Für eine dreistellige Millionensumme wurde Produzentin Shonda Rhimes 2017 von Netflix angeworben. 15 Jahre lang hatte Rhimes für den TV-Sender ABC mit "Grey’s Anatomy", "Scandal", "How to Get Away with Murder" und "Private Practice" Seriengeschichte geschrieben. Nun hat sie mit "Bridgerton" ihre erste Netflix-Produktion auf die Beine gestellt.
Die junge Bridgerton muss unter die Haube
Im Zentrum steht die gleichnamige Adelsfamilie im London der Regency-Ära, deren älteste Tochter Daphne (Phoebe Dynevor), wie es so schön heißt, "in die Gesellschaft eingeführt wird". Es ist Ballsaison in London, die Debütantinnen der englischen High Society sollen unter die Haube gebracht werden. Für die jungen Frauen ist der Hochzeitsmarkt der Schlüssel zu Glück und Wohlstand. Die Erwartungen sind groß und die Angst, als Mauerblümchen am Ende der Saison leer auszugehen, noch größer. Eine unbekannte Autorin, deren Stimme die Erzählung aus dem Off sarkastisch begleitet, bringt unter dem Pseudonym Lady Whistledown eine Gossip-Zeitung heraus, die zu den beliebtesten Lektüren des Adels gehört. Jede Herzensanbahnung wird hier kommentiert, jeder Skandal lustvoll aufgedeckt.
An romantischen Verwicklungen und anstößigen Ereignissen besteht im Verlauf der acht Folgen kein Mangel. Denn auch wenn sich "Bridgerton" nach der Romanfolge von Julia Quinn eines klassischen Jane-Austen-Settings bedient, ist die Serie nicht als gediegenes Kostümdrama angelegt. Hinter den Kulissen der Hautevolee geht es durchaus deftig zu. Unstandesgemäße Affären, mondäne Hinterzimmer-Orgien, vorehelicher Sex mit prekären Folgen und überhaupt eine für das Genre überproportional hohe Beischlafdichte verleihen der Serie ihren schaulustigen Drive. Die Whodunit- Nebengeschichte um die anonyme Klatschkolumnistin sorgt für kriminalistische Spekulationen. Und die Hü-und-Hott-Romanze zwischen Daphne und dem superschmucken, aber zeugungsunwilligen Herzog Simon Basset (Regé-Jean Page) generiert auf reichhaltige Weise Euphorie und Herzschmerz.
Im Sog der Unterhaltsamkeit
Dazu kommt ein Multikulti-Ensemble, in dem Menschen verschiedener Hautfarbe in Haupt- und Nebenrollen agieren, sodass auf historische Akkuratesse zugunsten einer angesagten Diversität verzichtet wird. Das Konzept der "Farbenblindheit" funktioniert im seriellen Format: Schon nach wenigen Folgen verschwindet die anfängliche Irritation und die Hautfarbe als Kriterium. Denn auch wenn dieses Kostümfilm-Update an manchen Stellen hoffnungslos übersteuert wirkt und die romantische Kerngeschichte zwischenzeitlich schwächelt, kann man sich dem Sog der dreisten Unterhaltsamkeit nicht entziehen. Die zweite Staffel ist bereits angekündigt.
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