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Porträt: Schlöndorff und der Klimawandel

Porträt

Schlöndorff und der Klimawandel

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    Die Filmszene mit dem Pferdekopf hat so manchem das Aalessen verdorben. Das Brausepulver im Bauchnabel? Provoziert noch heute. Ganz zu schweigen von dem, was unter dem Rock auf einem Kartoffelacker passiert. Mit seiner Verfilmung von „Die Blechtrommel“ hat Volker Schlöndorff Kinogeschichte geschrieben. An diesem Sonntag wird der Regisseur 80 Jahre alt.

    Fragt man ihn, warum er so viele Literaturverfilmungen drehte, gibt er eine eindeutige Antwort. „Sie sehen ja, ich liebe Bücher“, sagt Schlöndorff. Er sitzt in seinem Haus an der Stadtgrenze von Potsdam zu Berlin. Der Boden ist aus hellem Holz und die Fenster seines Arbeitszimmers führen zum Griebnitzsee hinaus. Im Regal stehen Bände über deutsche Geschichte und Reiseführer – von Äthiopien bis Kasachstan. Schlöndorff trägt Kapuzenjacke und eine Brille mit durchsichtigem Gestell. So sehen auch Mittzwanziger in

    Er inszenierte Hollywoodgrößen wie Dustin Hoffman und John Malkovich im „Tod eines Handlungsreisenden“. Er nahm sich Heinrich Bölls Erzählung „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ vor. Und verfilmte mit Julie Delpy „Homo Faber“ von Max Frisch. Der Autor schenkte ihm später seinen Jaguar.

    Aber sein wohl größter Erfolg ist die Verfilmung von Günter Grass’ Roman „Die Blechtrommel“. Ein Film, der in seiner Skurrilität und seinem politischen Erklärungsgehalt auch 40 Jahre später noch Wucht besitzt. Schlöndorff hat als bisher einziger deutscher Regisseur damit sowohl eine Goldene Palme in Cannes als auch einen Oscar in den USA gewonnen.

    Wenn man Schlöndorff fragt, was er gerade liest, nimmt er seinen E-Reader in die Hand. Neben Montaigne – dem Alter entsprechend – habe ihn zuletzt noch mal „After the Fall“ von Arthur Miller über dessen Trennung von Marilyn Monroe gereizt. Auch habe er „American Pastoral“ von Philip Roth gelesen, ein Buch über Afrika und Bestseller des Sachbuchautors Yuval Noah Harari. Dazu den Roman „Unterleuten“ von Juli Zeh, den er auf Reisen in

    Mehrere Wochen war er mit dem Agrarwissenschaftler Tony Rinaudo in Mali, Niger und Ghana unterwegs gewesen. Denn er plane einen Dokumentarfilm über diesen Australier, der mit einer besonderen Methode ausgetrocknete Gebiete wieder aufforstet. Der Klimawandel ist eines der Themen, die Schlöndorff gerade besonders beschäftigen. Er referiert Fakten und erzählt von dem afrikanischen Aufforstungsprojekt.

    Dass Schlöndorff mal zum Film gehen würde, war nicht absehbar gewesen. Geboren wird er 1939 in Wiesbaden. Der Vater arbeitet als Arzt. Die Mutter stirbt, als sich beim Erhitzen von Bohnerwachs ein Feuer entzündet. Er erinnere sich nur, wie er damals gegen die Tür des Kinderzimmers getrommelt habe, hinter der sich so Schreckliches ereignete, schreibt Schlöndorff in seiner Autobiografie. Noch Jahrzehnte später habe er in der „Blechtrommel“ den verzweifelten Oskar Matzerath ebenso vergeblich an die Tür schlagen lassen, hinter der seine Mutter an Fischvergiftung starb – so Schlöndorff.

    Er wächst in Schlangenbad im Taunus auf, kommt als Schüler nach Frankreich und bleibt dort viele Jahre – auch als Regieassistent von Louis Malle, Alain Resnais und Jean-Pierre Melville. Später arbeitet er auch mit der Schauspielerin und Regisseurin Margarethe von Trotta, seiner ersten Ehefrau.

    Gibt es einen Roman, den er noch verfilmen wolle? Darauf habe er keine Antwort, sagt Volker Schlöndorff. Im Augenblick drehe er den Dokumentarfilm. Es sei nicht so, dass ihm die Lust an der Literatur fehle, sagt Schlöndorff. Aber er glaube, dass sich das Publikum verändert habe, vor allem das junge Publikum. Früher habe er hauptsächlich für seine Generation gearbeitet – die heute aber nicht mehr ins Kino gehe. Bei einem Dokumentarfilm aber habe er das Gefühl, dass das Alter des Publikums keine Rolle spiele. Julia Kilian, dpa

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