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Augsburg: Die Stadt und ihr Dichter: Was Augsburger Kulturschaffende über Bertolt Brecht denken

Augsburg

Die Stadt und ihr Dichter: Was Augsburger Kulturschaffende über Bertolt Brecht denken

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    Eine Brechtfigur steht in Augsburg am Geburtshaus von Bertolt Brecht.
    Eine Brechtfigur steht in Augsburg am Geburtshaus von Bertolt Brecht. Foto: Stefan Puchner, dpa (Archivbild)

    Bert Brecht und Augsburg,

    Bertolt Brecht und Augsburg: Über das Jahr hinweg geschieht zu wenig

    Ich würde sagen, beim Umgang der Stadt mit Brecht gibt es Licht und Schatten. Aber die Wahrnehmung des Dichters ist sicher besser geworden. Der Punkt, an dem das Verhältnis ins Positive gekippt ist, das war 1998 zum 100. Geburtstag. Da wusste man, da wird jetzt nicht nur nach Berlin, sondern auch nach Augsburg geschaut, und da wollte man sich nicht blamieren. Seitdem haben wir das

    Kurt Idrizovic ist nicht nur Buchhändler aus Leidenschaft, sondern auch Experte in Sachen Bertolt Brecht.
    Kurt Idrizovic ist nicht nur Buchhändler aus Leidenschaft, sondern auch Experte in Sachen Bertolt Brecht. Foto: Silvio Wyszengrad

    Aber was die Brecht-Wahrnehmung übers Jahr hinweg betrifft, geschieht mir noch viel zu wenig. Ich würde mir wünschen, dass das Staatstheater mehr Brecht auf die Bühne bringt, gerne auch mal auf der Freilichtbühne. Nun haben wir eine Brecht-Bühne, aber es wird fast nie Brecht gespielt. Und auch die Universität Augsburg ist, was Brecht betrifft, ohne jegliche Relevanz. Gut, dass sie nicht Brecht-Uni heißt. Wer hätte das gedacht? Dass es noch besser gehen könnte mit Augsburg und Brecht, zeigt sich sinnbildlich für mich mit den roten Brecht-Statuen, die in der Stadt verteilt sind – ungepflegt und peinlich, mit Aufklebern versehen, mit Graffitis und ohne jegliche sinnvolle Information.

    Kurt Idrizovic ist Inhaber der Buchhandlung am Obstmarkt und des Brechtshops

    Fokus auf politischer Dimension

    Das Verhältnis zwischen Stadt und Brecht war immer konfliktreich, aber darin steckt auch ein kreatives Potenzial. Allein das

    Sabeth Braun ist leitende Dramaturgin am Staatstheater Augsburg.

    Mit Brecht hat sich Augsburg bequem eingerichtet

    Ich habe den Eindruck, dass Brecht in Augsburgs Mitte absolut angekommen ist. Das bedeutet aber auch, dass wir uns sehr bequem mit ihm eingerichtet haben. Ich wünsche mir, dass die Augsburger Stadtgesellschaft sich mit der tatsächlich revolutionären Sprengkraft seiner Worte auseinandersetzt. Ein ganz kleines Beispiel: „Das Sichere ist nicht sicher. So wie es ist, bleibt es nicht.“ Was heißt das für uns denn, wenn wir es ernst nehmen?

    Anne Schuester ist im Leitungsteam des Sensemble Theaters und Vorsitzende im Verband Freie Darstellende Künste Bayern.

    Viel Innovation, wie es der Dichter Bertolt Brecht geliebt hätte

    Ich würde sagen, dass sich das Verhältnis wahnsinnig verbessert hat, dass wir Brecht im Positiven in die Stadtgesellschaft zurückgeholt haben, dass mit ihm und seinem Festival wieder Innovation stattfindet. Das wollte Brecht ja immer, dass man mit seinen Stücken innovativ umgeht, neue Medien ausprobiert, ein breites Publikum erreicht.

    Mein Seitenhieb wäre eher an die Brecht-Erben gerichtet, die über die Rechte verfügen und übers Brechts Liebe zu Innovation nachdenken sollten. Mein Wunsch wäre, dass künftig in Augsburg mehr das „Kollektiv Brecht“ in Mittelpunkt steht – seine Mitarbeiterinnen, seine Freundinnen, die ihm ins und im Exil geholfen haben. Was die Universität betrifft, da wäre ich aus diesem Grund auch absolut gegen eine Umbenennung: Ich möchte keine weißen Männer mehr in führenden Namen sehen.

    Leonie Pichler ist Mitgründerin des multimedialen Theaterensembles Bluespot Productions und arbeitet als freischaffende Künstlerin in Dänemark und Deutschland.

    Mittlerweile ist Brecht in der Stadt Augsburg angekommen

    Mittlerweile ist Brecht in der Stadt angekommen. Dass die Akzeptanz Brechts in Augsburg gewachsen ist, dass viel weniger Menschen als früher mit ihm Probleme haben, hängt eng mit der Entideologisierung seiner Person und seines Werkes zusammen, die auch die Brecht-Forschungsstätte in den letzten 15 Jahren vorangetrieben hat. Nachweislich ist er nicht der kommunistische Säulenheilige, sondern ein Autor, der taktiert hat, um der eigenen Vorteile willen, und dessen Werk einzigartige ästhetische Qualitäten hat. 

    So hat er für jeden was zu bieten, und die Jünger von einst halten ja auch an ihrem überkommenen Brechtbild fest und feiern ihn nach wie vor als sozialromantisches Idol, benutzen ihn als Projektionsfläche für eigene ideologische Wünschbarkeiten. Die Geschichte, die so gern zitiert wird, dass ein Augsburger Taxifahrer nicht weiß, wo das Brechthaus ist, ist längst nicht mehr symptomatisch für die Stadt.

    Literaturwissenschaftler Jürgen Hillesheim, Leiter der Bertolt-Brecht-Forschungsstätte Augsburg:

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