Ist das die Erzählung unserer Zeit? „Der Klimawandel – eine Katastrophe ungeahnten Ausmaßes steht uns bevor. Verändert unsere Erde. Verändert unser aller Leben. Das Fiasko scheint unaufhaltsam. Bis die drei Supermächte China, Russland und die USA einen radikalen Weg einschlagen. Doch wird diese starke Klima-Allianz das Ruder noch herumreißen?“
Nun, bislang hat es damit immerhin auf die Bestsellerlisten gereicht. Als Fiktion. Ein Thriller von Dirk Rossmann, „Der neunte Arm des Oktopus“. Aber wenn schon Udo Lindenberg überzeugt ist: „Das ist Hammer. Super spannend. Respekt!“ Dann fragt sich nur, was die Supermächte wirklich tun. Und was wir. Denn, so heißt es zum Buch ja weiter: „Die Maßnahmen der Allianz greifen gravierend in das Leben der Menschen ein, und nicht jeder will diese neue Wirklichkeit kampflos akzeptieren …“
Bill Gates, Frank Schätzing, Eckhart von Hirschhausen - alle zur Klimakrise
Wer nun denkt, das sei alles überdramatisiert wie die Sätze des Mädchens Greta Thunberg, „I want you to panic!“ – für den übersetzt es nun auch ein Publikumsliebling der Unterhaltung ins Sachbuch: „Wir sind in einem Thriller. Sie und ich. Nicht als Leser und Autor. Als Akteure.“ Schreibt Frank Schätzing in „Was, wenn wir einfach die Welt retten?“ über die Klimakrise und wird damit dem Tech-Milliardär Bill Gates mit dessen „Wie wir die Klimakatastrophe verhindern“ bald an der Spitze der Bestseller-Charts folgen.
Bevor in zwei Wochen Eckhart von Hirschhausen nachrückt mit „Mensch, Erde! Wir könnten es so schön haben“ … Der unterhaltsam aufklärende Mediziner lehrt: „Gesunde Menschen gibt es nur auf einer gesunden Erde. Wir müssen nicht ‚das Klima‘ retten – sondern uns.“ Die Botschaft also ist so prominent wie klar, mit Frank Schätzing: „Ab jetzt spielen wir alle – jeder von uns, auch Sie – eine Hauptrolle!“ Wie drastisch aber ist, was wir ein Eingriffen ins Leben zu erwarten haben. Und machen wir mit?
Das Ziel liest sich bei Microsoft-Gates nüchtern: den Ausstoß von 51 Milliarden Tonnen klimaschädlicher Treibhausgase bis ins Jahr 2050 auf Null reduzieren. Aber er ist ein neben zwei Milliarden Dollar auch Zuversicht spendender, väterlich um Klarheit bemühter Erzähler. „Hier ist eine Analogie, die ich besonders anschaulich finde: Das Klima ist wie eine Badewanne, die langsam voll Wasser läuft. Selbst wenn wir den Wasserhahn bis auf ein Tröpfeln zudrehen, wird die Badewanne doch irgendwann voll sein und überlaufen, sodass der Fußboden überschwemmt wird. Das ist die Katastrophe, die wir verhindern müssen …“ Darum müssten wir alle weltweit an einem Strang ziehen.
Der Umwelthistoriker sagt: "Bewusstsein ist überschätzt"
Und während er schon in Europa investiert, in das Schweizer Unternehmen Biorenewables etwa, das eine Technologie zur Herstellung pflanzlicher Moleküle entwickelt, die Erdöl in Produkten wie Kosmetika oder Kraftstoffen ersetzen sollen, sagt Gates auch, was es politisch braucht: „Regierungen können Regeln vorgeben, wie viel CO2 Kraftwerke, Autos und Fabriken ausstoßen dürfen. Sie können Vorschriften erlassen, die die Finanzmärkte in eine bestimmte Richtung lenken und die Risiken des Klimawandels für den privaten Sektor und die öffentliche Hand eindeutig benennen. Sie können als Hauptinvestoren in die wissenschaftliche Forschung auftreten, wie sie es heute schon tun, und die Regeln festlegen, die bestimmen, wie schnell neue Produkte auf den Markt kommen können.“
Dazu Gates für alle: „Aber auch jeder von uns kann mitmachen und die Zeitenwende einläuten – zum Beispiel mit gezielten Investitionen in ‚grüne Technik‘. Wenn Sie mehr Geld für ein Elektroauto, eine Wärmepumpe oder einen Burger auf pflanzlicher Basis ausgeben, tun Sie damit kund: ‚Es gibt einen Markt für diese Dinge. Wir kaufen sie.‘ Und wenn genug Menschen dasselbe Signal aussenden, werden die Hersteller und Anbieter reagieren …“ Sehr ähnlich, nur unterhaltsame ist das bei Frank Schätzing zu lesen. Der sich zwar bewusst ist, dass er nervt, wenn einen als fiktiver Beifahrer fragt, ob diese Fahrt wirklich nötig und unnötiges Gewicht im Auto ist, das den Verbrauch noch erhöht … Trotzdem, muss ja!
Es geht schließlich darum, ein Bewusstsein für den Wandel zu schaffen. Die Antwort darauf steht im so umfangreich aufklärenden wie ernüchternd resümierenden Buch des Umwelthistorikers Frank Uekötter: „Bewusstsein wird überschätzt.“ Spätestens seit dem nun 50 Jahre zurückliegenden Gutachten des Club Of Rome zu den „Grenzen des Wachstums“ werde das „fehlende Bewusstsein“ beklagt. „Und oft schwingt die Erwartung mit, dass alles ganz einfach wäre, wenn sich erst einmal die richtige Einstellung verbreiten würde “, so Uekötter, der bereits im Titel die viel schlagenderen Analogie liefert als Gates’ Badewanne: „Im Strudel“. Kompliziert jedenfalls werde es auf dem Weg vom Bewusstsein zum Handeln. Unsere Umweltgeschichte sei angesichts eines immer unvollständigen Naturverständnissen voller „entgleister Projekte“. Und Veränderungen dürften auch kein Selbstzweck. Kein Aktionismus, Ideologie oder reine Imagepflege – nennt man das wohl in der Politik.
Sahra Wagenknecht kritisiert aktuelle Klimapolitik hart
Die Linken Sahra Wagenknecht aber sieht in so manchem, was da beschlossen wurde unter dem Einfluss von Fridays For Future genau das. Sagt unserer Redaktion: „Die höheren Benzinpreise und die subventionierten und trotzdem teuren E-Autos, das ist Symbolpolitik für die Wohlhabenden und deren gutes Gewissen. Für die untere Mitte und die Ärmeren macht es nur das Leben teurer, bei Null CO2-Einsparung. Denn wer auf dem Land wohnt, hat gar keine Alternative zum Auto, und höhere Heizölpreise führen auch nicht dazu, dass Normalverdiener in schmucke Niedrigenergiehäuser umziehen.“
Und so ließen sich auch Widersprüche des Fleischverzichts und der Fleischverteuerung aufdecken, die Absurdität des Plastikhalmverbots und der Flugscham … – während zum Beispiel „der Schiffsdiesel der großen Containerschiffe, deren Fahrtrouten die Lebensader der Globalisierung bilden“, eindeutig das Schädlichste sei. Darum für Wagenknecht entscheidend: „keine Lifestyle-Debatten und Preiserhöhungen“ – sondern neben technischen Innovationen, in denen sie mit Gates und Schätzing einig ist, vor allem auch „eine De-Globalisierung und Re-Regionalisierung unserer Wirtschaft“. Es geht also um Regulierung – längst nicht nur bei der Linken. Für die aber sei, so Wagenknecht, die Regierung „zu feige“.
Ein immerhin in der Fachwelt zum Bestseller gewordener Vorschlag dazu stammt von Sir Partha Desgupta, Umweltökonom aus Cambridge. Unter dem Titel „Economics of Biodiversity“ stellte er die Idee vor, die Wirtschaft dadurch an die Umweltfolgen zu binden, indem die Natur zu deren integralem Bestandteil wird, einen ökonomischen Wert erhält, der berechnet werden kann. Gerade weil die Natur keinen Marktpreis habe, verhielten sich die Menschen, als sei sie umsonst.
Statt wie bislang ein Wirtschaften, das die Natur schädigt, auch noch mit weltweit bis zu sechs Billionen Dollar pro Jahr zu subventionieren, müssten saubere Gewässer und intakter Wald in Wert gesetzt werden, damit sich die Weltgemeinschaft auch gemeinsam um diese kümmert. Desgupta: „Wir müssen die Art und Weise ändern, wie wir denken und unsere Erfolge messen.“ Vier Schlüssel gibt es für ihn: Weniger konsumieren; ein effizienterer Umgang mit Ressourcen; das Finanzieren in Aufforstung – und ein Stoppen des Bevölkerungswachstums, weil wir sonst in das „grausame Dilemma“ gerieten, dass das hehre Ziel, für ein besseres Leben der Menschen in Afrika unweigerlich zu einem noch größeren ökologischen Fußabdruck führe. Und damit in die sichere Katastrophe. Also: Wert für die Umwelt und Verhütungsmittel für die Welt!
Experte sagt: Es ist zu spät. Es kommen große Völkerwanderungen
Aber reicht das? Geht es schnell genug? Der in Indien geborene und in Dubai lebende Parag Khanna sagt mit nicht wenigen Klimaexperten schlicht: Nein. Und dann? Folgt eine neue Ära der Menschheitsgeschichte, die Rückkehr zum Nomadentum, das Ende der Stabilität, ein Ausweichen vor der nächsten Naturkatastrophe, eine Anpassung an die Klimaschwankungen, so der Absolvent der London School of Economics und CNN-Experte.
„Move“ heißt sein Buch und in Bewegung wird demnach Unvorstellbares kommen: ganz China, ganz Indien. Weil diesen Ländern das Klima unerträglich sein wird, geht es Richtung Norden, Zentralasien, sowie in den USA oder Südamerika die Menschen ins Landesinnere wandern werden. „Kanada und Russland werden in Zukunft fast die gesamte Agrarproduktion der Welt übernehmen“, so Khanna, der mit seiner Firma FutureMap als Politikberater arbeitet. Maschinen und Menschen würden aus der ganzen Welt ins milder werdende Sibirien kommen. So etwas wie „territoriale Souveränität“ wäre damit Geschichte, allein Kasachstan könnte 200 Millionen Menschen aufnehmen und ein multinationales Land werden wie Dubai. So wäre auch trotz gestiegener Meeresspiegel für acht Milliarden Menschen Platz, in großer Mehrheit allerdings im „globalen Norden mit dort verdoppelter Bevölkerung. „Zivilisation 3.0“ nennt Khanna das – und nein, das ist nicht Fiktion, kein Thriller. Das ist: die Erzählung unserer Zukunft?
Unterdessen steht bereits der nächste Thriller in den Schaufenstern: „Klima“, Untertitel „Deine Zeit läuft ab“, vom Amerikaner David Klass. Es geht um einen „Green Man“, der wie ein Terrorist wirkt, aber vielleicht doch nur die Welt retten will, weil die Politik nicht handelt. Er setzt mit Anschlägen die umweltschädlichsten Wirtschaftsanlagen außer Betrieb. Noch nicht sicher, ob das ein Bestseller wird.
Die Bücher
- Frank Schätzing: Was wenn wir einfach die Welt retten? Kiepenheuer & Witsch, 336 S., 20 Euro
- Bill Gates: Wie wir die Klimakatastrophe verhindern. Piper, 320 S., 22 Euro
- Frank Uekötter: Im Strudel – Eine Umweltgeschichte der modernen Welt. Campus, 838 S., 49 Euro
- Parag Khanna: Move – Das Zeitalter der Migration. Rowohlt, 448 S., 24 Euro
- David Klass: Klima – Deine Zeit läuft ab. Goldmann, 417 S., 13 Euro
- Dirk Rossmann: Der neunte Arm des Oktopus. Lübbe, 400 S., 20 Euro
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