Mit einer Pistole in jeder Hand tritt er aus der Deckung heraus. „Ich bin Captain John Brown und ich bin hier im Namen des großen Erlösers, dem König der Könige“ brüllt er, während sein Gesicht vor Wut puterrot anläuft. Als wäre er der personifizierte Zorn Gottes, schmettert er den Feinden Bibelverse entgegen, bevor er das Feuer eröffnet. Kein Zweifel, dieser Mann fühlt sich berufen. Seine Mission ist es, Amerika von der Sklaverei zu befreien.
John Brown (1800–1859) war einer der wenigen Weißen, die schon vor Beginn des amerikanischen Bürgerkrieges mit Waffengewalt gegen die Sklaverei ins Feld zogen. Mit einer kleinen Truppe reiste der militante Abolitionist durch Kansas, um Sklaven zu befreien, und stürmte schließlich 1859 in Harpers Ferry, Virginia, ein Waffenlager der Armee.
Die HBO-Serie „The Good Lord Bird“ (ab 6. November auf Sky) nimmt sich nun der umstrittenen Rebellenfigur an, macht jedoch den 16-jährigen Sklaven Henry (Joshua Caleb Johnson) zum Zentrum der Erzählung, der nach dem Tod seines Vaters Brown begleitet. Als unschuldiger Beobachter treibt Henry durch das Ante-Bellum-Amerika, wird Zeuge einer Lynchjustiz gegen eine schwarze Rädelsführerin, lernt im Norden den charismatischen Prediger Frederick Douglass (Daveed Diggs) und in Kanada schließlich auch die legendäre Sklavenbefreierin Harriet Tubman (Zainab Jah) kennen, die Browns militante Bestrebungen unterstützt.
Ethan Hawke lässt den Mann in seinem religiösen Wahn manchmal komplett irre erscheinen
Die Erzählperspektive des schwarzen Jungen, der auf Browns gewalttätigen Aktionismus mit widerstrebenden Emotionen reagiert, verhindert, dass der exzentrische Rebellenführer zum Klischee des „weißen Retters“ stilisiert wird. Ethan Hawk, der im besten Nick-Nolte-Modus agiert, lässt den Mann in seinem religiösen Wahn manchmal komplett irre erscheinen. Aber in seinen klaren Momenten leuchtet der bizarre Rädelsführer als mora-lisches Gewissen eines bigotten Amerikas auf, das mit der Sklaverei seine eigentlichen Ideale verraten hat.
Anders als geradlinige Kinoproduktionen wie zuletzt „Harriet“ steuert „The Good Lord Bird“ nach dem Roman von John McBride sein Thema pathosfrei an. Den Ton der Erzählung kann man sich als Mischung zwischen Huckleberry Finn und „True Grit“ von den Gebrüdern Coen vorstellen. Mit skurrilem Humor wirft sich die Serie in chaotische Zustände am Vorabend des amerikanischen Bürgerkrieges, entwickelt einen scharfen Blick für die grundverschiedene Wirklichkeitswahrnehmung weißer und schwarzer Abolitionisten und zeigt ungeschönt die enorme moralische Verrohung der Sklavenhalter-Gesellschaft, die sich ihre Privilegien nur mit brutaler Gewalt entreißen lässt.
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