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Pop: The Chicks? Das bewegte Leben einer starken Frauenband

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The Chicks? Das bewegte Leben einer starken Frauenband

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    Weg mit dem „dummen Namen“: Natalie Maines, Martie Maguire und Emily Strayer sind jetzt nur noch The Chicks.
    Weg mit dem „dummen Namen“: Natalie Maines, Martie Maguire und Emily Strayer sind jetzt nur noch The Chicks.

    Wenn alte weiße Männer Country-Songs singen, werden sie gerne die „Good Old Boys“ genannt, die guten alten Jungs. Die bleiben mit ihrer konservativ-patriotischen, testosterongeschwängerten Weltsicht, die sie direkt aus dem 19. Jahrhundert herübergerettet haben, gerne unter sich. Deshalb gehörten die Dixie Chicks aus Texas mit ihrem früher so freundlichen Country Pop nie so richtig dazu – zumindest fühlten sich die drei Frauen immer irgendwie auf Abstand gehalten. Nicht zuletzt, weil sie höchst erfolgreiche Frauen sind.

    Jetzt verpassen sie all den Leuten, die gerne die Spalterflagge der Südstaaten schwenken, einen Tritt: Die Dixie Chicks haben ihren Namen geändert und zeigen das aller Welt laut und leuchtend auf dem Cover ihres neuen Albums „Gaslighter“. Sie heißen nun The Chicks. Das Dixie wurde fallengelassen, weil es ein Kosename für den amerikanischen Süden ist, dem auch immer eine verklärende Vor-Bürgerkriegs-Romantik anhängt. Doch das war die Zeit der Sklavenhaltergesellschaft. Also weg damit. Die Chicks wollten diesen „dummen Namen“, wie die Band in einem Interview mit der New York Times sagte, schon seit Jahren loswerden. Der Zeitpunkt nach dem gewaltsamen Tod von George Floyd und den daraufhin ausgebrochenen Anti-Rassismusdemonstrationen war günstig gewählt. Eine andere Band aus dem Country-Kosmos, Lady Antebellum, hatte das Momentum bereits genutzt, um sich einen neutraleren Namen zu geben: Lady A. Antebellum steht ebenfalls für den feudalen Vorkriegs-Süden.

    Sie schämen sich für Bush und wurden dafür gehasst

    Dass die Chicks den Dixie zum Teufel jagten, zeugt von einem deutlich gewachsenen Selbstbewusstsein, aber auch davon, was ihnen dieser konservative Süden angetan hat. Rückblende: Unter einem erlogenen Vorwand hatte Präsident George Bush 2003 einen Krieg gegen den Irak vom Zaun gebrochen. Kurz vor dem Einmarsch wagte es Leadsängerin Natalie Maines, auf offener Bühne in London folgenden Satz zu sagen: „Wir schämen uns, dass der Präsident der Vereinigten Staaten aus Texas ist.“

    Wenig später brach in der Heimat der drei ein Empörungstornado los, die konservative Volksseele kochte und die Hexenjagd begann. Die Platten der Band landeten auf dem Müll, Bulldozer zermalmten sie öffentlich, konservative Radiosender belegten Stücke der Chicks mit einem Bannfluch. Erschrocken entschuldigte sich die Sängerin zunächst. Doch irgendwann inmitten dieses Sturms, der auch mit Morddrohungen einherging, drückten die drei Frauen das Kreuz durch, nahmen das Kinn hoch und sagten sich: Jetzt erst recht. Sie gaben nicht klein bei, nahmen mit „Taking The Long Way“ eine starke und trotzige Platte auf – ein musikalischer Stinkefinger an ihre Kritiker, aber auch an Gegenden, „in denen es mehr Kirchen als Bäume gibt“, wie sie in „Lubbock Or Leave It“ singen. Sie wurden von einem Land, das mittlerweile gemerkt hatte, dass das Irak-Abenteuer ein Debakel war, mit schlechtem Gewissen rehabilitiert und mit Preisen überschüttet.

    Ein neues Album mit Feminismus und Scheidungskrieg

    Doch die Hexenjagd hatte Spuren hinterlassen. Welch absurdem Hass und welchen Anfeindungen die Band ausgesetzt war, hat sie in dem erschütternden Dokumentarfilm „Shut Up And Sing“ festgehalten, der 2006 hierzulande leider in den Kinos unterging. Die Frauen zogen sich zurück, um erst mal ihre Kinder zu erziehen.

    Jetzt, 14 Jahre nach „Taking The Long Way“, veröffentlichen Natalie Maines, Martie Maguire und Emily Strayer ein neues Album namens „Gaslighter“ (Columbia) – und das ist so zornig und widerspenstig wie keines zuvor. Auch jetzt geht es wieder um große Politik – in „March March“ etwa um Bürgerproteste gegen Rassismus, Klimawandel, Ignoranz und Ungerechtigkeit –, aber es dreht sich vor allem um Betrug und Trennungen. Natalie Maines hat einen schmutzigen Scheidungskrieg hinter sich, den sie in zornigen Texten und Liedern mit harschem Unterton verarbeitet. Der Titel „Gaslighter“ beschreibt einen bösen Manipulator. Gemeint ist damit wohl nicht Donald Trump, aber leiden können sie den natürlich nicht. „Gaslighter“ ist eine trotzige, kräftige Scheidungsplatte, die vor weiblichem Selbstbewusstsein strotzt. Konsequenterweise vollzieht die Band mit ihrem Namenswechsel auch die Scheidung vom alten Süden.

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