Er war nicht schüchtern, dieser Marcus Aurelius Carus. Bescheidenheit klingt anders, denn jetzt beginnt der Mann in der Tunika zu prahlen: „Ist es nicht prächtig geworden?“, fragt er und zeigt auf sein hoch ragendes, steinernes Grabmal. Das hat er sich schon zu Lebzeiten bauen lassen. 450 nach Christus ließ es Carus errichten für sich und seine Familie, direkt an der Via Claudia, der Römerstraßen in den Süden. Sein Denkmal: Sein Ebenbild in Stein gehauen, dazu prachtvolle Reliefs und obenauf ein Pinienzapfen – also eine Augsburger Zirbelnuss. Als Rechtsgelehrter war er ein Mann von Rang und Stolz: „Man weiß in der ganzen Stadt, dass ich mich bestens auskenne, mein Rat ist stets gefragt.“ Und so plaudert der alte Römer sehr lebendig – als Comicfigur auf dem Smartphone. Dieser Marcus Aurelius zählt zu den Figuren, die durch die neue App „Augusta Vindelicum“ führen. Hier erzählen Römer aus Augsburg ihre Lebensgeschichten. Sie stellen den Nutzern Quizfragen, vergeben für richtige Antworten auch Goldmünzen. Außerdem hängt man hier als Nutzer nicht nur am Bildschirm. Die Landkarte der App führt in die Stadt und die Region: Beim Blick durch die Smartphone-Kamera öffnet sich an manchen Orten ein historisch-rekonstruiertes 3D-Bild. Augsburg, so wie es zur Römerzeit wohl war, nach dem Stand der Wissenschaft.
Unterwegs durch die Römerzeit: die neue App Augusta Vindelicum
Cosima Götz leitet die Augsburger Stabsstelle Stadtgeschichte. Sie hat die Idee der App auf den Weg gebracht und erklärt den Grundgedanken hinter dem Projekt: „Immersion und Interaktion.“ Immersion – das bedeutet, in eine andere, digitale Welt einzutauchen, bis man sich selbst als Teil der Geschichte fühlt. Interaktion – das heißt hier, Gewinnpunkte zu sammeln, mit kleinen Spiel-Aufgaben und Quizfragen. Dabei kommt man schnell auch mit römischen Menschen ins Gespräch, die tatsächlich einmal in Augsburg und Umgebung gelebt haben. Das Projektteam hat ihre Zeugnisse erforscht und ihr Leben rekonstruiert. „Redselig“ seien diese recherchierten Figuren, sagt Götz, sie „verplappern“ sich gerne. Zum Beispiel Marcus Aurelius Carus.
In der App begegnet er dem Nutzer als Comic-Figur in einem bunten Comic-Panorama. „Weinhandel ist eines meiner Standbeine!“, erzählt er, wenn man ihn anklickt. Dazu stellt die App eine Quizfrage: Zum Weintransport dienten damals auch „a) ausgehöhlte, getrocknete Kürbisse, b) Holzfässer, c) Glasflaschen mit Drehverschluss oder d) Metallkanister aus Blei.“ Und liegt man hier richtig, sammelt man einen Punkt – jede der elf Stationen verspricht am Ende eine Goldmünze. Doch was blieb nun von Carus Erbe? Ein Hochwasser hat seinen Grabstein fortgespült, 1342 zerbrach sein Denkmal dann endgültig in einer Flut. Erst 1998 wurde das Grabmal bei Bauarbeiten wiederentdeckt und von Archäologen geborgen – in Augsburg-Oberhausen, Station eins der Schnitzeljagd.
Wissen wird bei „Augusta Vindelicum“ im Spiel vermittelt
Im alten Kern von Augsburg ballen sich dann die Stationen, an verschiedenen Flecken der Altstadt: Shoppen wie eine Römerin im Lebensmittelladen. In der Markthalle zur Weinkennerin werden. Den Handel mit Stoffen und Textilien erkunden. Natürlich bleibt das alles Fiktion, ein Level in der App: Wissen wird im Spiel vermittelt. Oder auch: vor Ort, mit visuellen Effekten. In der Kohlergasse zum Beispiel stößt man auf die alte römische Stadtmauer, die hier schon lange nicht mehr hochragt. Blickt man dort durchs Smartphone, spannt sich die 12-Meter-Wand quer über die Gasse, eine Mauer aus digitalen Pixeln. An der Station Pfannenstiel wiederum kann man eine Debatte zwischen Figuren von heute verfolgen, Archäologen, Forschern, Umweltschützern: Wie lässt sich römisches Erbe schützen? Auch all das, was noch im Boden vergraben liegt, seit Jahrhunderten?
Die Landkarte der App führt auch über die Stadtgrenzen hinaus bis nach Friedberg, wo die römische Oberschicht der Provinz lebte. Oder nach Schwabmünchen, zu den Handwerkern der Töpfersiedlung. Dazu begleitet eine Klangkulisse die Stationen, von Vogelgezwitschern bis Marktgeplauder.
Die Agentur 2av aus UIm hat die Römer-App entwickelt
„Wir wollen einen Anreiz bieten, alle historische Stationen vor Ort zu besichtigen“, sagt Cosima Götz. Der Fantasie helfen dort dann die 360-Grad- und 3D-Szenen, in denen man sich bewegen kann. So hat die Agentur 2av aus UIm die App entwickelt und ausgearbeitet. „Augusta Vindelicum“ soll aber auch vom Sofa aus nutzbar sein, wenn man nicht die Chance hat, sich auf Schnitzeljagd in und um Augsburg zu begeben. Und auch die Zielgruppe soll eine möglichst breite sein, von Tagestouristen bis zu Augsburgern, die mehr erfahren wollen.
Das bayerische Heimat- und Finanzministerium hat das App-Projekt mit mehr als 200.000 Euro finanziert, 50.000 Euro hat die Stadt Augsburg selbst investiert. Auch die Regio Tourismus Augsburg hat das Projekt unterstützt. Bei der Vorstellung der App sagte Kulturreferent Jürgen Enninger: „Ein Viertel der Augsburger Geschichte ist römische Geschichte.“ Und die App folgt den historischen Spuren.
Info: Die App „Augusta Vindelicum“ ist jetzt in gängigen App-Stores downloadbar. Sie ist in englischer und deutscher Sprache nutzbar.
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