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Tag der Pressefreiheit: Wie unabhängig sind unsere Medien?

Tag der Pressefreiheit

Wie unabhängig sind unsere Medien?

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    Ein Ausschnitt aus dem Artikels 5 des Grundgesetzes auf einer Glasscheibe des Berliner Jakob-Kaiser-Hauses, das Büros des Bundestages beherbergt.
    Ein Ausschnitt aus dem Artikels 5 des Grundgesetzes auf einer Glasscheibe des Berliner Jakob-Kaiser-Hauses, das Büros des Bundestages beherbergt. Foto: Florian Kleinschmidt, dpa

    Die entscheidenden Herausforderungen für die Pressefreiheit in Deutschland sind anderer Natur als jene, die „Reporter ohne Grenzen“ in ihrer jährlichen Übersicht vor allem erfassen. Zwar habe es, so die Auswertung des Zeitraums zwischen Januar 2017 und März 2018, „wieder eine hohe Zahl an tätlichen Übergriffen, Drohungen und Einschüchterungsversuchen gegen Journalisten“ gegeben, „vor allem während der Proteste gegen den G20-Gipfel“, und zwar von Demonstranten wie von der Polizei. Zwar habe es mit Staatstrojanern, dem Netzwerkdurchsetzungs-, dem BND-Gesetz und der Vorratsdatenspeicherung auch staatliche Vorstöße zur stärkeren Überwachung gegeben – und zudem bliebe auch der Auskunftsanspruch der Bürger und Journalisten bei Behörden oft mangelhaft, würden unliebsame Reporter immer wieder ausgeschlossen, bei G20 und auch bei AfD-Veranstaltungen. Aber insgesamt wird

    Das weiterreichende Problem findet sich erst im letzten der sechs Analysepunkte und wird nur angeschnitten. Unter dem Titel: „Medien im Strukturwandel: weniger Vielfalt, versteckte Werbung“ wird aufgeführt, wie „vor dem Hintergrund weiter sinkender Auflagen und Anzeigenumsätze“ Redaktionen zusammengestrichen und zusammengelegt und Zeitungen ganz eingestellt werden. Und: „Einige Redaktionen weichen die Trennung von redaktionellen und kommerziellen Inhalten auf, was das Vertrauen in eine unabhängige Berichterstattung beschädigen kann. Dabei setzen sie etwa auf das sogenannte Native Advertising, bei dem werbende Texte in das Layout der Redaktion integriert werden und für den Leser kaum noch von journalistischer Berichterstattung zu unterscheiden sind.“

    Unter Druck durch die Konkurrenz im Internet

    Eigentlich öffnet sich hier das Problemfeld für die Unabhängigkeit erst. Mindestens vier Entwicklungen kommen zusammen. 1. Die Beschleunigung des Nachrichtengeschäftes durch die Konkurrenz im Internet, die bei durchschnittlich sinkender Belegschaft unweigerlich auf Kosten der Gründlichkeit gehen muss. 2. Die in eben dieser Klickkonkurrenz um Aufmerksamkeit zunehmende Fokussierung auf Emotionalisierung und Skandalisierung, die dem Anspruch der Seriosität auch in Printprodukten zusetzt. 3. Der Wandel der Mediennutzung, der eine stärkere Verlagerung ins Internet mit sich bringt, wo die Nutzer aber inmitten einer herrschenden Kostenloskultur für Inhalte noch kaum zu zahlen bereit sind und wo die einerseits wegen ihres Datenumgangs kritisch beäugten Netz-Konzerne andererseits doch zwangsläufig als Kanäle bedient werden müssen. 4. Die größere Abhängigkeit von noch verbliebenen klassischen Werbekunden, die eine unabhängige Berichterstattung erschweren kann.

    Das alles zusammengenommen erzeugt in der Breite und der Tiefe einen erheblichen Druck auf eine gesellschaftliche Institution, deren politische Unabhängigkeit ja als vierte Staatsgewalt laut Verfassung gewährt werden soll – die (abseits des öffentlich-rechtlichen Rundfunks) aber den zusehends härter werdenden (globalen) Marktmechanismen ausgesetzt sind. Wenn einst als Maxime des Journalismus gelten konnte, liefern zu müssen, was die Menschen als Bürger wissen sollten, so geht es inzwischen immer mehr um die Frage, was die Menschen als Kunden lesen wollen. Es geht also um Quoten.

    So wird unweigerlich zur Zukunftsfrage der sich noch als „Qualitätsmedien“ behaupten wollenden Produkte, wie groß noch die Zahl der Menschen ist, die an komplexen gesellschaftlichen Zusammenhängen mehr interessiert sind als am Klickkick der emotionalen Aufreger – und wie groß die Bereitschaft ist, dafür auch zu bezahlen. Denn zusammengestrichene und in einen immer noch schnelleren Wettlauf verwickelte Redaktionen können das nicht leisten. Andererseits werden sie im personalisierten News-Galopp gegen die Online-Dienste und sogenannten „sozialen Netzwerke“ mit noch so schlanken Strukturen wohl ohnehin in der Breite nicht bestehen. Mit dem Versuch, sich darauf zu beschränken, machen sich Medien also selbst überflüssig.

    Die Zahl der Verschwörungsgläubigen wächst

    Man kann das dann eben das Gesetz eines sich wandelndes Marktes nennen. Oder auch ein Problem für die Demokratie, das die „Reporter ohne Grenzen“ mit ihrem Befund nur streifen. Denn apropos Qualität: Was dabei bislang noch nicht berücksichtigt ist, ist die Frage der Alternative. Bereits heute wächst die Zahl der Menschen, die sogar Verschwörung wittern, wenn etwa die neuen Zahlen des Bundeskriminalamts nicht in ihr Weltbild passen, die sogenannten Massenmedien aber genau über diese berichten und diese bewerten. Die historisch belasteten Begriffe von „Systemmedien“ und „Lügenpresse“ haben nicht von ungefähr in den vergangenen Jahren Karriere gemacht.

    Wer alternative Nachrichten will, der findet sie jedenfalls längst, und sei es in russischen Propagandakanälen, weil deren Verlautbarungen ebenso den Darstellungen hiesiger Massenmedien widersprechen – als böten diese Medien nicht selbst ein breites Spektrum und auch auf vielfältige Weise kritische Distanz. Und der Nutzer wird diese alternativen Nachrichten sicher weiter und womöglich immer mehr finden. Wenn Medien aber meinen, den Niedergang zu verhindern durch die vielleicht quotensteigende Anbiederung an solche geschlossenen Weltbilder, machen sie sich als Vehikel des Politikverdrusses im demokratischen Sinne überflüssig.

    Auch die Frage, wie diese Unabhängigkeit zu wahren ist, wird also über die Pressefreiheit als wesentlicher Bestandteil einer intakten Demokratie in Deutschland mitbestimmen. Neben der Frage, und wie solide sie im Aufmerksamkeitswettlauf bleiben kann; wie unabhängig sie noch zu finanzieren sein wird.

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