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Adele in München - Konzertkritik: Übermenschliche Diva und beste Freundin

Adele in München

Übermenschliche Diva und beste Freundin

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    Die britische Sängerin Adele hat das erste von zehn Konzerten auf dem Münchner Messegelände gespielt.
    Die britische Sängerin Adele hat das erste von zehn Konzerten auf dem Münchner Messegelände gespielt. Foto: Getty Images for AD

    Umhüllt von Nebelwolken fährt sie aus dem Bühnenboden herauf. Nachtblaues Abendkleid, funkelnde Ohrringe, die blonden Haare elegant zu Wellen geföhnt. Wie eine Diva steht sie dort oben und ist sichtlich ergriffen von dem Moment, der Menschenmenge und der wuchtigen Arena, die da für sie errichtet wurde. Sie lächelt, muss tief durchatmen, bevor sie singt: „Hello, it’s me“

    Adele eröffnet ihren Konzertmarathon vor einem fast ausverkauften Stadion auf dem Münchner Messegelände. Knapp 74.000 Fans sind gekommen, um sie zu hören. Bis zur letzten Minute sieht es aus, als würde die dunkle Gewitterwolke, die da über der Arena hängt, vorbeiziehen. Doch dann prasselt es herunter, fünf Minuten und alle sind nass. Nur Adele wartet ab, betritt die Bühne erst, als der Schauer vorüber ist – zusammen mit ihrer Band.

    Der Bildschirm hinter Adele hat eine Weltrekordbreite von 220 Metern

    Drei Sängerinnen, zwei Schlagzeuger, Gitarre, Bass, Klavier, mehr braucht sie nicht, um die Arena zu bespielen, vorerst, denn ihre Stimme ist gewaltig. Man hört ihr nicht an, wie nervös sie ist, aber sie zeigt es. Als sie über den 90 Meter langen Steg zur Hauptbühne läuft, ist sie den Tränen nahe. „Ich habe unterschätzt, wie verdammt viel Angst ich habe“, sagt sie. Der Ort sei „fucking crazy“, eine surreale Erfahrung, zu viel für einen Menschen allein.

    Und dann macht Adele das, wofür ihre Fans sie lieben: Sie versucht es mit Humor, verwandelt sich in die Freundin, mit der man gern einen Abend in der Kneipe sitzen würde, weil sie immer einen flapsigen Spruch auf Lager hat. „Mädels, könnt ihr mir mal helfen, es ist echt heiß und nass hier oben, ich muss aus diesem Kleid raus“, sagt sie und entledigt sich mithilfe ihrer Sängerinnen der ausladenden Schleppe. „Danke Mädels!“, ruft sie erleichtert, schnauft noch mal durch und singt.  

    Zehn Konzerte wird die britische Sängerin in den kommenden vier Wochen in München spielen – die einzigen in Europa und die ersten in Deutschland seit acht Jahren. Entsprechend groß war die Aufregung, als die Veranstalter verkündeten, ein eigenes Stadion samt Fanmeile errichten zu wollen. Das ist erst mal nichts Neues, die Leutgeb Entertainment Group hatte schon Großkonzerte von Robbie Williams, Andreas Gabalier und Helene Fischer 2022 auf dem Messegelände in Riem veranstaltet. Und auch der Geschäftsführer von Live Nation Germany, Marek Lieberberg, kennt sich mit Großveranstaltungen aus. Er holte von den Rolling Stones bis Madonna viele Stars nach Deutschland. Doch die Open-Air-Konzertreihe sollte imposanter werden als alles bisher. Das Ergebnis ist eine Adele-Welt, die so groß ist wie 60 Fußballfelder.

    Auf dem Areal rund um das Stadion sind dutzende Essensstände und Bars aufgebaut. Im Biergarten spielt vor Show-Beginn eine Band, natürlich Lieder von Adele. Ihr Name prangt auch auf dem Riesenrad, man muss ja wissen, wofür man hier ist. Schon am späten Nachmittag strömen tausende Fans aufs Gelände, sie kommen von überall angereist, Deutschland, Niederlande, Großbritannien, Kolumbien, USA. Die gebürtigen Chinesinnen Xuan und Shuo sind mit dem Auto aus Österreich hergefahren. „Es gab kein Hotelzimmer unter 300 Euro, deshalb übernachten wir auf einem Campingplatz“, sagt Xuan. Sie ergatterten beim Verkaufsstart im Februar Tickets für jeweils 150 Euro, zwei Stunden hingen sie in der Warteschlange. Dass Karten jetzt billiger verkauft werden, findet Xuan nicht in Ordnung. „Trotzdem freue ich mich, Adele live zu sehen. Ich höre ihre Musik seit zehn Jahren und liebe ihre Songs.“

    Der Ticketverkauf ist bei einigen Gästen Thema und hatte im Vorfeld für Ärger gesorgt, denn die Vertriebsplattform „Ticketmaster“ bietet seit Anfang der Woche Karten für 35 Euro nach dem Glücksprinzip an. Über die Schnäppchen-Aktion sind vor allem Fans empört, die vor Monaten teure Karten kauften, weil die günstigen Plätze angeblich schon vergeben waren. Dabei gibt es am Konzerttag noch vereinzelte Karten zu kaufen und auch vor der Arena warten Fans, um ihre Tickets loszuwerden.

    Nach Adeles Vorstellung sollte alles super cozy und einzigartig sein. Gemütlich fühlt sich das Gedränge auf dem Gelände nicht an, aber verglichen mit vergangenen Konzerten auf der Messe haben sich die Veranstalter um Verbesserungen bemüht. Die Arena selbst wirkt wuchtig, daran ändern auch die schwarzen Stoffbahnen nichts, mit denen die Baugerüste umhüllt sind.

    Adele-Konzert in München: Besser könnte die Kulisse für Instagram kaum sein

    Auf der LED-Wand, die sich wie eine Filmrolle mit einer Weltrekordbreite von 220 Metern hinter der Bühne entlangschlängelt, funkeln Planeten, Sterne und Diamanten. Zum Song „Rumour has it“ erscheinen Zeitungsausschnitte und Wortfetzen aus dem Liedtext, bei „Hold on“ verwandeln sich die Filmrollen in Leuchttürmen und Fans blicken auf eine videoinstallierte Meeresbrandung. Die Bilder sind gestochen scharf, wirken pompös, aber nicht überladen. Mal erscheint alles in Gold, mal wird das Publikum eingeblendet. Meist aber dient die Leinwand zur Vergrößerung, damit auch Fans in der letzten Reihe Adele sehen können. Denn von dort hinten dürfte sie nur ein winziger Punkt sein. „Ich hoffe, ihr erkennt mein riesiges, verschwitztes Gesicht und mein Doppelkinn“, witzelt die 36-Jährige. Die meisten halten gleich noch ihre Handykamera drauf, denn besser könnte die Kulisse für Instagram kaum sein.

    Es leuchtet, raucht und knallt. Bei „When we were young“ ziehen Fotos aus Adeles Kindheit auf der LED-Wand vorbei, dazu regnet es Polaroid-Konfettis, ein bisschen Nostalgie darf sein. Bei „Set fire to the rain“ rauschen Feuerfontänen in die Luft, zu „Skyfall“ wird Adele auf einer Plattform in die Höhe manövriert. Und dann fährt plötzlich ein ganzes Streichorchester unter der Bühne hervor. Alles wird aufgeboten, was zu einem groß inszenierten Pop-Konzert dazugehört, doch die schönsten Momente sind die, in denen die Britin einfach nur zu Klavierbegleitung singt. Denn musikalisch kommt die 16-fache Grammy-Gewinnerin, die mit nur vier Alben zu den erfolgreichsten Sängerinnen weltweit zählt, ohne technischen Schnickschnack aus. Mit ihrer warmen, souligen Stimme und einer verhältnismäßig kleinen Band liefert sie ein exzellentes, knapp zweieinhalbstündiges Konzert.

    Sie ist rotzig-charmant, erzählt viel, auch um mit der Überwältigung klarzukommen, wie sie sagt. „Mein Gott, ich schwitze unter dem BH“, haut sie raus, bevor sie „Easy on me“ performt. Sätze wie „Manchmal glaube ich, ich bin ein schwuler Mann gefangen in einem Frauenkörper“ oder „Ich bin ein depressiver Mensch, das wisst ihr ja aus meiner Musik“ offenbaren ihre Selbstironie. Dann wieder ist Adele ganz die übermenschliche Diva, die sich eine Singpause gönnt, um sich von einem vierköpfigen Team ihr Make-Up aufhübschen zu lassen.

    Adele schießt in München mit einer Luft-Kanone T-Shirts in die Menge

    Die Gestaltung der Bühne, der Bildschirm, alles soll wirken wie eine große Umarmung, sagt Adele. Auch sie selbst will Liebe verbreiten, lässt die Kamera, die über der Arena schwebt, auf einen Fan richten, damit er seinem Freund vor aller Augen einen Heiratsantrag machen kann. Sie holt einen Siebenjährigen und dessen Schwester für ein Foto und einen kurzen Tratsch auf die Bühne, fischt einen Zettel aus ihrem Nylonstrumpf und nennt einen Sitzplatz, unter dessen Stuhl ein Umschlag mit 50 Euro klebt.

    Adele will Nähe schaffen zwischen sich und den Fans und es gelingt ihr auch, aber eben nur so weit die T-Shirts fliegen, die sie mit der Luft-Kanone in die Menge ballert. Am authentischsten wirkt es, wenn sie einfach drauflos plappert, über Olympia und Fußball, über ihre Leidenschaft für Bier und die deutsche Gewissenhaftigkeit. Woanders hätte sie so ein Mega-Projekt ja nie umsetzen können, sagt sie und trinkt einen Schluck aus ihrem „Adele“-Bierkrug. Und überhaupt seien die Fans hier besonders loyal. Dafür bedankt sie sich mit einer pompösen Show - und jagt zum Abschluss noch ein Feuerwerk in die Luft. Stimmig, dass beim Rausgehen „Bitter sweet symphony“ von The Verve aus den Lautsprechern dröhnt. Schon schön, das Ganze, aber auch ganz schön verrückt.

    Setlist bei Adele-Konzert in München

    • Strangers By Nature (Intro)
    • Hello
    • Rumour Has it
    • I Drink Wine
    • Water Unter the Bridge
    • Easy on Me
    • One and Only
    • I‘ll Be Waiting
    • Oh My God
    • Send My Love
    • Hometown Glory
    • Love in the Dark
    • Make you Feel my Love
    • Chasing Pavements
    • All I Ask
    • Skyfall
    • Set Fire to the Rain
    • All Night Parking
    • Hold On
    • When We Were Young
    • Someone Like You
    • Rolling in the Deep
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