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Fantasy: Wie Cornelia Funke aus einem Erfolgsfilm Literatur macht

Fantasy

Wie Cornelia Funke aus einem Erfolgsfilm Literatur macht

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    Ein Stoff wie geschaffen für diese Autorin: Cornelia Funke.
    Ein Stoff wie geschaffen für diese Autorin: Cornelia Funke. Foto: Christophhe Gateau, dpa

    Ein Bestsellerautor und ein prämierter Filmregisseur – oft ist das der Ausgangspunkt für eine opulente Literaturverfilmung. Den umgekehrten Weg schlagen nun Cornelia Funke und Guillermo del Toro ein: die bekannte Kinder- und Jugendbuchautorin hat „Pans Labyrinth“, das mit drei Oscars ausgezeichnete Fantasy-Opus des mexikanischen Filmemachers, in Worte gefasst. Wer die Arbeit der beiden kennt, ahnt, dass sie einiges gemeinsam haben, dass hier zwei großartige Geschichtenerzähler zu einem „Dreamteam“ der Fantastik zusammengefunden haben könnten. Funke begeisterte Millionen nicht nur junger Leser mit ihren Erzählungen zwischen Wirklichkeit und Märchenwelt („Tintenherz“, „Reckless“, „Herr der Diebe“), und auch del Toro ist ein Meister darin, die Realität magisch zu übersteigern – jüngstes Beispiel „Shape of Water“, die Geschichte einer Frau, die sich in ein amphibisches Wesen verliebt, auch dieser Film mit

    Ein wenig magisch mutet auch das Zusammenkommen der beiden Künstler an. Seit langem lebt die deutsche Autorin in Kalifornien, in der Nähe Hollywoods. Eine Wand in ihrem Schreibhaus im Garten zierte viele Jahre das Filmplakat von „Pans Labyrinth“. „Es hing da, weil dieser Film für mich beweist, wie nah das fantastische Erzählen der Wirklichkeit unserer Existenz kommen kann“, schreibt sie begleitend zu ihrem Buch. Als Dankeschön für ihren Lieblingsfilm hatte Cornelia Funke dem Regisseur für seine Kinder eine spanische Ausgabe ihres Bestsellers „Tintenherz“ geschenkt. Del Toro scheint von ihrem Buch genauso angetan gewesen zu sein, wie sie von seinem Film, denn er schickte ihr ein Angebot zurück: „Shall we dance?“

    Wie eine klassische Geschichte von Cornelia Funke

    Konkreter wurde er dann, nachdem sie sich bei einer gemeinsamen Animationsarbeit für Dreamworks kennengelernt hatten, mit seinem Vorschlag, „Pans Labyrinth“ zum Buch zu machen. Alle Freiheit ließ der Regisseur ihr dabei, mit seiner Geschichte zu spielen. Doch Funke beließ Dialoge und Handlung im Original, schuf dafür den erzählenden Rahmen und schrieb zusätzlich zehn kleinere Kapitel, Sagen und Legenden, in denen sie die Vorgeschichte einzelner Figuren und Handlungsstränge erzählt. Denn die Geschichte von „Pans Labyrinth“ ist tatsächlich wie eine der klassischen Funke-Geschichten: ein fein gewebter Teppich mit vielen Fäden und unterschiedlichen Erzählebenen; ein Kosmos, in dem die Realität von Magie durchzogen ist, mit fantastischen Kreaturen, einem märchenhaften Setting und nicht zuletzt einem mutigen Mädchen, das sich dem Bösen widersetzt. Mit ihrer bildgewaltigen Sprache hat Funke die Geschichte von del Toro zu ihrer eigenen macht.

    Sein Film "Pans Labyrinth" erhielt drei Oscars: Regisseur Guillermo del Toro.
    Sein Film "Pans Labyrinth" erhielt drei Oscars: Regisseur Guillermo del Toro. Foto: Roger Alarcón, dpa

    Ofelia ist ein Mädchen, das Bücher liebt und an die Kraft der Märchen glaubt. „Die Buchstaben waren wie Spuren im Schnee einer weiten, weißen Landschaft, die kein Schmerz je berührt hatte und die nicht von Erinnerungen geplagt war, die zu finster waren, um sie zu bewahren, zu süß, um sie loszulassen.“ Im Jahr 1944 reist die 13-Jährige mit ihrer hochschwangeren Mutter Carmen zum neuen Stiefvater Vidal, einem Hauptmann der Armee General Francos. In den Wäldern Nordspaniens kämpft er gegen die Rebellen. Für Ofelia ist Vidal nur „der Wolf“, ein hinterhältiger, sadistischer Mann mit zwanghaftem Geltungstrieb. Grausam quält und mordet er jeden, der sich ihm in den Weg stellt. Ofelia kann nicht verstehen, warum ihre Mutter sich in seine Hände begibt. Bei seinen Spaziergängen im Wald begegnet das Mädchen Feen und einem Faun, der in ihr Moanna, die Prinzessin eines unterirdischen Königreiches erkennt. Vor Jahrhunderten hat sie es aus Neugier auf die Erde verlassen und vergessen, wer sie ist. Der Faun will sie zurückholen, doch in drei Prüfungen muss sie beweisen, dass sie noch nicht in der oberen Welt verhaftet ist. Besteht sie diese bis zum nächsten Vollmond, kann sie zurückkehren zu ihren Eltern auf dem Königsthron.

    Die Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit verschmelzen

    Was ist Wirklichkeit, was ist Vorstellung in dieser Geschichte? Funke hält dies im Buch ebenso im Vagen wie del Toro in seinem Film. Die Übergänge zwischen der Realität und der Parallelwelt des Fauns sind fließend. Flieht Ofelia vor dem Schrecken, indem sie diesen in einem Märchen sublimiert? Denn das Reich des Fauns ist ein Spiegel ihrer tatsächlichen Erlebnisse und Erfahrungen. Bedrohungen und Brutalität gibt es hier ebenfalls: Sie muss gegen eine giftige Riesenkröte kämpfen und einem Kinderfresser, einem augenlosen Monster, entkommen. Und auch die Figur des Fauns ist ambivalent. Am Ende, wenn sich Ofelia die Frage stellen muss, was sie bereit ist zu opfern, um das Glück zu finden, verschmelzen die Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit, zwischen Märchenwelt und der historischen Realität des spanischen Bürgerkriegs. Als poetische Parabel für den Horror des Faschismus überzeugt Cornelia Funkes Buch ebenso wie del Toros Film. Und die Frage, ob dies ein Jugend- oder Erwachsenenbuch ist, stellt sich erst gar nicht: „Das Labyrinth des Fauns“ ist einfach ein großartiges literarisches Werk.

    • Cornelia Funke, Guillermo del Toro: Das Labyrinth des Fauns. Aus dem Amerikanischen von Tobias Schnettler. Fischer, 320 S., 20 €.
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