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Schach mit zwei Königinnen

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Schach mit zwei Königinnen

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    Ein zusammengekauertes Bündel im Lichtkegel

    Der Vorhang hebt sich, die andere Frau, Maria Stuart, liegt barfuß und zusammengekauert wie ein Bündel zwischen Bauzäunen und Paletten. Der über die karge, fast leere Bühne kreisende Lichtkegel eines Suchscheinwerfers erfasst sie - eine Verlassene in Gefangenschaft.

    Eine "Siegerin", eine Triumphierende gar, wird es am Ende nicht geben. Maria stirbt unter dem Beil des Henkers. Und Elisabeth sehen wir im Schlussbild einsam, verlassen, eine gebrochene Frau unter der Bürde ihrer Schuld. Dazwischen: Von einem starken Ensemble getragene drei Stunden Theaterkunst, die klug sich auf das Wesentliche beschränkt, nie überladen daherkommt und gleichwohl bildmächtig zu überzeugen versteht. So, wenn sich eine tiefe Kluft auftut, da Elisabeth das Todesurteil unterzeichnet - in dieses Loch sinkt Maria, mit sich im Reinen, in den Tod. Das Schafott ist wie Elisabeths Thron geschnitzt: ein Stapel Holzpaletten.

    Augsburgs Schauspieldirektor Markus Trabusch inszeniert das Stück in einem zeitlosen Raum, einer Art Rohbau. Nichts gibt hier Halt, es fehlen fest gefügte Sicherheiten. Die düstere, an eine Tiefgarage, einen Tunnel oder eine Unterführung erinnernde Bühne (Bernhard Kleber) wird zum Schachbrett. Darauf entfaltet sich zwischen den Königinnen als gegensätzlichen Polen Schillers Strategie-Spiel um Herrschsucht, Gerechtigkeit, Gefühle, Macht. Verloren und auf sich gestellt, wie ausgelieferte Figuren in einer Schachpartie, erscheinen all die Grafen und Gesandten, Ritter, Lords und Großschatzmeister, die als Intriganten, Eiferer, Falschspieler, Opportunisten, Einflüsterer und Ergebene die Frauen umstellen, umgarnen, täuschen.

    Graue Anzugmänner in einer Art Dauerkonferenz-Runde

    Graue Anzugmänner (großartig: Eberhard Peiker, Martin Herrmann, Klaus Müller) sind und bleiben sie, eine Art Dauerkonferenz-Runde, während Elisabeth (Ute Fiedler, mit feuerrotem Haar) und Maria (Franziska Arndt) Punktsieg und Niederlage, Verzweiflung und Hoffnung, Hochmut und Stolz in einem raffiniert einfachen, aber wirkungsvollen Kleiderwechsel durchleben (Kostüme: Werner Fritz). Gegenläufigkeit: Maria, anfangs schlicht im T-Shirt, steht am Ende in Königsrobe auf dem Schafott. Elisabeth, zunächst gewandet als prächtige Herrscherin, streift erschöpft die High Heels ab.

    Franziska Arndt spielt die Maria Stuart als eine temperamentvolle, selbstbewusste und stolze Frau, die sich immer wieder aus Mutlosigkeit befreit und um die Würde ihres Lebens kämpft. Messerscharf argumentiert sie im Disput um die völkerrechtliche Legitimation ihrer Gefangenschaft und des drohenden Todesurteils, den sie mit Burleigh (gnadenlos präzise: Michael Stange), dem Hardliner aus Elisabeths Männerkabinett, führt. Ausgelassen schaukelt sie im Park, wo sie den Geschmack von trügerischer Freiheit genießt. Und in der direkten Konfrontation mit Elisabeth erhebt sie sich aus falscher Demut und befreit sich mit furioser Bastard-Rede. Ute Fiedlers Elisabeth erscheint zunächst als eine machtbewusste und raffinierte Herrscherin, die die Fäden in der Hand hält. Großartig, wie sie hochmütig ihren französischen Heiratswerber Graf Aubespine (Anton Koelbl) demütigt und auf Distanz hält und kurz darauf mühelos in kichernde Koketterie verfallen kann, wenn sie mit Mortimer spielt (etwas harmlos: Alexander Koll) - und dabei das Korsett ihres Amtes abwirft wie eine Fessel. Diese Königin leidet an ihrer Rolle, ist hin- und hergerissen zwischen Disziplin und Verletzlichkeit.

    Markus Trabusch verzichtet auf Aktualisierungsverrenkungen, aufgesetzte Bedeutungstupfer und schmückende Effekte. Seine vor allem im ersten Teil statische Form der Personenführung ist konsequent, denn diese Augsburger Inszenierung stellt sich überzeugend in den Dienst der Sprache des Dichters. Der Text spielt die Hauptrolle. "Fahr hin, lammherzige Gelassenheit. Zum Himmel fliehe, leidende Geduld, spreng endlich deine Bande, tritt hervor aus deiner Höhle, langverhaltner Groll."

    Schiller pur soll es sein, ungeglättet, oft deklamierend vorgetragen, frontal zum Publikum, ohne dass die Schauspieler dabei in die Pathos-Falle tappen. Sie sehen aneinander vorbei, sie sprechen via Publikum zueinander.

    Regiekonzept der Reduktion: Verzicht auf alles Überflüssige

    Im Regiekonzept der Reduktion und Klarheit, die auf alles Überflüssige, auf schmückendes Beiwerk verzichtet, funkelt die Sprache im Vordergrund. Das entfaltet Sogwirkung, erfordert aber auch Konzentration vom Publikum. Am Text wurde zwar erheblich gekürzt, den Ränkespielen auf der Bühne kann man aber gut folgen (Dramaturgie: Intendantin Juliane Votteler).

    Starker Applaus für ein hervorragendes Ensemble und einen bemerkenswerten Augsburg-Beitrag zum Schillerjahr. Jubel für zwei Königinnen.

    Nächste Vorstellungen im Großen Haus: 25., 26., 29. März, 1., 3. 5. April

    Bei uns im Internet

    Bilder und Meinungen zum Stück unter

    augsburger-allgemeine.de/theater

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