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Udo Lindenberg: Konzert in München: Udo Lindenberg ohne Stimme, aber mit Otto Waalkes

Udo Lindenberg

Konzert in München: Udo Lindenberg ohne Stimme, aber mit Otto Waalkes

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    Udo Lindenberg rockte in München unter anderem mit Kult-Komiker Otto Waalkes.
    Udo Lindenberg rockte in München unter anderem mit Kult-Komiker Otto Waalkes. Foto: imago

    Wie viele Sänger es wohl gibt, die so heiser überhaupt noch auf die Bühne treten würden? Jetzt mögen Witzbolde einwenden: Na ja, aber Singstimme und Udo Lindenberg – das ist ja ohnehin eine eher entfernte Verwandtschaft. Was natürlich unerheblich ist, weil unter den Großen des Rock und Pop gar nicht so wenige sind, die auf ihre eben sehr charakteristische Art eigentlich nicht klassisch singen können.

    Udo Lindenberg mit heiserer Stimme in der ausverkauften Olympiahalle in München

    Udo jedenfalls hatte sich beim Joggen im Englischen Garten in München am Montag offenbar einen Infekt eingefangen und war am Dienstagabend beim Aufritt in der mit 12.500 Zuschauern ausverkauften Olympiahalle dann so heiser, dass er sich immer wieder von oben und unten den Tönen anzunähern versuchte, sich immer wieder entschuldigte, auch im Sprechen aber erst mal nicht so leicht zu verstehen war. Hatte das dann überhaupt Sinn?

    Nun ist auf dem Planeten Lindenberg ja praktisch alles möglich. Und nachdem der mit einem Spektakel auf der riesigen Videoleinwand samt Raketenstart und Knall und Feuerfontänen auch in der Halle dann erst mal in München gelandet war, entfaltete sich auch gleich wieder das ganze Spektrum. Mit Panikorchester und der ganzen, großen, sogar erweiterten Panikfamilie.

    Udo Lindenberg in München: Große Panikfamilie auf der Bühne

    Zwei Sängerinnen und zwei Sänger, Tänzerinnen und Tänzer, Bläser - und sogar mit der Kindergruppe „Kids on Stage“ aus Düsseldorf, die einigen Schabernack auf der Bühne trieb, aber vor allem auch bedeutungsvolle Rollen ausfüllen durfte.

    Auf dem Planeten Lindenberg kann man nämlich noch Sätze wie folgende ohne Ironie aussprechen: „Wenn einer allein träumt, bleibt er ein Träumer – wenn wir alle gemeinsam träumen, wird es Wirklichkeit.“ Oder: „Die Menschen müssen endlich den Krieg abschaffen, damit der Krieg nicht letztlich die Menschen abschafft.“

    Die sprachen allerdings nicht die Kinder, sondern der 73-jährige Udo sagte sie selbst. Wie er ja ohnehin immer wieder mit Unterstützung des Teleprompters Botschaften zwischen seine Songs streut und diese auch passend in den Songs groß inszeniert.

    Viel Pathos bei Udo Lindenberg-Show in München

    Um nur mal eine Abfolge zu nennen: Nach „Du heißt jetzt Jeremias“ samt Kirchenorgel, Halleluja und tanzenden Nonnen kommt das Rühmann-Cover „Ich brech' die Herzen der stolzesten Frau'n“, die Nonnen verwandeln sich in Go-Go-Tänzerinnen und -Tänzer, am Schluss gibt's eine Hochzeit zwischen zwei Bischöfen und zwei Nonnen (und zwar nicht überkreuzt) und Udo sagt: „Wir empfehlen der Kirche eine Lockerung des Zölibats.“

    Von da geht’s dann direkt zu „Wozu sind Kriege da“, in dem nun unter anderem die Kindergruppe als Chor mit Fadenkreuzen auf den T-Shirts zum Einsatz kommt, und weiter zu „Ratten“, in dem Lindenberg bereits in den 80ern die Umweltverschmutzung angeprangert hatte und das er nun freilich mit Blick auf die Kinder in Bezug zu „Friday For Future“ stellt.

    Schließlich mündet der Block in „Straßenfieber“, zu dem er die Politiker in Berlin bezichtigt, andauern zu lügen, und den Traum in Szene setzen lässt, dass die Machthaber ihre Kämpfe gefälligst selbst ausfechten sollten: Zwei Boxer, der eine mit übergroßem Trump-, der andere mit übergroßem Putinkopf, treten in einen extra aufgebauten Ring, und am Ende grinst von der Videoleinwand zwischen den beiden auch noch Xi Jinping heimtückisch mit Rakete.

    Große Inszenierungen, großes Pathos, das später einen weiteren Höhepunkt erhält, als zu „Wir ziehen in den Frieden“ zwei der Kinder die Artikel 1 und 3 des Grundgesetzes laut in die Halle sprechen. Jubel im Publikum. Und gleich im Anschluss bricht von der Bühne aus die „Bunte Republik Deutschland“ aus...

    Ruhigere Stücke offenbaren Udo Lindenbergs Stimmprobleme

    Doch dazwischen ist der vielleicht noch immer eindrücklichste Spezialeffekt des Planeten Udo zum Einsatz gekommen. Mit „Lady Whisky“, „Mein Body und ich“ und „Das Leben“ serviert Lindenberg Stücke, zu denen er die Brille mal komplett abnimmt. Und über die Zeiten spricht, in denen er fast zugrunde gegangen wäre. Und weil die Stücke auch ruhiger sind und weitgehend ohne die Unterstützung der anderen Sänger auskommen, schlägt hier auch die im Spektakel zuvor oft übertünchte Heiserkeit voll durch.

    Udo hat zwar gleich zu Beginn versucht, seine Allzweckmedizin, den Eierlikör, diesmal gurgelnd dagegen in Stellung zu bringen – aber erst gegen Ende der fast dreistündigen Show, als auf der Bühne nach „Hinterm Horizont“ endgültig der Zirkus ausbricht zu einer Hit-Folge samt „Sonderzug nach Pankow“ und „Alles klar auf der Andrea Doria“, als Udo auch noch immer wieder mit Weißbier gegurgelt hat, ist die Stimme wieder einigermaßen da.

    In diesen ruhigeren Liedern im Zentrum aber passt die Brüchigkeit sogar so gut, dass Lindenberg fast schon selbst lachen muss. Weil er sich zuletzt so angehört habe in den Zeiten, als er noch morgens um 6 aus irgendeiner Kneipe wankte. Berührend.

    Konzert in München: Otto Waalkes rockt mit Udo Lindenberg die Bühne

    Und gelungen ist auch, als nach 100 Minuten plötzlich mal wieder einer seiner Überraschungsgäste zu ihm auf die Bühne kommt: Otto Waalkes, mit dem Udo in grauer Vorzeit ja tatsächlich mal in einer Groß-WG gewohnt hat. Und Otto macht nicht nur seine üblichen Späßchen und singt sein umgetextes Sting-Stück „Ich bin ein Friesenjung“ - er rockt auch noch ein „Highway to Hell“-Cover, das Udos Band wie ja eigentlich alles prächtig spielt und Otto immerhin mit Lust durchsteht.

    Trotz und teilweise wegen der Stimme alles gut also?

    Dem Spektakel hat Udos Schwäche jedenfalls keinen Abbruch getan und die Zuneigung seiner Fans sogar eher noch verstärkt, weil: Ja, er hat unter diesen erschwerten Bedingungen halt einfach alles gegeben.

    Udo Lindenberg will bald wieder nach München kommen

    Die Show aber ist zwischen aufwändigstem Quatsch („Alles, was sie anhat, ist ein Radio“) und so inbrünstigem wie simplem Weltverbesserung- und Politverdrossenheitspathos (Peace-Zeichen auf Tour-Shirt und Videoleinwand, Greenpeace-Bär auf der Bühne) ein einziger, wahnwitziger Grenzgang.

    Die Fans verlassen glücklich und beseelt die Halle, der Planet Udo zieht weiter und kommt – Lindenberg hat es versprochen - „schon sehr bald wieder“ in dieses München, mit dem ihn in seiner Geschichte so viel verbindet. Aber die Welt bleibt unterdessen halt schrecklich kompliziert.

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