Mal ehrlich: Cynthia Erivo? Kennen Sie die? Oder auch Harriet Tubman? Den Namen schon gehört? Wenn ja, dann mag das höchstwahrscheinlich an den Oscar-Verleihungen im Frühjahr liegen. Da nämlich war Erivo als beste Darstellerin nominiert für ihr Spiel in der Titelrolle jener "Harriet". Und sorgte damit für ein Aufsehen, das weit über die Bedeutung des Films und ihre Leistung hinausging, die ab heute nun endlich auch bei uns in den wieder eröffneten Kinos zu begutachten sind.
Schauspielerin Erivo als einzige schwarze Oscar-Nominierte
Denn da kam gleich zweierlei zusammen, über dessen Wirkung man in diesem Jahr 2020 in den USA wohl kaum mehr ein Wort verlieren muss. Harriet Tubman war vor mehr als 150 Jahren eine Sklavin, die zur Freiheitskämpferin wurde. Und deren Porträt nach Plänen von Barack Obama als erste Frau auf den 20-Dollar-Geldscheinen in den Vereinigten Staaten zu sehen sein sollte, dort den Präsidenten und Sklavenhalter Andrew Jackson ersetzend – bis Donald Trump diese Pläne freilich kassierte. Und dann war Cynthia Erivo unter allen 20 Nominierten für Darsteller-Oscars die einzige Schwarze – mit einem Sklaverei-Drama, nach Protest-Bewegungen wie "Oscars so white" und "Black Lives Matter". Das kann man schon ganz schön schlimm finden.
Auch, weil durch diese doppelte symbolische Aufladung verschüttet werden könnte, dass sich da gerade eine Frau zu einer großen Hollywood-Karriere anschickt, die in den USA längst keine so Unbekannte mehr ist. Als Tochter nigerianischer Einwanderer im harten Süden Londons geboren, auf eine katholische Mädchenschule gegangen, die Mutter Krankenschwester – aber Cynthia wollte raus, wollte mehr, wollte auf die Bühne, studierte Musikpsychologie und schaffte es auch auf die Royal Academy für Schauspiel. Über britische Fernsehserien und dortige Musicals schaffte sie es tatsächlich auf den Broadway und wurde unter anderem mit dem Tony-Award ausgezeichnet, dem Bühnen-Oscar quasi.
Cynthia Erivo: Vom Broadway nach Hollywood
Weil ja, singen kann die auch – und wie! Man höre sie etwa mit "I’m Here" aus dem Erfolgsstück "The Color People", das sie auch inhaltlich mit Inbrunst singt, weil sie es mit der Nachricht, jeder von uns sei ein Kunst-, ein Meisterwerk, für wichtig hält – umwerfend! Ein Broadway-Star also war Cynthia Erivo mit ihren raspelkurzen und blondierten Haaren bereits. Und mit vollem Einsatz ihres ohnehin ziemlich durchtrainierten Körpers wird sie nun auch zum Hollywoodstar.
Drei große Filme in zwei Jahren, "Widows" und "Bad Times at the El Royale" an der Seite vieler Stars, in "Harriet" nun selbst der Star. Und dabei die körperlichen (Stunt-) Strapazen selbst gemeistert. Denn diese Cynthia Erivo will die Frauenfiguren spüren, die sie verkörpert – und sie will, sagt sie, gerade bei Harriet, dass auch die Zuschauer, dass möglichst viele Menschen diese spüren und von ihr lernen. Unter dem Symbolischen aber kann das allzu leicht ersticken. Wolfgang Schütz
Die Filmkritik lesen Sie hier: "Harriet": Ein filmisches Denkmal gegen Rassismus
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