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Augsburger Wissenschaftspreis vergeben

Auszeichnungen

Botschafterin für eine gerechtere Gesellschaft: Augsburger Wissenschaftspreis für interkulturelle Studien

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    Die Verleihung des Augsburger Wissenschaftspreises für interkulturelle Studien 2024: Oberbürgermeisterin Eva Weber (von links), Universitätspräsidentin Prof. Sabine Doering-Manteuffel, Daniela Susso (1. Vorsitzende FiLL e.V.), Preisträgerin Dilek Tepeli und Prof. Eckhard Nagel (Vorsitzender der Jury)
    Die Verleihung des Augsburger Wissenschaftspreises für interkulturelle Studien 2024: Oberbürgermeisterin Eva Weber (von links), Universitätspräsidentin Prof. Sabine Doering-Manteuffel, Daniela Susso (1. Vorsitzende FiLL e.V.), Preisträgerin Dilek Tepeli und Prof. Eckhard Nagel (Vorsitzender der Jury) Foto: Peter Neidlinger/Universität Augsburg

    Wie vererben sich gewaltsame Konflikte auf nachfolgende Generationen? Und was ändert sich, wenn sowohl Opfer- als auch Täter-Familien in größerer Zahl aus dem Herkunfts- in dasselbe Zielland einwandern? Die Soziologin Dilek Tepeli begab sich für ihre Doktorarbeit an der Universität Bochum in einen der längsten, von Massakern überschatteten und weitgehend unbearbeiteten Konflikt von Einwanderern aus der Türkei: die Unterdrückung alevitischer Gruppierungen durch den türkischen Staat und seine sunnitische Mehrheitsgesellschaft. Die Wurzeln dieser Verfolgungsgeschichte liegen lange zurück, schon aus dem osmanischen Reich sind gewaltsame Vertreibungen und Pogrome überliefert, die sich in Wellen in der modernen Türkei fortsetzten. Das formt das Familiengedächtnis, die Erinnerungskultur auch unter den Einwandererkindern beider Gruppen in Deutschland.

    Dilek Tepeli mit dem Augsburger Wissenschaftspreis für Interkulturelle Studien ausgezeichnet

    Für ihre Forschung erhielt Tepeli jetzt den Augsburger Wissenschaftspreis für Interkulturelle Studien. Seit 27 Jahren wird dieser jährlich von der Stadt, der Universität und vom Forum für Interkulturelles Leben und Lernen vergeben. Zum Empfang im Goldenen fanden sich etwa 100 Gäste ein - Jurymitglieder, städtische Referenten, Religionsgemeinschaften, Persönlichkeiten aus Politik und Wissenschaft. Ehrengäste waren Helmut Hartmann (94) und seine Frau Marianne, die 1998 den Preis ins Leben riefen und seither aus ihrem Vermögen stiften.

    Etwa 600000 Alevitinnen und Aleviten leben in Deutschland. Bis heute, so Tepeli, werden sie in öffentlichen Debatten und in der Wissenschaft oft als monolithisch „türkisch“ oder „muslimisch“ behandelt. Insbesondere rechte Diskurse konzentrierten sich auf „die Türken“. Innerhalb der Türkeistämmigen finden sich die dort marginalisierten Teile wie Aleviten dann in einer doppelten Außenseiterrolle. Tepeli forschte mit jugendlichen alevitischen und sunnitischen Interviewpartnern an Kontinuitäten und Veränderungen in ihrem Verhältnis zueinander. Wie wirkt sich der Konflikt auf die gefühlsmäßigen Bindungen einer selbst bereits in Deutschland geborenen Generation aus? Ihr Fazit: Als postmigrantische Jugendliche tragen sie Teile der Fremdheitserfahrungen und des Trennungsschmerzes der Eltern in sich und werden weiterhin in Teilen zu Außenseitern der deutschen Mehrheitsgesellschaft gemacht.

    Dilek Tepeli: Fehelnde Unterscheidung trifft Alevitinnen und Aleviten doppelt

    „Junge Alevitinnen und Aleviten trifft es doppelt, sie zeigen ein höheres Verletzungsrisiko, weil sich auch die Ausgrenzungen durch sunnitische Milieus zum Teil fortsetzen“, so die Wissenschaftlerin. Wenn diese auch in den Schulen geführten Auseinandersetzungen nicht differenzierend, sondern unter „die Türken“ behandelt werden, bedeute dies für alevitische Jugendliche eine erneute „kollektive Verletzung“. Tepeli ist selbst Alevitin. Ihre Doktorarbeit sieht sie als Grundlage für Veränderungen in unserer komplexen Einwanderungsgesellschaft. „Nur, wenn auch die innere Diversität von Einwanderungsgruppen erkannt wird, können wir deren lange wirksamen, tiefen, internen Konflikte überwinden“, ist Tepeli überzeugt.

    Den Förderpreis erhielt Cane Çaglar für ihre Masterarbeit „Handlungsfähigkeit von Schwarzen Studierenden, indigenen Studierenden und Studierenden of Color“ in Universitäten. Die rassismuskritische Studie untersuchte Institutionen, Lernmittel und Curricula erziehungswissenschaftlicher Studiengänge auf ihre Tauglichkeit, auch marginalisierte Gruppen zu repräsentieren. Kommen Perspektiven nicht-weißer Menschen vor, gibt es institutionelle Möglichkeiten eines Beschwerdemanagements für Rassismus in der Universität – Fragen, deren Antworten für mehr Chancengleichheit im Bildungssystem sorgen können.

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