechenden, blaugrauen Augen blickt Trögers Frau von dem Porträt, das der Maler posthum von ihr schuf. Die einstigen dicken Pinselstriche sind einem filigraneren Schwung gewichen – durchwirkt von einem Hauch Melancholie.
Info: Laufzeit bis 19. November, geöffnet dienstags bis sonntags sowie an Feiertagen von 10 bis 17 Uhr. Weitere Infos www.kunsthaus-kaufbeuren.de.