Freimaurer – das klingt nach Geheimzirkel, Verschwörungstheorien und Dan-Brown-Romanen. Ihr Versammlungsort in Augsburg ist ein gelb gestrichenes Gebäude in der Innenstadt, an dessen Stirn der Schriftzug „Augusta“ prangt, der Name der hiesigen Loge. Nach außen verstecken sich die Freimaurer nicht. Im Inneren aber wollen sie einige Geheimnisse wahren.
Hinter einer Holztüre, verziert mit dem goldenen Symbol der Freimaurer aus Winkel und Zirkel, treffen sich die Mitglieder der „Loge Augusta“. 500 solcher Ableger gibt es in ganz Deutschland, dazu fünf Großlogen – insgesamt 15023 Freimaurer, heißt es ganz offiziell. Und kürzlich feierten die „Vereinigten Großlogen“ in Hannover 300-jähriges Bestehen „der sogenannten modernen Freimaurerei“. Unter den Festrednern: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Peter Geoffrey Lowndes, höchster Freimaurer im Mutterland der Vereinigung, Großbritannien.
Seit 1872 gibt es die Freimaurer-Loge in Augburg
Im Jahr 1872 wurde die Loge in Augsburg gegründet. Das Innere des Gebäudes in Augsburg lässt einen Hauch jener Zeit spüren. Der große Versammlungsraum, in dem Mitglieder ihre regelmäßigen Treffen abhalten, ist altertümlich eingerichtet. Massiver Eichenboden, grün gemusterte Tapeten, streng blickende Herren auf Gemälden an den Wänden. Die Herren, die heute in diesem Raum sitzen, blicken dagegen wesentlich freundlicher.
Sascha Ratzinger ist der derzeitige „Meister vom Stuhl“. Das sei mit einem ersten Vereinsvorsitzenden gleichzusetzen. Der 45-Jährige, der in seiner Freizeit Marathon läuft, ist seit zehn Jahren Mitglied bei den Freimaurern. Ihm habe damals ein roter Faden in seinem Leben gefehlt. Hier habe er ihn gefunden: „Wir versuchen, an unserer eigenen Person zu bauen“, sagt er. Das will auch Hans-Jürgen Herzog, 77 Jahre alt, den Freimaurern hat er sich erst in seinem 60 Lebensjahr angeschlossen.
Die Mitglieder der „Loge Augusta“ sind laut Ratzinger sehr unterschiedlich. Der Altersdurchschnitt liege bei 50 Jahren, allerdings seien 20-Jährige darunter, ebenso wie 90-Jährige. Auch in den Berufsgruppen sei die Spannweite groß. In der Loge versammeln sich Handwerker und Büroangestellte. Ratzinger etwa ist Inhaber einer Internet-Agentur, die unter anderem Web-Shops einrichtet. Hans-Jürgen Herzog hingegen hat bis zu seiner Rente als Chirurg gearbeitet.
Die Tradition reicht bis ins Mittelalter
Doch innerhalb der Mauern des gelben Gebäudes sollen sie sich nicht unterscheiden: Jedes Mitglied hat denselben Wert, jeder kann seine Meinung frei kundtun – so will es die Tradition der Freimaurer. Die ersten Zusammenkünfte dieser Art entstanden bereits im Mittelalter. Damals haben Maurer und Steinmetze auf großen Baustellen gearbeitet, um etwa Kirchen zu errichten. Dabei waren sie von der restliche Bevölkerung abgegrenzt. Tagsüber arbeiteten sie, die Nacht verbrachten sie in ihren Hütten direkt auf der Baustelle. In dieser Form des Zusammenlebens hatten sie die Möglichkeit, ihre Ansichten und Denkweisen frei auszutauschen. Damals ein Privileg – denn Meinungsfreiheit herrschte in der Zeit des Feudalismus noch nicht.
Diese Tradition wollen die Freimaurer fortführen. Der Meinungsaustausch zwischen den Mitgliedern bildet die Grundlage ihrer Treffen. Einmal in der Woche kommen sie zu Gesprächsrunden zusammen. Dabei gelten Regeln: Jeder lässt dem Gegenüber seine eigene Meinung, und nichts von dem Gesagten wird nach außen getragen. „Wir wollen keine dogmatischen Meinungen in unsere Gespräche tragen“, sagt Herzog. Vielmehr gehe es darum, den eigenen Horizont im Austausch mit den anderen Mitgliedern zu erweitern.
Einmal im Monat finden besondere Treffen statt: die sogenannte Tempelarbeit. Bei diesem Zusammenkünften klingen nun doch Nuancen von Dan-Brown-Romanen an. Die Freimaurer treffen sich dabei in einem besonderen Zimmer, das mit besonderer Lichtstimmung und zahlreichen Symbolen an den Wänden einen mystischen Eindruck erweckt. Dabei tragen die Mitglieder der Loge auch besondere Kleidung. Jeder erscheint im schwarzen Anzug, einem symbolischen Maurerschurz, weißen Handschuhen und Abzeichen ihrer Gemeinschaft um ihren Hals. „Die Tempelarbeit ist ein besonderes Erlebnis“, sagt Ratzinger.
Die Rituale der Freimaurer bleiben geheim
Dabei pflegen die Freimaurer Rituale, die ihre Vorgänger schon Jahrhunderte zuvor praktiziert haben. Wie diese aussehen, wollen sie allerdings geheim halten. Doch Ratzinger versichert: „Es geht bei den Ritualen absolut gesittet zu. Bei uns werden keine Tiere geschlachtet oder Menschen Schlingen um den Hals gelegt, wie Gerüchte teils besagen.“ Die Geheimhaltung der Rituale erklärt er mit einem einfachen Argument: „Wir wollen, dass neue Mitglieder die Rituale unvoreingenommen und mit allen Überraschungen erleben können. Das funktioniert nicht mehr, wenn jeder weiß, wie die Sache abläuft.“
Gerüchte um die Freimaurer halten sich hartnäckig. Verschwörungstheoretiker unterstellen ihnen den Willen, das Denken der Gesellschaft zu lenken. „Das ist völlig absurd. Unser einziges Ziel ist es, uns selbst als Menschen zu verbessern“, sagt Herzog. Die Ursprünge dieser Vorurteile kommen ihm zufolge aus der NS-Zeit. Damals hatten die Nazis mit ihrer Propaganda gegen die jüdische Bevölkerung aufgebracht. Zentraler Bestandteil war dabei die Behauptung, dass die Juden heimlich das Weltgeschehen lenken wollten. In dieses Verschwörungsschema wurden auch andere Gruppen gesteckt, die den Nazis ein Dorn im Auge waren – zum Beispiel die unabhängig denkenden Freimaurer.
In der öffentlichen Vorstellung, so sieht es Ratzinger, halten sich diese Vorurteile zufolge immer noch. Das sei der Grund, warum die Freimaurer sich nach außen meist nicht als solche zu erkennen geben. Zu groß sind die Bedenken, bei anderen Menschen auf starke Vorurteile zu stoßen. Die Freimaurer bleiben lieber unter sich. Verschlossen, im verschwiegenen Kreis. So, wie schon seit Jahrhunderten.