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Universität: Der Doktorgrad ist ein heiß begehrter Titel

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Der Doktorgrad ist ein heiß begehrter Titel

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    Bundeskanzlerin Angela Merkel trägt 19 Ehrendoktortitel, hier die Verleihung 2013 an der Universität Nimwegen für ihren Einsatz für Europa.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel trägt 19 Ehrendoktortitel, hier die Verleihung 2013 an der Universität Nimwegen für ihren Einsatz für Europa. Foto: Rolf Vennenbend, dpa

    Ein Zauber wohnt dem Titel inne: Doktor zu sein hebt aus der Masse hervor. Der akademische Grad weist den zielstrebigen Menschen aus. Man hat etwas geleistet, man ist drangeblieben, man hat Entbehrungen ertragen, um das große Ziel zu erreichen. Wie jäh muss dann der Sturz aus dem Olymp empfunden werden. Der Doktortitel aberkannt, weil des Betrugs überführt. „Das ist schon eine ziemliche Blamage“, sagt Bernd Oberdorfer. Der Professor für evangelische systematische Theologie an der Universität Augsburg ist nicht nur seit Jahren Vorsitzender des Promotionsausschusses seiner Fakultät, sondern auch Ombudsmann für Verdachtsfälle von wissenschaftlichem Fehlverhalten.

    Den Rücktritt von Familienministerin Franziska Giffey wegen Plagiaten in ihrer Doktorarbeit will er nicht kommentieren. Hier liege ein Musterbeispiel dafür vor, wie sorgfältig im Verdachtsfall ein Prüfverfahren an der Universität durchgeführt wird: „Es ist nicht so einfach, wie es aussieht.“ In der Öffentlichkeit sei der Eindruck entstanden, als lägen erwiesenermaßen Fehler vor, wenn bloß ein Verfahren eingeleitet wird. Letztlich leidet freilich auch das Ansehen einer Fakultät, wenn sie Schummelei durchgehen ließe. Zu leichtgläubig seien die Korrektoren gewesen, zu wenig hellhörig die Professoren im abschließenden Rigorosum, zu lax die Betreuung am Lehrstuhl während der Arbeit am Thema, hießen dann die Vorwürfe.

    Eine Doktorarbeit soll eine eigenständige wissenschaftliche Leistung sein

    Die Anforderungen an eine Doktorarbeit sind klar formuliert: Es soll eine eigenständige wissenschaftliche Leistung sein, die erkennbaren wissenschaftliche Fortschritt erbringt. „Einfach nur Vorhandenes zusammenzufassen, genügt nicht“, betont Oberdorfer. „Es muss sich damit schon eine neue Fragestellung verbinden, die zu einem originellen wissenschaftlichen Ergebnis führt.“ Von Fach zu Fach wird sich dies unterschiedlich realisieren. Mediziner erlangen relativ rasch ihren Doktortitel, Geisteswissenschaftler investieren drei bis fünf Jahre. Außerdem kommt es darauf an, ob der Doktor die Basis einer Hochschullaufbahn legen oder in anderen Berufsfeldern als vorzügliches Bewerbermerkmal die Karriere befördern soll.

    Hier könnte dann auch die Einfallspforte für eine lässigere Haltung gegenüber dem Promovieren liegen. „Manche Plagiate in Doktorarbeiten sind dem Umstand geschuldet, dass man eigentlich anderes zu tun hatte und nicht so genau hinschaut, woher der verarbeitete Stoff stammt“, erklärt Oberdorfer. Absichtliches Betrügen komme jedoch „ganz selten“ vor. An der eigenen Philosophisch-Sozialwissenschaftlichen Fakultät habe sich vor mehr als zehn Jahren einmal ein Student gemeldet, weil er in einer Augsburger Dissertation Plagiate vermutete. Grundsätzlich, so der Vorsitzende des Promotionsausschusses, müsse die Fakultät ihren Kandidaten Vertrauen entgegenbringen. „Die Wissenschaft wäre tot, wenn nicht unterstellt werden darf, dass sich Wissenschaftler ehrlich benehmen“, bekräftigt der Professor.

    Die Einsamkeit des Langstreckenläufers während des großen Projekts

    Immer noch ist die Promotion das große Projekt. „Man investiert einige Lebenszeit, konzentriert sich auf ein bestimmtes Thema, erlebt die Einsamkeit des Langstreckenläufers und muss an sein Projekt glauben“, weiß Oberdorfer. 1993 hatte er in München seine Dissertation eingereicht – „ich erlebte einen Raum der Freiheit und empfand diese Zeit als sehr beglückend“. Als Professor kann er nicht mehr so frei im Gefilde des Geistes streifen, sondern muss neue Bücher „sehr viel verwertungsorientierter“ lesen.

    War man in vordigitalen Zeiten nicht so pingelig beim Zitieren? „Im Gegenteil, die Fakultäten haben sauberes wissenschaftliches Arbeiten mindestens so ernst genommen wie heute“, sagt Oberdorfer. Wenn ihm etwas ungereimt vorkäme, ginge er als Korrektor der Sache nach, „besonders wenn der Stil wechselt“. Auch in der Disputation im Professorenkreis stellt sich heraus, ob ein Doktorand sich in sein Thema wirklich vertieft hat oder mit fremden Federn schmückt. Selbst einen Ehrendoktor bekommt man nicht so schnell. „Es sollte damit schon eine Leistung gewürdigt werden, die Bezug zur Wissenschaft hat. Gefälligkeitstitel gibt es in Augsburg nicht.“

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