Dieser Filmstart hat seine ersten Schlagzeilen, noch bevor er tatsächlich geschieht. Sacha Baron Cohen hat mit der Fortsetzung seines Borat-Films Trumps Anwalt Rudolph Giuliani mit kompromittierendem Filmmaterial in Bedrängnis gebracht und alle Welt hat schon einmal berichtet, unter anderem auch diese Zeitung.
Was also noch schreiben, wenn das Finale dieses Borat-Films mehr oder weniger bekannt ist? Über die anderen 85 Minuten des Films, der an diesem Wochenende auf Amazon Prime kurz vor der amerikanischen Präsidentschaftswahl anlief. 14 Jahre ist es her, dass Cohen sein Alter Ego „Borat“ das erste Mal losgeschickt hat. Der englische Comedian mit den jüdischen Wurzeln gab sich damals als kasachischer Reporter aus, der mit seinen chauvinistischen und antisemitischen Ansichten das Publikum schockte und zum Lachen brachte. Die Humor-Methode von damals war so einfach wie brachial: Mit mehr oder weniger versteckter Kamera konfrontierte Borat Durchschnitts-Amerikaner mit frauen- und judenfeindlichen Ansichten und stellte sie dadurch oft genug bloß.
Borat brachte einem bei, was fremdschämen bedeutet
Dann war „Borat – Kulturelle Lernung von Amerika, um Benefiz für glorreiche Nation von Kasachstan zu machen“, so lautet der Originaltitel von 2006, ein Film, der einem buchstäblich beibrachte, was fremdschämen bedeutete. Wenn Borat mit seiner modetechnischen Revolution, dem Mankini, posierte, fiel hinschauen schwer. Fast unmöglich wurde es, wenn er bei einer amerikanischen Mittelklasse-Familie von der Toilette kam und in die große versammelte Kaffeekränzchen-Runde hinein fragte, wohin er nun sein Geschäft entsorgen solle, das er allen eingepackt in eine Stoffserviette präsentierte – Fäkalhumor von seiner derbsten Sorte.
Sacha Baron Cohen ist auch in der Fortsetzung „Borat Anschluss Moviefilm“ darauf bedacht, das Niveau seiner Gags im Zweifelsfall lieber auf der Ebene von Körperöffnungen zu belassen und sie nicht zu stark in Richtung Intellekt zu bewegen. Wobei sofort auffällt, dass dem zweiten Teil von Borat die unbeschwerte Leichtigkeit des ersten Mals fehlt. Es gibt jetzt eine Rahmenhandlung. Man sieht Borat als Sträfling im Steinbruch, weil er mit seinem ersten Film Schande über Kasachstan gebracht hat. Er kann sich bewähren, indem er die Beziehungen zwischen den USA und Kasachstan verbessert, man möchte dem starken Mann in den USA ein Geschenk machen, das er nicht ablehnen kann. Dieses Geschenk soll Borats Tochter Tutar sein, gespielt von der wunderbaren und Cohen ebenbürtigen Maria Bakalova.
Kunstfigur Borat muss sich verkleiden, um nicht erkannt zu werden
Gleich zu Beginn bei den ersten Szenen in den USA wird auch deutlich, was sich geändert hat: Borat wird mit seinem Schnauzer und in seinem Billiganzug auf der Straße erkannt. Einfach loslegen und schauen, wie alle reagieren, funktioniert nicht mehr. Also muss sich die Kunstfigur verkleiden, um wieder voll im Spiel mit der Realität zu sein.
Allerdings haben die USA sich in den vierzehn Jahren weiterentwickelt. Die Kamera einfach draufhalten, auch wenn es noch so sehr schmerzt, das ist im Zeitalter von Youtube, Instagram und Co. zum Standard geworden. Heimlich gemachte Aufnahmen braucht es nicht mehr, weil die Kamera sowieso überall mitläuft, selbst wenn haarsträubendste Verschwörungstheorien geäußert werden. Wenn Borat mit einem Kissen unter dem Blaumann und mit Farmer-Zauselbart sich eine Torte mit einem antisemitischen Spruch verzieren lässt und die Tortenverkäuferin das ohne mit der Wimper zu zucken auf die Torte schreibt, dann merkt man: 2020 ist man im Trump-Land mittlerweile alles gewöhnt.
Außerdem zielt der neue Borat-Film viel stärker auf die Politik in den USA. Einmal stört Borat in einer Donald-Trump-Verkleidung eine Rede von Vizepräsident Mike Pence vor Republikanern in Maryland und wird von der Security abgeführt. Ein anderes Mal tritt er als Spontansänger auf einer Corona-Gegner-Demo an und bringt die Menge dazu, Obama übel zu beleidigen, zum Schluss gelingt es ihm und seiner Partnerin Maria Bakalova, New Yorks ehemaligen Bürgermeister und heutigen Trump-Rechtsberater Rudolph Giuliani zu kompromittieren.
Was sagt der Borat-Film über die USA aus?
Die Idee von Sacha Baron Cohens Brachialhumor hat ja in solchen Momenten auch eine aufklärerische Seite: Durch Übertreibung auf offensichtliche Missstände deutlich machen, durch Grenzübertretung Menschen dazu zu bringen, ebenfalls die Grenze zu übertreten. Was wiederum vor Augen führt, wie leicht Menschen dazu gebracht werden können, antisemitische und frauenfeindliche Sprüche zu dulden oder sogar ebenfalls gut zu heißen. Wenn die beiden Corona-Leugner und Verschwörungstheoretiker, die Borat in der Zeit des amerikanischen Lockdowns bei sich aufnehmen, ihm erklären, dass Frauen selbstständig denken können, dass sie in den USA auch arbeiten und Auto fahren dürfen, hat das sogar etwas Anrührendes.
Allerdings stellt sich in dem Film natürlich auch die Frage, für wen das gedreht worden ist und was das jetzt über die USA aussagen soll? Sind in den USA wirklich nur die Republikaner und die Corona-Leugner das Problem? Muss und kann man nur sie vorführen? Und wird der Film jetzt, so kurz vor der Wahl, irgendwen, der die Republikaner wählen wollte, davon abhalten? Da wirkt „Borat Anschluss Moviefilm“ dann doch zu eng an ein Ereignis und die Parteipolitik herangeführt, wirkt der Humor selbst nicht nur entlarvend, sondern gleichzeitig auch parteiisch.
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