Schau an: Auf den ersten Blick ist die Malerei, mehrfach für tot erklärt, nie gestorben, wieder ein unübersehbares – und unübersichtliches – Thema. Nicht Video, nicht Mixed Media, nicht Performance und Installation lenken den Blick auf der Kölner Art Cologne, dieser ältesten und größten Messe für Gegenwartskunst, sondern händische Pinselarbeit, belächelt gern als „Flachware für übers Sofa“. Nur: Wenn hier die Malerei wieder deutlich an Boden gewonnen hat, dann so gut wie gar nicht als Gemälde von Anmut, gar Andacht, sondern als figurative, mehr oder weniger heftige Provokation, so wie es eine Reihe von deutschen Malern des 20. Jahrhunderts vorgemacht haben, auch in den 70er- und 80er-Jahren. Stichwort Rainer Fetting, Helmut Middendorf, Jörg Immendorff, die versammelt in Köln 2024 ein neues Stelldichein haben.
Abbruch- statt Aufbruchsstimmtung prägt die Art Cologne 2024
Aber die frische unverkünstelte Malerei, die jetzt im 21. Jahrhundert begegnet, scheint nicht Aufbruchs-, sondern Abbruchsstimmung zu spiegeln. Sie kündet von Unheil, dunkler Macht und Aussichtslosigkeit, indem sie ein Bild vom Menschen zeigt, das Bedrohungen ausgesetzt ist, tier-, masken-, fratzenreich. Auch Surreales spielt hinein. Pauschalisiert: Heil ist das nicht, aber vielfach bunt, großformatig, plakativ zeitgeistig. Man muss nicht tiefer einsteigen.
Andere neue Malerei wiederum vergewissert sich dann doch gattungsfremder Präsentation oder – unter Umständen interessanter – dezidierter Auseinandersetzung mit der Kunstgeschichte. Ersteres beispielsweise mittels gekurvtem Bildträger, mittels Wandschirm, mittels dünner Leinwand, durch die Digitales hindurchblinkt. Letzteres, indem berühmte Altvordere aufgerufen werden und historische Stile. Der deutsche Maler Matthias Schauffler (*1964) etwa greift mit moderner „Handschrift“ Motive aus Spätmittelalter und Renaissance auf: Choristen wie aus gotischer Buchmalerei, Instrumentalisten wie aus der Zeit der Cranachs. Die Wirkung: als wär’s ein Fresko (Galerie JUBG/Köln).
Andrew Gilbert mal Franz von Stuck als Eichhörnchen
Eher karikierend geht es hingegen bei dem Schotten Andrew Gilbert (*1980) zu: Er malt Franz von Stuck in seinem Atelier 1893 als ein Eichhörnchen. Die „Sünde“ hängt, eben fertiggestellt, an der Wand, mutet aber mehr wie Alice Cooper an (Galerie Sperling/München).
Wirklich bizarr wird es bei dem Spanier Enrique Marty (*1969). Er widmet sich Rubens und malt diesen als Buben hinein in eine Kathedrale, halb Kölner Dom, halb Antwerpener Liebfrauen-Dom. Aber wie er das tut. Einerseits altmeisterlich im Stile van Eycks, andererseits überfrachtet von Symbolen, Tieren, Vanitas-Motiven. Hier eine Schlange, dort eine Eule. Dann wieder fliegen zwei Luftballons in den Rippen-Kirchenhimmel, und aus einem Haufen Viecher lugt auch noch Malerkollege Richter hervor. Es kann einem schwindlig werden ob solcher Fantasy-Melange, die an Harry Potter denken lässt (Keteleer Galerie/Antwerpen).
Art Cologne eröffnet einen Tag nach Trumps Wiederwahl
Das Publikum dürfte jedenfalls zu dem Eindruck gelangen: Es wird in Zeiten eines flauen Kunstmarkts viel ausprobiert, um an einstige Höhenflüge anzuknüpfen. Vorbei die Tage, da Galeristen auf Abstand hielten, ja wählen konnten, wem sie was verkaufen möchten. Heute wird der potenzielle Kunde mit Mails bombardiert; heute fehlen auch mal Beschriftungen an den Kojen-Wänden, um bloß ins Gespräch zu kommen mit möglichen Interessenten. Zugeknöpft war gestern, flammende Ansprache ist heute.
Dass die Art Cologne einen Tag nach Trump-Rückkehr und Ampel-Ausfall mit rund 170 Galerien eröffnete, war gewiss nicht verkaufsankurbelnd. Wem will man verdenken, wenn er/sie in der neuen transatlantischen Lage erst (recht) mal abwartet mit Neuerwerbungen? Ob bei klassische Moderne oder 20. Jahrhundert (Halle 11.1), ob beim 21. Jahrhundert (Halle 11.2).
380.000 Euro teuer: Immendorffs „Beuys mit Affe“
Und das Hoffen auf bessere Zeiten dürfte auch alle Geldbeutelgrößen gleichermaßen betreffen. Sei es in Sache der 380.000 Euro teuren Immendorff-Bronze „Beuys mit Affe“ in natürlicher Größe (Werner/Berlin). Sei es in Sache des 150.000 Euro teuren monumentalen, aus dem Holz gehauenen Männerkopf von Stephan Balkenhol, diesen wohl wieder meist gezeigten Künstler der Messe. Sei es hinsichtlich der 21.800 Euro für eine dunkel dräuende Bahnhofsszene im Nirgendwo des aus dem Allgäu stammenden Malers Sven Kroner (*1973) bei Hempel/Leipzig. Sei es hinsichtlich der 2200 Euro für eine der hochsensiblen, geometrisierten Silberstift- oder Kugelschreiber-Zeichnungen von Thomas Müller – nicht der Stürmer (Friese/Berlin, Sundheimer München). Das Gute muss nicht übermäßig teuer sein.
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