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Aus dem Leben einer Schmarotzerin

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Aus dem Leben einer Schmarotzerin

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    Die Hamptons sind der Schauplatz von Emma Clines Roman "Die Einladung".
    Die Hamptons sind der Schauplatz von Emma Clines Roman "Die Einladung". Foto: Miles Astray, Adobe Stock

    Schön muss sie sein, die Welt der Reichen. So sauber, so geordnet, die großen Häuser, die Pools … Alles scheint so leicht, vor allem ohne Geldsorgen, wie sie Alex notorisch umtreiben. Die 22-Jährige führt in New York ein wackliges Leben als eine Art Escortgirl und hat sich gleichzeitig in eine ziemlich verfahrene Situation geschnorrt. Die WG will sie loshaben, die Schulden sind hoch, kein Job in Sicht und auch kein Retter in Not, oder?

    In einer Bar lernt sie Simon, einen gut erhaltenen Mitfünfziger, kennen. Nach ein paar Drinks und Dates lädt er Alex ein, den Sommer gemeinsam in seinem Haus in den Hamptons zu verbringen. Eine bessere Gelegenheit, den Scherbenhaufen zurückzulassen, scheint es für Alex nicht zu geben. Nichts wie weg und hinein in diese verheißungsvolle Parallelwelt. Doch die Hamptons werden für die junge Frau zum Alptraum. In ihrer Verzweiflung zieht Alex geradezu eine Schneise der Zerstörung durch höchst gediegene Sommersitze.

    Schon mit den ersten Zeilen setzt Emma Cline den Ton

    Um unüberwindbare Standesunterschiede geht es in Emma Clines Roman "Die Einladung". Um nicht ausgesprochene Codes verschiedener Lebenswelten. Schon mit den ersten Zeilen setzt Emma Cline den Ton, wenn sie Alex im Meer hinausschwimmen lässt und feststellt: "Im Wasser war sie wie alle anderen. Nichts Ungewöhnliches an einer jungen Frau, die allein im Meer schwamm. Unmöglich zu sagen, ob sie hierhergehörte oder nicht".

    An Land wird es dagegen schon schwieriger: Es beginnt bei den feinen Schuhen der Hamptoner, die am Strand so selbstverständlich unbeaufsichtigt zurückgelassen werden, wie teure Handtaschen und unabgeschlossene Fahrzeuge, weil keiner seine Schlüssel am Strand dabei haben will. Was für ein gelassener Umgang mit dem Luxusgut, der "nur funktioniert, weil alle glaubten, sie seien unter ihresgleichen". Alex, die Schnorrerin, kann da doch nicht ganz widerstehen. Aber sie will auch ja nichts falsch machen, nimmt sich für ihre Verhältnisse zurück, will sich möglichst geschmeidig in Simons Leben einfügen. Sie malt sich aus, "was für eine Person Simon gefallen würde, und das war die Person, die Alex vorgab zu sein." Sie geht brav auf gediegene Gartenpartys, lässt sich von Simon adäquat einkleiden und akzeptiert herablassende Blicke, die sie hin und wieder treffen. Vielleicht wird sie aber von Simons Freunden auch verwechselt mit anderen jungen Frauen, die früher schon einen Sommer an Simons Seite verbracht hatten.

    Emma Cline ist eine feine Beobachterin von Verhältnissen

    Eine Zeit lang sieht es so aus, als könnte das Spiel gut gehen. Doch dann vergisst Alex eine Schramme am Wagen zu beichten – und fliegt im hohen Bogen aus dem Sommerhaus. Emma Cline treibt die junge Frau, die diesen Rauswurf nicht akzeptieren will, in eine Odyssee des Niedergangs. Alex besinnt sich auf ihre bewährten Überlebensprinzipien und lügt und schmarotzt sich durch die Hamptons, schafft es für einige Zeit sich in leerstehende Villen einzuquartieren – immer ein Ziel vor Augen. Simons Party am Labour Day, wo sie sich – als Überraschungsgast – eine rührselige Versöhnung erträumt und sich ihren Platz hier doch noch ergattern will. Bis dahin nutzt sie die Gutmütigkeit von Housekeepern genauso aus wie die Verzweiflung unglücklicher Richkids. 

    Und irgendwie beginnt man mit Alex mitzufiebern, obwohl man die Antiheldin nicht eine Minute in der Nähe haben möchte. Auch die preisgekrönte Emma Cline, die 2016 für ihr Debüt "The Girls" gefeiert wurde, hat nicht viel Mitleid mit der 22-Jährigen, deren Vergangenheit weiter keine Rolle spielt. Es gibt keine rührselige Geschichte, wie es mit Alex so weit kommen konnte. Emma Cline ist vielmehr eine feine Beobachterin von Verhältnissen. Den Überfluss beschreibt sie genauso abgeklärt nüchtern, wie den Existenzkampf ihrer Protagonistin – ohne dabei zu werten. Und sie braucht nicht viele Worte, um Bilder vor Augen entstehen zu lassen: Den Verkehr in den Hamptons beschreibt sie beispielsweise so: "Nobelkarre,

    Emma Cline: Die Einladung. Carl Hanser, 320 Seiten, 26 Euro.

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