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Reaktionen: Deutschland trauert um Marcel Reich-Ranicki

Reaktionen

Deutschland trauert um Marcel Reich-Ranicki

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    Marcel Reich-Ranicki 2010 in Frankfurt am Main.
    Marcel Reich-Ranicki 2010 in Frankfurt am Main. Foto: Frank Rumpenhorst (dpa)

    Der berühmte Kritiker und Intellektuelle, der über Jahrzehnte hinweg die literarischen Debatten der Nachkriegszeit prägte, starb am Mittwoch im Alter von 93 Jahren nach längerer Krankheit in Frankfurt.

    "Permanenter Protest gegen Langeweile und Mittelmaß"

    Politiker aller im Bundestag vertretenen Parteien sowie Schriftsteller reagierten mit großer Bestürzung auf die Nachricht. "Er, den die Deutschen einst aus ihrer Mitte vertrieben haben und vernichten wollten, besaß die Größe, ihnen nach der Barbarei neue Zugänge zu ihrer Kultur zu eröffnen", erklärte Bundespräsident Joachim Gauck. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) würdigte Reich-Ranicki als "unvergleichlichen Freund der Literatur, aber ebenso der Freiheit und der Demokratie".

    Der scharfzüngige "MRR", der in Polen als Sohn einer jüdischen Familie geboren wurde, wuchs in Berlin auf. Zusammen mit seiner Frau überlebte er das Warschauer Ghetto und kehrte 1958 nach Deutschland zurück. Die letzten Wochen vor seinem Tod hatte der sehr gebrechliche Reich-Ranicki in einem Frankfurter Wohnstift verbracht. Er lag zuvor mit einer Lungenentzündung im Krankenhaus.

    "FAZ"-Mitherausgeber Frank Schirrmacher hatte den 93-Jährigen am Mittwoch noch gesehen: "Um 14 Uhr hatte ich ihn noch besucht. Sein Sohn Andrew war an seinem Bett im Pflegeheim, wo er seit Tagen, seit Wochen war. Marcel Reich-Ranicki erkannte einen", schrieb Schirrmacher in seinem Nachruf auf der Internetseite der "FAZ". "Er war ein permanenter Protest gegen Langeweile und Mittelmaß. Niemand vermochte einer ganzen Gesellschaft die Bedeutung von Literatur so zu vermitteln wie er."

    Das war Marcel Reich-Ranicki

    Marcel Reich-Ranicki wurde am 2. Juni 1920 in Wloclawek an der Weichsel in Polen als Sohn einer jüdischen Familie geboren.

    Sein Vater David war Kaufmann und polnischer Jude, seine Mutter Helene war deutsche Jüdin.

    Reich ging 1929 nach dem Konkurs der väterlichen Fabrik mit der Familie nach Berlin.

    Nach dem Abitur wurde Marcel Reich-Ranicki 1938 nach Polen ausgewiesen.

    Aus dem Warschauer Ghetto konnte er 1943 zusammen mit seiner Frau Teofila («Tosia») fliehen.

    Beide überlebten den Holocaust im Untergrund.

    Nach dem Krieg war «MRR» Mitglied des polnischen Geheimdienstes und zeitweise polnischer Generalkonsul in London, wo er auch den Namen «Ranicki» zusätzlich annahm.

    Er kehrte im Herbst 1949 nach Warschau zurück. Wenig später wurde er aus der Kommunistischen Partei wegen «ideologischer Fremdheit» ausgeschlossen.

    Im Jahr 1958 ließ sich Reich-Ranicki für immer in Deutschland nieder. In Hamburg war er von 1960 an Literaturkritiker der Wochenzeitung «Die Zeit».

    1973 ging er mit Joachim Fest zur «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» und leitete dort bis 1988 die Literatur-Redaktion.

    Bis zuletzt arbeitete er jedoch weiter für die «FAZ» als Kritiker und Redakteur der «Frankfurter Anthologie».

    Mit seiner um wenige Monate älteren Frau «Tosia», die ihren Mann im Warschauer Ghetto kennenlernte, war «MRR» rund sieben Jahrzehnte verheiratet.

    Das Paar lebte seit mehr als 30 Jahren in Frankfurt. Der Tod seiner Frau im April 2011 war ein schwerer Schlag für Reich-Ranicki.

    Der einzige Sohn des Paares Andrew lehrt Mathematik an der Universität Edinburgh in Schottland.

    Marcel Reich-Ranicki prägte als Kritiker und Intellektueller die literarischen Debatten der Nachkriegszeit.

    Seine Autobiografie mit der Schilderung der Flucht aus dem Warschauer Ghetto wurde zum Bestseller.

    Marcel Reich-Ranicki starb am 18. September 2013 im Alter von 93 Jahren nach längerer Krankheit in Frankfurt.

    Er sei vielmehr als ein Literatur-Kritiker gewesen, würdigte ihn Schirrmacher. "Das ist jemand gewesen, der nach diesen Schrecken, die er erlebt hat, der Verfolgung, der Vernichtung seiner Familie, des völligen moralischen Kollaps der Deutschen zurück kam und an die Kultur glaubte."

     Im März diesen Jahres hatte der seit längerem angeschlagene Literaturkritiker seine Krebserkrankung öffentlich gemacht. Seine Frau Teofila starb bereits im April 2011 im Alter von 91 Jahren.

    Karasek bezeichnet seinen Freund als "genial"

    Einem Millionenpublikum wurde der Kritiker mit der ZDF-Sendung "Das Literarische Quartett" bekannt, die er seit 1988 fast 14 Jahre lang moderierte. Kollege Hellmuth Karasek bezeichnete seinen Freund als "genial". Die Autorin Ulla Hahn sah in ihm einen "Weltbürger". Er habe "uns die alles überstrahlende Macht großer Literatur vorgeführt", schrieb auf der Internetseite der "FAZ".

    Legendär wurden seine öffentliche Kontroversen mit prominenten Schriftstellern wie Günter Grass oder Martin Walser. Seine Autobiografie "Mein Leben" wurde zum Bestseller. Reich-Ranicki, der unter den Nazis nicht studieren durfte, erhielt für seine Arbeit zahlreiche Ehrungen und neun Ehrendoktorwürden - zuletzt von der Humboldt-Universität Berlin und der Universität Tel Aviv.

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