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Porträt: Feine Sahne Fischfilet: Die Aufreger-Band der Stunde

Porträt

Feine Sahne Fischfilet: Die Aufreger-Band der Stunde

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    Sänger Jan „Monchi“ Gorkow und Gitarrist Christoph Sell.
    Sänger Jan „Monchi“ Gorkow und Gitarrist Christoph Sell. Foto: Danny Gohlke, dpa

    Für Feine Sahne Fischfilet läuft es 2018 richtig gut. „Wir haben die Zeit unseres Lebens“, sagt Sänger Jan „Monchi“ Gorkow. Das fünfte Album „Sturm und Dreck“ landete im Januar auf Platz drei der Charts. Im April erschien der preisgekrönte Dokumentarfilm „Wildes Herz“. Ansonsten: ausverkaufte Tourneen, Riesenkonzerte als Vorgruppe der Toten Hosen – und im September #Wirsindmehr in Chemnitz, das Konzert gegen Rassismus in vier Tagen mit befreundeten Musikern auf die Beine gestellt.

    Nun sollte es ruhiger werden, Urlaub vor dem Start ihrer bislang größten Tour. Aber dann die Absage für ein geplantes ZDF-Konzert im Bauhaus Dessau, und plötzlich stehen Feine Sahne Fischfilet im Fokus. „Das ist schon krass, was für ein Selbstläufer das wurde“, sagt Monchi. Die Stiftung

    Die Musiker haben eine Ersatzshow in Dessau organisiert, am Dienstag, 6. November – im Brauhaus statt im Bauhaus. Die Tickets waren rasend schnell vergriffen. Das ZDF zeichnet auf und zeigt den Auftritt am 1. Dezember auf 3sat. Der Band hat der Wirbel nicht geschadet. Im Gegenteil: Auf Facebook bedankte sie sich artig für die „kostenlose PR“. „Es wird mal wieder Zeit für Präsentkörbe“, sagt Monchi.

    Jahrelang im Bericht des Verfassungsschutzes

    Er spielt auf die Sache mit dem Verfassungsschutz an. Die Behörde in Mecklenburg-Vorpommern erwähnt die Band im Bericht zwischen 2011 und 2014. Warf ihnen staats- und polizeifeindliche Passagen in einem Lied von 2009 vor. „Die Bullenhelme, sie sollen fliegen, Eure Knüppel kriegt ihr in die Fresse rein“, heißt es da. Seltener erwähnt wird ein anderer Teil: „Sie haben mich getreten, sie haben mich geschlagen. Ich hab mich nur gewehrt, und dafür woll’n sie mich verklagen!“ Monchi sagt heute, neun Jahre später: „Für mich sind solche Lieder keine Magisterarbeiten.“ Und: Es sei doch verständlich, dass man keine sanften Gedanken habe, wenn man einen Knüppel ins Gesicht bekomme. FSF bedankten sich damals beim

    FSF, Feine Sahne Fischfilet: vor elf Jahren „aus Langeweile“ auf dem Schulhof gegründet, Monchi, Christoph, Jacobus, Max, Kai und Olaf alle aus dem Raum Greifswald. Monchi etwa wuchs in dem 3000-Seelen-Ort Jarmen auf: „Wir hatten nicht mal ein Jugendzentrum, nur eine Bushaltestelle.“ In der Jugend habe sich da alles gemischt, auch die Musik, von Die Ärzte bis zur Nazi-Mucke.

    Aber irgendwann positionierten sie sich, gegen rechts. Die Antwort: eine Buttersäure-Attacke auf den Proberaum, offene Anfeindungen … „Es war schon stetig eine Bedrohungslage da, aber da gewöhnst du dich dran“, sagt Gitarrist Christoph. Gerade auf dem Land gebe es eine „krasse Nazi-Infrastruktur“. Dennoch: Die Verbundenheit zum Zuhause ist enorm. Ihre Releasepartys könnten FSF längst in Hamburg oder Berlin veranstalten, aber sie wählen für Dörfer in der Region. In Jarmen veranstalten sie jedes Jahr ein Open-Air mit Feuerwehr und Fußballclub. Denn: „Es gibt auch jede Menge geile Leute hier.“

    Prominente Unterstützung von Campino bis Grönemeyer

    Vor den Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern 2016 tingelten sie mit ihrer Kampagne „Noch nicht komplett im Arsch“ gegen den Rechtsruck durch die Provinz. Monchi fährt auch mal Hilfsgüter an die türkisch-syrische Grenze oder besucht ein Flüchtlingslager auf Lesbos. Die andere Seite ist Punk: Schweiß und Pogo, Suff und Party – das serviert die Band live. Sie hat prominente Unterstützer. Herbert Grönemeyer unterstützte sie in der Dessau-Debatte via Instagram. Für Rapper Marteria ist Monchi „eine der spannendsten Figuren in der Popkultur“. Und Tote-Hosen-Sänger Campino sagt: „Sie sind ein lebendes Beispiel dafür, dass man Haltung bewahren kann, auch wenn man sich in einem schwierigen Umfeld bewegt und die Zeiten härter werden.“

    Doch vielen ist FSF noch immer ein Dorn im Auge. „Wir sind keine Hippies und uns müssen nicht alle mögen. Wer ein großes Maul hat, kann auch mal scheiße gefunden werden, keine Frage“, sagt Monchi. Aus seiner Vergangenheit beschönigt er nichts. So war der Fußballfan in der Ultraszene von Hansa Rostock aktiv und hatte fünf Jahre Stadionverbot. Er beklaute seine Schwester, und seine Eltern mussten ihn nach einem Spiel in Dortmund aus einer Zelle abholen. Darüber singt er heute Lieder. (Von Jenny Tobien, dpa)

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