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Kino: Zehn Jahre nach "Avatar": Was hat 3D gebracht?

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Zehn Jahre nach "Avatar": Was hat 3D gebracht?

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    „Avatar“ bleibt bis auf Weiteres der umsatzstärkste Film.
    „Avatar“ bleibt bis auf Weiteres der umsatzstärkste Film. Foto: Fox

    Das Jahr 2009 hat die Kinowelt verändert. Denn mit „Avatar“ setzte sich James Cameron nicht nur vor „Titanic“ und damit an die Spitze der erfolgreichsten Filme aller Zeiten. Die bis heute ungeschlagene Nummer eins in Sachen weltweitem Einspielergebnis bedeutete auch den endgültigen Durchbruch für das dreidimensionale Kinoerlebnis. Ausnahmslos alle Filme, die es seitdem unter die ersten 20 in dieser Liste geschafft haben, konnten die Zuschauer mit der 3D-Brille sehen. Neue „Star Wars“-Episoden, alle drei bisherigen „Avengers“-Geschichten, das zweifache „Jurassic World“, „Fast & Furious“ 7 und 8, „Transformers“, der letzte „Harry Potter“ …

    Im krassen Kontrast dazu: Seit „Avatar“ vor zehn Jahren steht nun erstmals überhaupt wieder ein 3D-Streifen unter den Nominierten für den „Besten Film“ bei den Oscars: „Black Panther“. Aber so wie damals Camerons biopolitisch märchenhaft lehrreiche Reise auf den Planeten Pandora wird wohl auch der afroamerikanisch emanzipatorische Superheldenausflug in die mythische Stadt Wakanda jetzt nicht gewinnen. Nur in den technischen Kategorien wird es sicher wieder Trophäen geben. Was den Haupt-Oscar angeht, kann sogar andersrum gelten: Nominierte Filme auch in durchaus 3D-trächtigen Genres wie Science-Fiction und Horrorfilme sind gerade keine Brillen-Filme wie „Get Out“ und „Arrival“. Und noch deutlicher: Auf der eben zu Ende gegangenen Berlinale spielten 3D-Filme wie immer überhaupt keine Rolle.

    „Black Panther“ ist in diesem Jahr für den Haupt-Oscar nominiert.
    „Black Panther“ ist in diesem Jahr für den Haupt-Oscar nominiert. Foto: Disney

    Zeichnet sich hier also in neuer, nie da gewesener Schärfe die alte Unterscheidung zwischen U und E ab? Eine technische Trennung zwischen dem Unterhaltenden und dem Ernsthaften? Mit 3D eher das Spektakel und der Kommerz; wenn Ästhetik und Kultur, dann ohne 3D?

    Auch Martin Scorsese schwärmte von 3D

    In den ersten Jahren nach „Avatar“ schien das so gar nicht klar. Da unternahmen auch preisgekrönte Regisseure wie etwa Martin Scorsese mit „Hugo Cabret“ und Wim Wenders mit „Pina“ ihre 3D-Filme, der Amerikaner erwog sogar öffentlich, von jetzt an nur noch mit der technischen Erweiterung zu drehen. Und nicht wenige Kinos abseits der Multiplexe rüsteten nach, weil sich abzuzeichnen schien, dass nicht mitzuziehen einen Wettbewerbsnachteil bedeuten würde. Heute ist auch diese Trennung praktisch komplett hergestellt: 3D läuft in den Multis. Wenn mal ein Film ins Zielpublikum beider Kinowelten fällt wie die „Blade Runner“-Fortsetzung durch Denis Villeneuve, Morten Tyldums „Passengers“ oder Alfonso Cuaróns „Gravity“, dann zeigen ihn die Arthaus-Kinos halt zweidimensional und holen damit ihre Zuschauer ab, weil die auf den Brillen-Effekt ohnehin keinen Wert legen.

    Denn es ist einiges passiert in den vergangenen zehn Jahren, das diese Spaltung befördert hat. Die dimensionale Erweiterung hat sich mit den Möglichkeiten des digitalen Filmemachens verschränkt und zur Dominanz eines speziellen globalen Blockbuster-Kinos geführt. Es sind Superhelden- und Fantasy-Geschichten, die Hollywood die großen Erfolge bescheren. Größtenteils wird dabei im einfarbigen „Green Room“ gedreht und diese Aufnahmen dann am Computer von einer Unmenge an „Digital Artists“ zu allen vorstellbaren Bilderwelten erweitert. Mit dem „Motion Capture“-Verfahren, durch das sich vor allem der einst auch hinter Gollum von „Herr der Ringe“ steckende Andy Serkis hervorgetan hat, können programmierte Kreaturen mit organischen Bewegungen und sogar überzeugender Mimik ausgestattet werden.

    Was sich da getan hat, lässt sich etwa am Vergleich der Neuverfilmung des Stoffs von „Planet der Affen“ erkennen. Während Tim Burton 2001 noch mit handwerklich hochwertigster Maskentechnik die Schauspieler zu Affen machte, übernimmt das bei inzwischen drei Episoden nach 2011 die digitale Programmierung. Und durchaus eindrucksvoll in der so augenfällig werdenden evolutionären Verwandtschaft, gerade in 3D. So leuchtet hier noch mal eine Sinnhaftigkeit auf, die ja auch in „Avatar“ angelegt war – eine Bedeutung der Effekte für die Erzählung nämlich. Und es könnte ja ohnehin ein Glück sein, dass mit den unbegrenzten Möglichkeiten der digitalen Bildschöpfung interessante Stoffe überhaupt erst angemessen verfilmbar werden. Luc Besson etwa traute sich endlich an den Comic „Valerian“, Rupert Sanders verwandelte den legendären Manga „Ghost in The Shell“ erstmals in einen „Realfilm“.

    3D kann ziemlich platt sein: "Aquaman".
    3D kann ziemlich platt sein: "Aquaman". Foto: DC

    Was aus dem tatsächlich möglichen neuen Zusammenwirken von Technik und Stoff aber in der Regel wird, ist das genaue Gegenteil von Sinnhaftigkeit: Immer mächtigerer 3D-Effekt-Bombast wird ausgegossen, um immer fadenscheiniger werdende Erzählmuster zu kaschieren. Was ist mit „Star Wars“ passiert? Und was ist aus den anfangs ja mitunter noch interessanten Comic-Neuverfilmungen geworden? Redundante Animationsspektakel mit den immer gleichen Kampfszenen, mitunter im bloßen Roboter-gegen-Roboter-Computerspiel („Transformers“, „Pacific Rim“), garniert höchstens noch mit ein bisschen Witz („Iron Man“, „Spider Man“) oder gleich ironisch gegen sich selbst gewendet („Deathpool“), um nicht dem totalen Blödsinn anheimzufallen („Aquaman“, „Batman v Superman“). Und die Stars spielen mit.

    Egal, was die Filme erzählen, das Publikum folgt

    Sie tun es, weil 3D in diesen zehn Jahren trotz allem und eben doch geworden ist: die bestimmende Sparte der Kinolandschaft, ein wahnwitzig erfolgreiches Unternehmen. Allein Marvel hat mit 20 Filmen in seinem (wie „Star Wars“ inzwischen zu Disney gehörenden) Comic-Universum fast 18 Milliarden Dollar eingespielt. Und so gehen nun, nach einer Krise Hollywoods zuvor, die jedes Experimentieren mit Stoffen als Risiko erscheinen ließ, die 3D-Filme mit ihren Geschichten in immer noch mehr Fortsetzungen. Und das Publikum folgt.

    Das Kino in den USA hatte 2018 ein Rekordjahr, die meisten Besucher aller Zeiten. Und mögen auch in Deutschland im vergangenen Jahr die Umsätze der 3D-Produktionen zurückgegangen sein – noch sorgen die Brillen-Filme für den größten Teil des Umsatzes. Wenn es auch nicht zu annähernd so vielen Neueinstiegen in die hiesigen Allzeit-Bestenlisten gereicht hat.

    Ob das so weitergehen kann? Disney jedenfalls (längst im Besitz von Pixar) sorgt dafür, dass sich die Animationsfilme für den Nachwuchs mit ähnlichem Spektakel der Effektfilmwelt annähern – dafür wurde auch schon „Das Dschungelbuch“ neu in „Motion Capture“-Verfahren und 3D verwurstet. Dem Zeichentrick von einst, noch immer die ewige Nummer eins in Deutschland, hatte es an Charme und Erzählung freilich nichts hinzuzufügen.

    So muss zehn Jahre nach „Avatar“ ein erstes Fazit wohl lauten: Das Effektkino dominiert die Blockbuster-Sektion über die Generationen hinweg – „All Age“, wie das heute ja auch in der Literatur heißt. Für den inhaltlich anspruchsvolleren Film aber scheint 3D tatsächlich tot zu sein. Für Dezember 2020 ist übrigens „Avatar 2“ angekündigt. Schwer vorstellbar, dass James Cameron damit wieder einen solchen Impuls setzen kann. Der aktuell von ihm im Kino laufende „Alita“ macht jedenfalls wenig Hoffnung. Den Tiefgang des zugrunde liegenden Mangas überdröhnt auch hier allzu viel Effekt-Kampf-Gedöns. Und mit dem bereits aufkommenden 4D-Kino, ergänzt durch abgestimmt bewegliche Sitze, wird der neue Abstand zwischen U und E wohl nur noch weiter zunehmen.

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