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Sodom und Gomorrha: Dietls Film "Zettl": Nur halb so komisch

Sodom und Gomorrha

Dietls Film "Zettl": Nur halb so komisch

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    Eigentlich wollte Helmut Dietl seinen altgedienten Helden Baby Schimmerlos wiederauferstehen lassen, mit dem er in der TV-Serie „Kir Royal“ während der 80er seinen Ruhm als wichtigster deutscher Komödienregisseur gründete. Da in München nichts mehr los ist, sollte der Klatschreporter aus Schwabing nach Berlin ins Herzen der neuen Republik transferiert werden.

    Aber dann stieg Hauptdarsteller Franz Xaver Kroetz aus dem Projekt aus, weil der neue Schimmerlos, den Dietl und sein Co-Drehbuchautor Benjamin von Stuckrad-Barre entworfen hatten, „zu wenig Menschenliebe, zu viel Arroganz und zu wenig Herz“ besäße. Das Drehbuch musste umgeschrieben werden und Michael Bully Herbig sich als alleinige Hauptfigur Zettl durch die Berliner Republik schlawinern. Eigentlich ist dieser Zettl nur ein gewöhnlicher Chauffeur, der sich ganz tief bückt, wenn er der prominenten Kundschaft die Wagentür aufhält – und dabei die Hoffnung hegt, dass sich durch seine Beziehungen auch für ihn einmal die Tore zu Macht und Ruhm öffnen. Die Chance zum sozialen Aufstieg bietet sich, als der Schweizer Medienmogul Urs Doucier (Ulrich Tukur) ihm aus einer Laune heraus die Leitung des neuen Online-Magazins The Berliner anvertraut, das sich auf den Klatsch und Tratsch hinter den bundespolitischen Kulissen einschießen soll.

    Die Geschlechtsumwandlung der Kanzlerkandidatin

    Nur die Berliner Oberbürgermeisterin und mögliche Kanzlernachfolgerin Veronique von Gutzow (Dagmar Manzel), in die Doucier hoffnungslos verschossen ist, soll unangreifbar bleiben. Dabei findet Zettl bald heraus, dass die Regierende eigentlich ein Regierender ist und sich für die bundespolitische Karriere einer Geschlechtsumwandlung unterzieht. Derweil ist der Altkanzler (Götz George), der bei seiner Geliebten (Karoline Herfurth) Zuflucht sucht, in den letzten Zügen und wird nach seinem Ableben erst einmal auf Eis gelegt, bis die Fäden der Macht neu verlegt sind.

    Debile Bundeskanzler, transsexuelle Oberbürgermeisterinnen, notgeile Ministerpräsidenten, alkoholsüchtige TV-Moderatorinnen – Helmut Dietl zeichnet das Leben hinter den Kulissen der Berliner Republik als ein Sodom und Gomorrha aus Sex, Macht und Korruption. Der richtige Film zur richtigen Zeit, könnte man angesichts der Affäre Wulff denken. Aber leider ist Dietls ornamentales Sittengemälde nicht einmal halb so komisch, wie es sein möchte, weil es zwar mit breitbeiniger Attitüde daherkommt, ihm aber im politischen Detail der satirische Biss fehlt.

    Etwas schwerfällig segelt „Zettl“ auf der Welle populistischer Politikverdrossenheit und entwirft ein Regierungs-Horrorkabinett, das sich aus billigen Figurenklischees speist und auch von dem hochkarätigen Ensemble nicht aus seiner schrillen Profanität befreit werden kann. Besonders enervierend sind die dick aufgetragenen Dialekte, mit denen sich etwa Harald Schmidt als schwäbelnder Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern oder die ansonsten hochgeschätzte Dagmar Manzel als Oberbürgermeisterin mit Berliner Schnauze durch den Film schwadronieren.

    Immerhin überzeugt Michael Bully Herbig als Mann ohne moralische Eigenschaften, der sich nett, freundlich und skrupellos den Weg nach oben bahnt. Dennoch: Von einem erfahrenen Komödienregisseur wie Dietl und einem profunden Analysten der politischen Gegenwart wie Co-Drehbuchautor Stuckrad-Barre hätte man deutlich mehr satirische Substanz und Brisanz erwartet. **

    Filmstart in vielen Kinos in der Region

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