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Zeitgeschichte: Frauen an der Macht: Hillary Clinton for Präsident!

Zeitgeschichte

Frauen an der Macht: Hillary Clinton for Präsident!

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    Unter Superhelden
die Ausnahme: Wonder Woman.
    Unter Superhelden die Ausnahme: Wonder Woman. Foto: DC Comics

    Im neuen Jahr wird alles anders. Noch ein bisschen früh für gute Vorsätze finden Sie? Darum geht es hier auch nicht. Das Jahr 2017 könnte zu einem Jahr des Wandels werden. Gut, das klingt jetzt schon wieder wie aus dem Jahreshoroskop einer Frauenzeitschrift. Aber damit sind wir doch beim Thema: Sollte Hillary Clinton am kommenden Dienstag tatsächlich zur amerikanischen Präsidentin gewählt werden - wofür derzeit vieles spricht -, tritt sie am 20. Januar ihr Amt an. Die erste amerikanische Präsidentin der Geschichte! Eine Frau als mächtigster Mann der Welt!

    So ähnlich zumindest. Auf den Titel als mächtigste Frau der Welt hatte in den vergangenen Jahren Angela Merkel so etwas wie ein Abo. Diesen Verlust dürfte die Kanzlerin mit einem Lächeln ertragen. Ebenso wie die Diskussionen, die Clinton wohl genauso zuverlässig durch ihre erste Amtszeit begleiten dürften wie Merkel durch die ihre: Ob eine Frau anders führt als ein Mann; ob sie Konflikte anders angeht; ob sie besser zuhören, vermitteln, was auch immer kann; kurz: Ob sie den Job genauso gut machen wird wie ein Mann. Nur traut sich das nicht nur im politisch korrekten Amerika so offen keiner mehr zu fragen.

    Aber hier soll es ja um den Wandel gehen. 2017, das Jahr der mächtigen Frauen. Nicht einmal 100 Jahre nachdem Frauen in den USA das Wahlrecht erstritten haben, könnte die erste Frau Präsidentin werden. Merke: Den Fortschritt in seinem Lauf, halten weder Ochs noch Esel auf. Etwas naiv kann man ja einmal hoffen, dass dies die letzte Runde in dieser Debatte ist. Dass, wenn eine Frau sogar Präsidentin der Vereinigten Staaten werden kann, die Geschichte die endgültige Antwort auf die Frage nach dem Können der Frauen gegeben hat.

    Denn Clinton ist ja nicht die Erste. Nur das Amt, für das sie kandidiert, ist das wichtigste. Kurze Bestandsaufnahme der mächtigen Politikerinnen in Europa, Stand heute: Angela Merkel natürlich. Dann, seit diesem Sommer, Theresa May, die britische Premierministerin. Die hatte mit Margaret Thatcher vor knapp 40 Jahren schon eine prägende Vorgängerin. Und sie hat sich im Ringen um den Vorsitz der konservativen Partei gegen eine andere Frau durchgesetzt: Energieministerin Andrea Leadsom, die nun als Ministerin für Umwelt, Ernährung und ländlichen Raum trotzdem am Kabinettstisch von May sitzt. Überhaupt Großbritannien: Das Land hat mit Queen Elizabeth II. nicht nur seit Jahrzehnten eine Frau als Staatsoberhaupt und nun

    Weiter in der Liste: Beata Szydlo, polnische Ministerpräsidentin; Marine Le Pen, Führerin der französischen Rechtspopulisten - sie wird bei der Wahl 2017 eine gewichtige Rolle spielen und tatsächlich Präsidentin werden; Erna Solberg, Ministerpräsidentin von Norwegen; Kersti Kaljulaid, Präsidentin von Estland; Dalia Grybauskaite, Präsidentin von Litauen. Hinzu kommen Federica Mogherini, EU-Außenbeauftragte, und Christine Lagarde, französische Chefin des internationalen Währungsfonds IWF. Frauen können es, Frauen können es, Frauen können es.

    Viel interessanter sind andere Fragen: Warum tun sie es nicht viel öfter? Und: Machen sie es denn anders, wenn sie regieren?

    Die kursorische Aufzählung der europäischen Frauen in politischen Führungspositionen überstrahlt erst mal die deutlich tristere Realität: Die EU hat 28 Mitglieder. Sie gibt sich gern als Vorreiterin der Gleichberechtigung. Die EU-Gipfel sind dennoch größtenteils Männerrunden. Mal ganz abgesehen davon, dass es auch bei diesem Thema zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten riesige Unterschiede gibt.

    Noch etwas fällt beim Blick auf die Liste der Top-Politikerinnen auf: Frauen dürfen offenbar häufiger mal ran, wenn der Karren in den Dreck gefahren ist. Wenn nichts mehr geht, das Amt wahrscheinlich die schnellste Abkürzung zum Ende der Karriere ist, dann kommen die Frauen zum Zug. Angela Merkel hat ihre Karriere in mehrfacher Hinsicht Helmut Kohl zu verdanken. Zunächst weil er "das Mädchen" nach der Wende als unbelastetes weibliches Gesicht förderte. Dann, weil sie nach vollzogener politischer Pubertät den Mut hatte, sich von Kohl zu distanzieren. Auch Theresa May - die natürlich umgehend ungezählte Merkel- und Thatcher-Vergleiche über sich lesen konnte - kam ins Amt, als sich die Alpha-Männchen der britischen Politik zu Hampelmännern gemacht hatten.

    Hillary Clinton sprach nach ihrer Nominierung als Präsidentschaftskandidatin der Demokraten von einer gläsernen Decke für Frauen, die Karriere machen wollten. Die wolle sie endgültig durchbrechen, für alle anderen, die nach ihr kommen. Aber wer hat die eingezogen? Die Männer, die sich mittels ihrer Seilschaften selbst befördern und Frauen mit den Zuschauerplätzen abspeisen? Die Gesellschaft, die Frauen nicht aus der Rolle als Hauptverantwortliche für Kinder und Haushalt entlassen will?

    Um in Spitzenämter zu gelangen, muss man sich auch nominieren lassen. Und da sind Frauen oft viel zurückhaltender als Männer. Das sagt jetzt nicht ein CSU-Stadtrat aus Niederbayern. So spricht die Nachfolgerin von Hillary Clinton als Senatorin von New York, Kirsten Gillibrand. "Am meisten an sich zweifeln die Frauen selbst", behauptet die Politikerin in einem Gespräch mit der

    Wissenschaftlich belegt ist noch etwas anderes: In allen Umfragen, bei denen das politische Interesse erhoben wird, so ein Themenpapier der Bundeszentrale für politische Bildung, ist der Anteil von Frauen, die ein sehr starkes oder starkes politisches Interesse angeben, gerade einmal ungefähr halb so hoch wie der entsprechende Anteil bei Männern. Und: Offenbar fühlen sich Frauen, die Gleichberechtigung stärker einfordern, durch die Rollenorientierung im "männlich" dominierten Politikbetrieb nicht hinreichend repräsentiert - und streben deswegen andere Formen der Interessenvertretung an.

    Hillary Clinton hat aus dieser Beobachtung einen anderen Schluss gezogen. Sie und Bill haben sich während des Studiums kennengelernt. Sie war die bessere Studentin. Danach hat sie als Anwältin gearbeitet und viel, viel mehr verdient als ihr Mann. Sie hat ihn trotzdem unterstützt, als er Gouverneur von Arkansas wurde und später die Präsidentschaft anstrebte. Aber angeblich schlossen die beiden damals einen Pakt: Sie unterstützt ihn bis zum Ende seiner Amtszeit bedingungslos. Aber danach ist sie dran.

    Der Wille zur Macht, zuzugreifen, wenn die Gelegenheit sich bietet, darin dürften Frauen und Männer in Spitzenpositionen nicht wesentlich voneinander abweichen. Und sonst? Unterscheiden sich ihre Art, Politik zu machen, die Schwerpunkte, die sie setzen, nur aufgrund ihres Geschlechts? Kurz: Was bleibt von den immer unterstellten Unterschieden übrig, wenn die Diskussionen um Farbe und Anzahl von Hosenanzügen und Blazern verklungen sind? Die Vorteile und Nachteile einer Frisur erörtert sind? Handhaltung und Körpersprache von allen möglichen Exegeten beurteilt worden sind?

    Man darf annehmen, dass die Betroffenen die Antwort kennen. Hillary Clinton kokettiert auf ihren Twitter-, Facebook- und sonstigen Kanälen mit ihrer angeblichen Leidenschaft für Hosenanzüge. Als sich halb Deutschland über die sogenannte Merkel-Raute lustig machte, konnte man den Eindruck gewinnen, die Bundeskanzlerin hielt ihre Hände danach nur umso häufiger so. Wenn du etwas nicht besiegen kannst, mach es dir zum Freund.

    Menschen brauchen Schubladen, um ihr Leben zu ordnen. Dagegen kommt offenbar nicht einmal die Sozialisation in einer liberalen Gesellschaft an. Menschen als Individuen zu betrachten, Alter, Religion, Hautfarbe und Geschlecht bei der Bewertung ihrer Person und ihrer Handlungen außen vor zu lassen - an nichts scheitern wir im Alltag häufiger. Was sich ändert, sind die Aufkleber auf den Schubladen.

    Die Kandidatin Hillary Clinton kann sich das zunutze machen und versuchen, weibliche Wähler mit dem Versprechen zu gewinnen, sich für die Gleichberechtigung von Frauen einzusetzen. Eine mögliche Präsidentin Clinton sollte sich dafür einsetzen, weil Ungleichbehandlung in einer Demokratie untragbar ist.

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