Alice in der Zwangsjacke. Wieder einmal. Es ist herzzerreißend, wenn er auf diese Weise gefangen am Boden kniet und dabei „Ballad of Dwight Fry“ singt. Jener Dwight Fry, der in einer geschlossenen Station eingesperrt ist, dort auf dem Fußboden liegt, so der Text. Die Ballade leitet das Ende von Alice Cooper ein: Anschließend wird er zur Guillotine geführt. Seine eigene Tochter Sonora, gekleidet wie zu Zeiten der Französischen Revolution, übernimmt das höchstpersönlich. Dann geht es schnell, das Beil fällt, Kopf ab. Zum Beweis für das Publikum in der Olympiahalle in München reckt Sonora den abgetrennten Schädel in die Höhe.
Alice Cooper schockt sein Publikum in der Olympiahalle in München
Die Horrorshow des Alice Cooper ist immer noch eine Konstante der Rockmusik. Man fühlt sich dabei wie ein 13-Jähriger, der zum ersten Mal eine Edgar-Allen-Poe-Verfilmung mit Schauspiel-Legende Vincent Price sieht. Trashig und zugleich kultig. Seine Liebe zur Schriftstellerin Mary Shelley macht Cooper deutlich, wenn bei seinem Grusel-Stück in der Olympiahalle ein über vier Meter großes Monster auf die Bühne kommt, das von Doktor Frankenstein erschaffen wurde. Oder darf‘s ein Friedhof sein, von dem aus Skelette auf vier Beinen, mit Zylinder auf dem Kopf, in Richtung Hölle laufen? Wes Craven und Roger Corman lassen grüßen.
Alice Cooper ist mit seinen 74 Jahren noch immer eine Sensation. Dabei war er eigentlich schon so gut wie tot. Vollgepumpt mit Drogen und Alkohol war Cooper jedenfalls Mitte der 1970er-Jahre dem Sterben näher als dem Leben. Nach einer langen Entzugstherapie und ständigen Rückfällen fand er wieder zurück. Und Cooper, der auch ein exzellenter Golfer ist, lebt nicht nur wie viele andere von seinen alten Hits. Erst im vergangenen Jahr kam mit „Road“ sein 29. Studioalbum auf den Markt. Wie immer mit seinem Lieblingsproduzenten Bob Ezrin. „Road“ war das vierzehnte gemeinsame Album.
Mit dem Album „Road“ ist Alice Cooper gerade auf Tournee
Aus dem neuesten Werk lässt er es auch mit „Welcome to the Show“ gleich richtig krachen. Dank der Metal-Queen Doro Pesch, die mit ihrer Band das Publikum bereits im Vorprogramm warm gespielt hat, ist die Stimmung bei Alice erstem Auftritt mit „Lock Üp“ sofort da. Rund 7000 Zuschauer wohnen dem Spektakel bei. Alice wirft sich schneller in andere Kostüme, als die GNTM-Models bei Heidi schauen können. Dazu Gehstock oder Säbel - je nach Bedarf. Zudem schüttelt er die Hits aus dem Ärmel. „No more Mr. Nice Guy“, „I‘m Eighteen“, „Under my Wheels“ und „Billion Dollar Babies“.
Unweigerlich muss man dabei an den Skandal um das Plattencover 1973 denken. Alice Cooper hebt ein an den Augen geschminktes Baby hoch und darunter Hunderte Dollarscheine. Mittlerweile verjährt. Allein das Eintrittsgeld wert ist wie so oft die Gitarristin Nita Strauss. Seit über zehn Jahren spielt sie an der Seite des großen Meisters. Strauss fetzt über die Bühne, spielt auf den Knien oder gibt ein begnadetes Solo zum Besten. Hier fühlt sie sich Zuhause. „Alice Cooper ist die zugänglichste Person, die ich kenne“, sagte sie einmal im Interview.
Cooper singt „Go to Hell“ während er eine Frau mit Peitsche würgt. „Poison“ darf nicht fehlen. Blitz und Donner leuchten über dem Friedhof zu „Welcome to my Nightmare.“ Nach knapp zwei Stunden und der Wiederauferstehung des Alice Cooper neigt sich die Show dem Ende entgegen. Natürlich mit der klingelnden Schulhausglocke. Noch eine Mischung aus „School‘s out“ und „Another Brick in the Wall“ von Pink Floyd. Dann haben Alice Cooper und seine Band fertig, und man hat nur noch einen Wunsch: Der Kopf von Alice möge noch lange rollen.
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