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US-Wahlen: Das Trump-Expertiment für die Weltwirtschaft 

US-Wahlen

Das Trump-Expertiment für die Weltwirtschaft 

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    „Make America Great Again": Donald Trump
    „Make America Great Again": Donald Trump Foto: Foto: Nicholas Kamm, afp

    Mit den Zwischenwahlen in den USA steht auch eine erste große Abstimmung über den Masterplan des Donald Trump an. Und darüber, ob er von den Wählern überhaupt als ein solcher erkannt wird angesichts des alltäglichen Twitter-Gewitters. Was wiederum zum Plan gehören dürfte. Dieser Masterplan nämlich versucht im Inneren zwei widersprüchliche Konzepte so zu vereinen, dass sich gegensätzliche Wählerinteressen darin aufgehoben fühlen. Und er könnte im Äußeren vorbildhaft wirken als Experiment der Weltwirtschaft. Trump koppelt Neoliberalismus mit Nationalismus.

    Der Neoliberalismus ist in den vergangenen Jahren so umfassend zum Gegenstand der Kritik geworden, dass sich kaum noch jemand begrifflich positiv auf ihn bezieht. Zuerst kämpfte die Linke gegen diese Form der Wirtschaft, weil die Ungleichheit in der Welt und innerhalb der Gesellschaften durch sie wachse, weil Probleme an die Schwächeren und die Steuerzahler weitergegeben würden, während die Gewinne für immer noch reichere Eliten sorgten. Dann sprach der Papst von einer „

    Staatliches wird privatisiert, die Wirtschaft wird dereguliert

    Dass er die USA neoliberal regiert, wird feststellen, wer sein Handeln an einschlägigen Werken des deutschen Soziologen Wolfgang Streeck oder des britischen Politologen Colin Crouch misst. Crouch hatte bereits mit dem Schlagwort der „Postdemokratie“ für Furore gesorgt, unter dem er mehrere Erscheinungen zusammenfasste: etwa die zunehmende Privatisierung öffentlicher Bereiche und damit auch die Unterwerfung von Gesundheit, Bildung und Verwaltung unter die Effizienzgesetze des Marktes; und den immer stärker werdenden Einfluss von Lobbyisten und Experten auf die Gestaltung der Politik. Das alles gehört bereits zu den Charakteristika des Neoliberalismus. Wesentlich hinzukommen weitere wie die De-Regulierung der Wirtschaft, denn der Markt reguliere sich durch eigene Mechanismen viel besser als durch staatliche Eingriffe. Der Neoliberale Donald Trump hat nur zum Beispiel: die Unternehmenssteuern deutlich gesenkt, die allgemeine Krankenversicherung kassiert und die Banken von Regulierungen wieder befreit, die nach der Krise von 2008 festgelegt worden waren.

    Welche Probleme das System unterdessen geschaffen hat, zeigt Colin Crouch und seinem neuen Buch „Ist der Neoliberalismus noch zu retten?“. „Nebenwirkungen“ wie die Umweltverschmutzung spielten auf dem Markt gar keine Rolle – sie werden „externalisiert“, also auf andere abgewälzt. Der freie Wettbewerb führe immer mehr zu Monopolen, was die Konzerne immer einflussreicher mache und eben keine Regulierung mehr zulasse. Die eigentlich gewollte Rückkopplung der Wirtschaftsgewinne an die Bevölkerung durch Aktienbeteiligungen entfalte sich immer asymmetrischer, weil Beteiligungsriesen wie Blackrock entstanden sind – auch in Deutschland, unter der Führung von Friedrich Merz allein bei 20 der 30 Dax-Unternehmen größter Einzel-Aktionär. Und mittel- bis langfristiges Wirtschaften, das für eine Gesellschaft wichtig wäre, werde durch den computergestützten Hochgeschwindigkeitshandel an den Börsen unterminiert, wenn nicht verunmöglicht… Die Tendenz ist dabei immer: global.

    Von klassisch marktfreundlichen Neoliberalen haben sich durch diese Entwicklungen inzwischen solche neuer Sorte abgespalten: die konzernfreundlichen. Man muss sich nicht weit aus dem Fenster lehnen, um auch Donald Trump zu diesen zu zählen – und man kann sich fragen: Wo steht da ein Friedrich Merz? Das Wohl der nationalen Gesellschaft droht jedenfalls in der Zukunft immer mehr von internationalen Konzernen abzuhängen. Werden sie, wie die Banken 2008, dann auch „too big to fail“, zu groß also, als dass ein Staat sie scheitern lassen könnte? Müsste eine Regierung darum eine Wirtschaft stützen, deren Logik die Ungleichheit in der Welt und in der Gesellschaft verstärkt, die damit Krisen verschärft und die Demokratie gefährdet?

    Das nationale Wohl und die internationale Konzerne 

    Was sonst? Sozialistische Alternativen hält Colin Crouch für Humbug. Und eine Regulierung sei angesichts der globalen Wirtschaft auch nicht national, sondern nur transnational möglich. Aber „Institutionen, die solche Aufgaben angehen könnten, gibt es bereits; die EU, die OECD, den IWF, die Weltbank, die Welthandelsorganisation, die Internationale Arbeitsorganisation. Mit ausgeweiteten Zuständigkeiten „für die Steuerung des globalen Kapitalismus“, der nun mal das Schicksal der Wirtschaft sei. Die jedoch könnten solche Organisationen nur entfalten, so Crouch, „wenn sie in hinreichendem Maß demokratische Unterstützung genießen“.

    Gerade da erstarkt aber, vorbildhaft bei Donald Trump, der Nationalismus, der diese Organisationen schwächt und das Vertrauen in sie unterwandert. Am Tag seiner Präsidentschaft verschwanden nicht zufällig alle Hinweise auf einen Klimawandel von den Regierungsseiten – die externalisierten Nebenwirkungen werden also gleich ausgeblendet. Und, so Crouch, von der Gefährdung der Gesellschaften durch Kasino-Kapitalismus ist gar nicht mehr die Rede, von der Bedrohung durch Zuwanderung dafür umso mehr – ein klassisches Ablenkungsmodell für die steigende Wut der wachsenden Zahl von Abgehängten, die ihren Lebensstandard nur noch durch Kredite sichern können.

    Wolfgang Streeck hat in „Gekaufte Zeit“ gezeigt, wie diese Schuldenfalle das gegenwärtige, auf Massenkonsum beruhende Kapitalismusmodell bedroht. Donald Trump zeigt, dass in seinem Verständnis eine Lösung der Probleme aber nur nach dem neuen Marktprinzip möglich ist: Er will als CEO der USA, dass sein Land/Konzern der weltbeherrschende ist. Er riskiert den Handelskrieg. Darum baut er alle Wachstumshemmnisse ab und dadurch Risiken auf. Aber ist er, sind die USA „too big to fail“? Und er sorgt, um von den Unwuchten in der Belegschaft/im Volk abzulenken, für Feindbilder und Kampfgeist. Er riskiert den Bürgerkrieg. Falls er scheitert, stehen die Schuldigen jedenfalls schon fest.

    Außer die Wirtschaft kollabiert zuvor ein weiteres Mal. Die nationalistischen Verschiebungen, die nicht zuletzt die Bankenkrise hervorgebracht hat, nähren durch Trump die Gefahren für den nächsten Zusammensturz. Eine waghalsige Wette auf die Zukunft also. Man mag sich deren Verlust so wenig wünschen wie Trumps Sieg. Colin Crouch jedenfalls ist sich sicher: Wer den Kapitalismus nationalistisch denkt, dem wird es früher oder später den Boden unter den Füßen wegziehen.

    Die Bücher

    - Colin Crouch: Ist der Neoliberalismus noch zu retten? Übersetzt von Frank Jakubzik, Suhrkamp, 94 S., 8 Euro

    - Wolfgang Streeck: Gekaufte Zeit – Die vertagte Krise des demokratischen Kapitalismus. Suhrkamp, 351 S., 17 Euro

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