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Sprache: Wort-Neuschöpfungen durch Corona: Die Sprach-Blüten der Pandemie

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Wort-Neuschöpfungen durch Corona: Die Sprach-Blüten der Pandemie

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    Die Corona-Pandemie hinterlässt ihre Spuren auch in der Sprache. So viele Wort-Neuschöpfungen wie noch nie registrierten Forscher des Leibnitz-Instituts für Sprache im vergangenen Jahr.
    Die Corona-Pandemie hinterlässt ihre Spuren auch in der Sprache. So viele Wort-Neuschöpfungen wie noch nie registrierten Forscher des Leibnitz-Instituts für Sprache im vergangenen Jahr. Foto: Sebastian Gollnow, dpa

    Sie gilt als unsexy und kompliziert – und löst mit ihrer Produktivität gerade in der ganzen Welt Erstaunen aus: die deutsche Sprache. Rund 1300 neue Wörter, sogenannte Neologismen, hat das Leibniz-Institut für Deutsche Sprache in Mannheim seit der Beginn der Corona-Pandemie beobachtet. Zuvor waren es rund 200 im Jahr.

    Sprach-Neuschöpfungen haben Einfluss auf die Wahrnehmung der Pandemie

    Nicht alle Neuschöpfungen sind so niedlich wie „Knuffelkontakt“ oder so humorvoll wie „Flockdown“, Lockdown im Schnee. Einige von ihnen verzerren die Realität oder schüren Unsicherheiten, wie etwa das Wort „Mutante“ – und haben einen direkten Einfluss auf die Wahrnehmung der Pandemie.

    Christine Möhrs ist eine der beteiligten Forscherinnen am Leibniz-Institut in Mannheim. Sie ist nicht überrascht, dass das vergangene Jahr mehr Neologismen als sonst hervorgebracht hat: „Wenn neue Dinge in der Welt passieren, schlägt sich das auch in der Sprache nieder.“

    Sprachforscherin Christine Möhrs: Was man nicht benennen kann macht angst

    Doch kein Ereignis der vergangenen Jahre brachte so viel Neues mit sich wie das Coronavirus: neue Risiken, neue Regeln, ein neuer Umgang miteinander. Die Sprache reagierte. „Wenn man etwas nicht benennen kann, ist da viel Angst und Unsicherheit“, sagt Möhrs. „Wenn die Dinge jedoch einen Namen bekommen, dann können wir uns austauschen und unseren Alltag neu gestalten.“ Kaum breitete sich das Coronavirus in Deutschland aus, tauchten neue Fachbegriffe auf. Covid-19, Aerosolverteilung, Sieben-Tage-Inzidenz. Möhrs war über sich selbst erstaunt: „Wörter, die ich nie verwendet habe, waren auf einmal im normalen Sprachgebrauch.“

    Die 1300 Wörter, die das Leibniz-Institut gesammelt hat, gelten noch nicht abschließend als Neologismen. „Wir beobachten, wie sie sich entwickeln und was sich hält“, sagt Möhrs. Erst dann werden sie als Neologismen aufgenommen. Die Wissenschaftlerin hofft, dass sich viele Begriffe irgendwann auflösen. „So etwas wie die Ein-Freund-Regel zum Beispiel. Es wäre schön, wenn solche Dinge nicht Teil unserer Realität bleiben und wieder aus dem Wortschatz verschwinden.“

    Die deutsche Sprache bietet viele Möglichkeiten für Neuschöpfungen

    Die Mechanismen für Wortbildungen sind im Deutschen vielfältig. „Sie ermöglichen praktisch alles“, sagt Möhrs. Gerade Komposita seien häufig, also zusammengesetzte Wörter wie etwa „Anderthalbmetergesellschaft“ oder „Lockdownspeck“. Ebenso Mischformen wie „Maskne“, aus Maske und Akne, oder „Maskomat“, aus Maske und Automat. Menschen sind nach den unzähligen Videokonferenzen über Zoom „overzoomed“, haben sich ab und an einen „Quarantini“ gegönnt, einen Cocktail in der Quarantäne, oder gehörten zu den „Klopapier-Hamstern“: Von neutralen Begriffen war der Weg kurz zu verbalen Spielereien. Möhrs und ihr Team vom Leibniz-Institut sammeln die Begriffe mithilfe des Deutschen Referenzkorpus, einer gigantischen Textsammlung von über 50 Milliarden Wörtern, aber auch aus Zeitungen, den sozialen Medien, dem eigenen Umfeld.

    Über ein Online-Formular können Bürgerinnen und Bürger Vorschläge einreichen. In der Corona-Zeit werde die Möglichkeit verstärkt genutzt, wie die Forscherin sagt. „Die Vorschlagenden sind sehr fleißig und kreativ.“ Es sei spannend zu sehen, wie gerne die Menschen an der Entwicklung des Wortschatzes teilnehmen. Die ganze Sprechergemeinschaft beteilige sich am Prozess. „Wir merken, dass neue Wörter aus allen Ecken in unsere Sprache kriechen“, sagt Möhrs.

    So bildet sie auch Wut ab und bewertet bestimmte Einstellungen und Handlungen, zum Beispiel mit „Maskenmuffel“, „Covidiot“ oder „Virusschleuder“. Die Forscherin sagt: „Das hat mich schlucken lassen: Damit werden Menschen bezeichnet!“ Sie beobachte auch mit Sorge, dass das Virus mit Kriegsmetaphern und in militärischem Kontext umschrieben werde: „Virenfront“, „Glutnest“ oder „Seuchen-sheriff“, als Bezeichnung für einen Politiker, der scharf versuche, das Virus einzudämmen. Möhrs befürchtet, dass diese Wörter Angst und Überforderung in der Bevölkerung auslösen. „Corona-Tsunami zum Beispiel. Das zeichnet ein starkes, angsteinflößendes Bild im Kopf.“

    Einige Sprach-Neuschöpfungen bringen zum Schmunzeln

    Auch die grammatikalisch richtig gebildete „Mutante“, die in der vergangenen Zeit öfters in der Berichterstattung auftaucht, ist für Möhrs problematisch: „Nach diesem Prinzip werden im Deutschen hauptsächlich Bezeichnungen für Personen kreiert.“ Gegenüber einer Mutation wirke die Mutante, als verfüge sie über eine Figur, einen Körper. „Wie aus einem Comic, als käme gleich ein Riesenmonster um die Ecke.“

    Der Hauptteil der neuen Begriffe ist neutral, einige bringen zum Schmunzeln. Etwa ein flotter „Fußgruß“ oder die Maske als ewige Begleiterin – das „Maultäschle“. Im Austausch mit den Vertretern von Sprachzentren im Ausland staune man über die produktive deutsche Sprache. „Gerade auch weil so viele Begriffe einfach lustig klingen, wie Schnutenpulli oder Spuckschutzscheibe“, sagt Möhrs.

    Sprachforscherin Christine Möhrs freut sich über Kreativität

    Auch die Forscherin selbst ist von den Neologismen positiv überrascht. Sie seien ein Zeichen dafür, wie die Deutschen versuchten, in der Krise das Beste aus der Situation zu machen. „Ohne die Probleme verschleiern zu wollen: Da ist so viel Kreativität.“ Über Sprache schlage man Brücken zwischen dem Alltag und Neuem. „Es ist schon erstaunlich, zu was wir Menschen imstande sind.“

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