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TV-Kritik: Tatort: Im Suchtdrama fehlt der letzte Tiefgang

TV-Kritik

Tatort: Im Suchtdrama fehlt der letzte Tiefgang

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    Der verheiratete Jörg Korsack (Christian Maria Göbel, links) flirtet im Tatort "Schön ist anders" auf dem Sommerfest der städtischen Verkehrsbetriebe in einer unbeobachteten Ecke heftig mit der Straßenbahnfahrerin Mandy Wachowiak (Susanne Bormann, rechts).
    Der verheiratete Jörg Korsack (Christian Maria Göbel, links) flirtet im Tatort "Schön ist anders" auf dem Sommerfest der städtischen Verkehrsbetriebe in einer unbeobachteten Ecke heftig mit der Straßenbahnfahrerin Mandy Wachowiak (Susanne Bormann, rechts).

    Der "Tatort" mit dem Leipziger Ermittlerteam wagt sich an ein schwieriges Thema: Sucht und Co-Abhängigkeit. Der Fall bietet sehr solide Unterhaltung, um rundum gelungen zu sein, gibt es ein paar Längen zu viel.

    Ein Mann wird tot im Kofferraum seines Wagens gefunden. Die Leipziger Kommissare Eva Saalfeld (Simone Thomalla) und Andreas Keppler (Jürgen Wuttke) suchen nach dem Mörder. Sie stoßen auf ein Geflecht aus undurchsichtigen Arbeitskollegen des Ermordeten, finden heraus, dass das Opfer ein notorischer Ehebrecher war und treffen auf eine Familie, die die Alkoholsucht der Mutter an den Rand des Zusammenbruchs gebracht hat.

    Der "Tatort - Schön ist anders" von Regisseurin Judith Kennel taucht ein in die Zusammenhänge von Alkoholsucht und anderen Abhängigkeiten. Zentrales Thema des Leipziger Tatorts ist die "Co-Abhängikeit". Darunter versteht man, dass ein Mensch versucht, einem Süchtigen dadurch zu helfen, dass er Ausreden erfindet und ihn verteidigt, so dass die Sucht nicht erkannt wird. Der Familienvater gehört zu dieser Gruppe, er will die Sucht seiner Frau und seines Sohnes vertuschen.

    Das spannende Thema hätte mit den Mordermittlungen ein schönes Stück Sonntagabend-Unterhaltung abgeben können. Das liegt auch an den Schauspielern und ihrer Fähigkeit, Sucht und Co-Abhängigkeit eindringlich, aber ohne die große Klischeekeule zu vermitteln.

    Leider verliert sich das Drehbuch bei der ganzen Geschichte etwas zu sehr im Detail. Ständig werden Erzählstränge losgetreten, die die Story zwar keinen Schritt weiterbringen, aber viel Zeit in Anspruch nehmen. Kepplers Flirt mit der jungen Italienerin oder der Besuch von Saalfelds Mutter gehören dazu. Regisseurin Kennel lässt es auf Kosten der Spannung menscheln.

    Interessant anzusehen dagegen die Rolle der großartigen Corinna Harfouch. Die Frau, die so von ihrem Ehemann abhängig ist, dass sie selbst ständige Seitensprünge toleriert, um nicht verlassen werden, thematisiert ein zweites Mal das Thema Co-Abhängigkeit. Durch den Tod der beiden Konkurrentinnen um die Gunst des untreuen Ehemanns probiert die Regisseurin eine andere Form aus, den Zusammenbruch einer Suchtwelt zu demonstrieren. Bei der Familie beendet der Mord und die Festnahme des Vaters als Mittäter die Geschichte und zerstört die Fassade der "heilen Familie".

    Diese gelungenen Passagen und Bilder, die die Regisseurin anbietet, kann die Längen in der Geschichte insgesamt leider nicht übertünchen. "Schön ist anders" - dieser Titel ist Programm. Schlecht ist allerdings auch anders. Von Adrian Bauer

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