Wenige Wochen vor seinem 84. Geburtstag ist Wolfram Krempel an seinem letzten beruflichen Wirkungsort gestorben. Von 1995 bis 2001 hatte er als Intendant am Stadttheater Ingolstadt sechs hochinteressante Spielzeiten gestaltet. Er war als Theaterregisseur ein Meister der Erzählkunst, vordergründigen Bühneneffekten abhold. Gute Geschichten zu erzählen, darum ging es ihm, und dies immer in der Sichtweise von Humanität.
Krempel war für Ingolstadt ein Glücksfall. Allein schon, weil er deutsch-deutsche Theatergeschichte in die Donaustadt brachte. Der gebürtige Chemnitzer, Sohn eines Architekten, hatte als Regieassistent bei den legendären Schauspielchefs Wolfgang Heinz und Wolfgang Langhoff am Deutschen Theater in Ost-Berlin gelernt, wurde dann bald Regisseur am renommierten Maxim-Gorki-Theater. Er arbeitete dort erfolgreich mehr als zwanzig Jahre lang, inszenierte deutsche und deutschsprachige Erstaufführungen, Uraufführungen, u.a. auch von Peter Hacks, machte nebenbei Fernsehfilme. 1980 bekam er den Kunstpreis der DDR. Bereits im DDR-Theaterlexikon des Henschelverlags von1978 findet sich ein ausführlicher Eintrag voll des Lobes. Es gelinge dem jungen Regisseur, „ein poetisches Theater mit klarer politischer Aussage“ zu realisieren.
Wolfram Krempel engagierte Theaterlegenden aus der DDR
Ab 1984 inszenierte Krempel als Gast mehrfach an den Städtischen Bühnen Augsburg, zuletzt 1990 Friedrich Wolfs „Beaumarchais“. 1991 wechselte er als Schauspieldirektor nach Bern, ehe er 1995 die Intendanz in Ingolstadt antrat. Da durfte man dann auch mal DDR-Theater-Legenden als Gäste bewundern: Friedo Solter, einen der prominentesten Regisseure und Schauspieler aus dem einstigen „Osten“ zum Beispiel, oder die große alte Mimin Manja Behrens, die als junge Schauspielerin in Berlin den Mut gehabt haben soll, den Avancen von Joseph Goebbels zu widerstehen. Und nun stand sie in zwei Spielzeiten im Alter von über 80 Jahren in Gastrollen auf der Bühne des Stadttheaters Ingolstadt. Glanzpunkte unter Krempels Intendanz waren immer wieder, wie könnte es anders sein, natürlich Inszenierungen von Brecht-Stücken.
Im Ruhestand lebte Wolfram Krempel mit Frau und Hund zurückgezogen und bescheiden im ländlichen Ingolstädter Ortsteil Etting. Erstaunlich für einen hochkultivierten Menschen, der die meiste Zeit seines Lebens mitten unter den Größen der Ost-Berliner Theaterszene des 20. Jahrhunderts verbracht hatte. Davon konnte er gestenreich erzählen. Aber dann fuhr er wieder gerne in sein Ferienhäuschen beim italienischen Lucca. Die Datsche im Berliner Osten hatte er schon lange vorher aufgegeben.
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