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Corona-Pandemie: Was bleibt von den neuen digitalen Formaten in Museen und Theatern?

Corona-Pandemie

Was bleibt von den neuen digitalen Formaten in Museen und Theatern?

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    Gemälde auf dem Tablet bis ins letzte Detail zu betrachten - das können Liebhaber von Museen nicht erst seit Corona von zu Hause aus.
    Gemälde auf dem Tablet bis ins letzte Detail zu betrachten - das können Liebhaber von Museen nicht erst seit Corona von zu Hause aus. Foto: Gregor Fischer, dpa

    Im Pyjama in die Oper, zu Großstadt-Beats den Kochlöffel schwingen und den Abend mit einem Glas Wein im Museum ausklingen lassen - klingt unmöglich? Nicht ganz: Während der vergangenen Monate, in denen Kulturbetriebe ihre Pforten wegen der Beschränkungen schließen mussten, wurden die Veranstalter und Künstler kreativ: Viele Formate übertrugen sie ins Digitale. Nun werden die Beschränkungen gelockert - aber bedeutet das auch, dass die digitalen Innovationen damit vom Tisch sind? Ein Überblick, ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

    Als Hobby können sich die Veranstalter kein zweites "Zuhause-Festival" aus München vorstellen

    Wo soll man tanzen gehen, wenn der Club geschlossen ist? Unter dem Namen "United We Stream" haben Clubs in ganz Deutschland Streams von DJs in leeren Clubs über das Internet in die Wohnzimmer der Feiernden geschickt. Auch in Augsburg haben die Clubs ihre Programme in einen Stream in Internet verlegt. Eine weitere Möglichkeit, digital zu feiern,  ist das "Zuhause-Festival" aus München, das Thorsten Bühner mit drei Bekannten ins Leben gerufen hat. Über ihre Website können Zuschauer auf Streams von Musikern, Comedians sowie auf Lesungen und sogar Puppentheater-Vorführungen zugreifen. Tilman Schaich, einer der Organisatoren, erklärt, dass sie das Festival von Anfang an mit Ablaufdatum geplant hatten: "Ursprünglich war das für einen Monat gedacht, dann haben wir es zweimal um jeweils zwei Wochen verlängert."

    Fortsetzen wollen die Organisatoren das Festival nicht, denn außerhalb der Schockstarre während Corona müsse jeder für sich schauen, wie es weitergeht - einige haben durch ihre Jobs dann keine Zeit mehr. Manche Künstler haben sich ausgehend vom Festival tiefer mit der dahinterstehenden Technologie auseinandergesetzt. Schaich meint, für ein langfristiges Projekt müsse man das Projekt jedoch professioneller aufziehen: Mit einem Geschäftsmodell und Sponsoren könne er sich eine Wiederholung vorstellen.

    Eine Fortsetzung des Literaturkanals Augsburg hängt an der Finanzierung

    Auch an der Literatur ist der Lockdown nicht spurlos vorbeigegangen. Livelesungen, die auf Twitter unter den Hashtags #literaturstream oder #onlinelesung liefen, sind als Stream teilweise immer noch online abrufbar.

    Es gibt aber auch andere Beispiele, die sich Interessierte nicht mehr ansehen können. Das Wiener Theater Rabenhof organisierte zum Beispiel am Karfreitag mit dem Sender FM4 eine Online-Lesung von Albert Camus‘ "Die Pest". Seit dem 11. Mai können Zuschauer den Stream nicht mehr abrufen, weil das Theater die Nutzungsrechte nur bis dahin hatte. Das Theater will den Stream in Zukunft aber im eigenen Vorführraum zeigen. Ähnlich wie im fernen Wien konnte man sich im "Literaturkanal Augsburg" zwar kein ganzes Buch, aber kurze Stücke bis 15 Minuten von den Autoren vorlesen lassen. Die Organisatoren wollten damit Augsburger Autoren eine Plattform bieten, deren Lesungen durch die Krise weggebrochen waren. Seit 1. Juli ist Schluss: Matthias Klösel begründet das Ende des Projekts damit, dass nun wieder Live-Events möglich seien. Die Aktion sei zu teuer, um die Plattform langfristig anzubieten. Daneben sie es eine Menge Arbeit gewesen und bereits als Übergangslösung mit einem Ende angelegt. Vor allem jüngere Teilnehmer wollen die Aktion aber gern wiederholen.

    Die Bayerische Staatsoper in München ist schon länger digital, erweitert ihr Angebot aber dauerhaft

    Was in Augsburg ganz lokal funktioniert, testet auch ein Schwergewicht der bayerischen Kulturbranche, die Bayerische Staatsoper in München: Sie überträgt seit 2011 regelmäßig kostenlos Livestreams der Neuproduktionen unter "staatsoper.tv". In den letzten Monaten standen die Verantwortlichen vor folgendem Problem: Keine Konzerte und Vorstellungen – daher keine Livestreams. Was tun? Die Coronazeit habe sich "in bestimmten Bereichen als kreativitätsfördernd erwiesen", meint Christoph Koch vom Pressebüro. Neu war deshalb ein On-Demand-Angebot von Vorstellungen aus dem Archiv. Auch die "Sitzkissenkonzerte" für Drei- bis Sechsjährige hat die Staatsoper erstmals digital produziert und online gestellt. Eine weitere Idee waren die "Montagskonzerte", die mit kleiner Besetzung jeden Montag live aus dem Opernhaus gestreamt wurden. Seit 29. Juni ist damit vorerst Schluss. Denn ab Mitte August verabschiedet sich die Bayerische Staatsoper traditionell in die Theaterferien. Und da ab 1. September der Spielbetrieb wie gehabt aufgenommen wird, brauchen die Musiker die Bühnen wieder für den normalen Ablauf, zum Beispiel für Proben. Für die Zukunft überlegt die Staatsoper, so Koch, kleinere Bereiche wie die "Sitzkissenkonzerte" digital fortzuführen. Die Erweiterung des Angebots ist nicht neu: Mit Virtual Reality experimentieren die Münchner schon seit etwa drei Jahren – zum Beispiel mit dem VR-Kurzfilm "V-aria". Aber ganz auf digital umsteigen? Für Christoph Koch undenkbar: Das Digitale sei "ein schöner Ersatz, wenn man nicht live im Theater sein kann. Aber eine auch noch so gute Aufnahme kann ein Live-Erlebnis nicht ersetzen." Ebenso wie in München experimentiert das Staatstheater Augsburg mit neuen Technologien: Seit Ostern bietet es einen Lieferservice für Virtual-Reality-Brillen an. Dieses Angebot führt das Haus nun fort: Im Moment stehen vier Stücke auf der Website zur Verfügung, drei weitere folgen.

    Die Alte Pinakothek und das Deutsche Museum in München haben bereits eine Digitalstrategie

    Das Selbstbildnis Albrecht Dürers kann man sich ins Wohnzimmer holen, denn die Münchner Alte Pinakothek bietet seit letztem Herbst eine 360-Grad-Ansicht der ausgestellten Werke. Die digitale Strategie des Museums ist also schon vor dem Lockdown entstanden. "Man muss sagen, dass Kulturinstitutionen sich nicht erst seit heute digitalisieren", betont Maximilian Westphal, Koordinator der Arbeitsgruppe für Digitale Kommunikation. Einige bereits angelegte Prozesse konnten während des Lockdowns beschleunigt werden. Ähnlich ist die Entwicklung im Deutschen Museum in München. Dort kann man den Mitarbeitern des Ausstellungsdienstes in ihrem Videoblog dabei zusehen, wie sie über ihre Lieblingsobjekte sprechen. Pressesprecher Gerrit Faust erklärt, dass es bereits vor Corona Angebote wie Podcasts oder einen virtuellen Museumsrundgang gab. Diese Angebote hat das Museum ausgebaut. Neu hinzu kamen Live-Führungen mit einem Moderator - und ungewöhnlichen Reaktionen: "Die Leute auf einem Single-Portal haben sich zu solch einer digitalen gemeinsamen Führung verabredet", plaudert er aus dem Nähkästchen. Die neue Situation hat bei allen Mitarbeitern Offenheit und Ehrgeiz geweckt: "Wann wollen wir das machen, wenn nicht jetzt?", sei das Credo gewesen.

    Ebenfalls neu: Besucher können sich während des virtuellen Rundgangs zum Beispiel Videos oder Audio-Dokumente zu den Objekten anzeigen lassen. Die digitalen Offerten wollte das Museum sowieso erweitern, nicht erst seit Corona. Aber wie für die Theaterleute gilt auch für Museumssprecher Faust, "dass ein virtueller Besuch so ein echtes Museum nur in Teilen ersetzt: Man kann darum herum gehen, man spürt die Blitze in der Hochspannungsanlage, kann Knöpfchen drücken." Ein Museum nur digital zu besuchen - das ist noch reine Zukunftsmusik.

    Digitale Angebote bieten Musikern die Chance, jeden im Publikum teilhaben zu lassen

    Bisher war vor allem von Institutionen die Rede, doch wie geht es den Künstlern mit der digitalen Verbreitung ihrer Werke? Bei einigen sorgte der Lockdown für neue Modelle: Dominik Scherer von der privaten Musikschule Beathof in Stadtbergen erstellte beispielsweise Lernvideos für seine Schüler. Es gibt auch kritische Stimmen, wie Gesangssolist David Erler, der sich in einer Petition für Hilfen für Freiberufler und Künstler während des Shutdowns einsetzte: "Es droht damit auch eine Abwertung, gewissermaßen ein Ausverkauf der Kunst, vor allem weil die 'Kostenlos-Kultur' des Internets hier ganz unmittelbar zum Tragen kommt", schreibt er auf seiner Website. Er steht auf Nachfrage nach wie vor zu dieser Einstellung. Daneben sei es schwierig, dass der eine Wurf, der eine Versuch, für immer im Netz stehe. Auch kostenpflichtige Live-Streams seien nur "Maßnahmen, die punktuell funktionieren, aber sie retten auf lange Sicht nicht den Sektor."

    Andere Künstler sehen das digitale Angebot positiver: Die Augsburger Indie-Folk-Band "Philomenas Tailors" streamte bereits 2017 ihr Konzert beim Street-Food-Schmeckfestival über Facebook. Als ab dem 28. März ihr Konzert in Berlin abgesagt wurde, suchten sie neue Wege, erklärt Jan Plausteiner, Leadsänger und Gitarrist der Band. Während der Monate des Lockdowns sendeten sie zum Beispiel Live-Stream-Konzerte während der "Inside Studio Sessions" in Augsburg. Das Konzept: Jan Plausteiner spielte live, sein Bandkollege las die Kommentare mit den Textvorschlägen der Zuschauer, und sie improvisierten daraus live einen Song.

    Zwar spielt die Band am 22. August bereits wieder auf einer Bühne, aber die Livestreams  im Wechsel  mit Live-Auftritten möchten sie beibehalten: Kunst im Digitalen sei durch die Krise salonfähig geworden, meint Jan Plausteiner. Er sieht in der Digitalisierung die Möglichkeit, alle Menschen an ihrer Musik teilhaben zu lassen: "Das Thema Live-Stream ist ein sehr bedeutendes, finde ich, und auch zukunftsweisend", erklärt er. "Nicht nur in Zeiten einer Pandemie, sondern auch im Hinblick auf digitale Vernetzung oder als eine Chance für Menschen mit Einschränkungen. Das bietet eine ganz andere und spannende Art, sich mit seinem Publikum zu verbinden." Auch direktes Feedback gebe es mehr als bei Live-Konzerten nach dem Auftritt. Das nächste Online-Konzert ist schon geplant, für den 18. Oktober, und damit vergleichsweise weit in der Zukunft.

    Doch nur online, das geht dann doch zu weit: Jan Plausteiner möchte damit bei kleineren Solo-Projekten experimentieren, aber nicht für immer auf die Live-Reaktion des Publikums verzichten. Klatsch-Emoticons in sozialen Netzwerken seien dann doch nicht dasselbe wie echter Applaus.

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