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Pop: Der Sommerhit als Gottesgeschenk

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Der Sommerhit als Gottesgeschenk

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    Ray Dorset von der heute noch spielenden Band Mungo Jerry
    Ray Dorset von der heute noch spielenden Band Mungo Jerry Foto: Foto: 7us

    Zum Sommerhit des Jahres 1970 hätten eigentlich etliche Songs getaugt. Zum Beispiel „Mademoiselle Ninette“ von den Soulful Dynamics, „El Condor Pasa“ von Simon & Garfunkel und auch „Spirit in the Sky“ von Norman Greenbaum. Doch alle mussten hinten anstehen als am 6. Juni die Mutter aller Sommerhits den Weg in die britischen Hitparaden fand: „In the Summertime“ von Mungo Jerry. Rund einen Monat später, am 13. Juli 1970, hatte der Song dann auch in der Bundesrepublik Platz 1 der Charts erreicht.

    Simpler und erfolgreicher kann kein Lied sein. Ray Dorset, der das Lied geschrieben hatte, und seine Bandkollegen benötigten dazu nur einfache Mittel. Ein Waschbrett kam zum Einsatz, ein Klavier, dazu wurde in einen Weinkrug geblasen, mit den Füßen auf den Boden gestampft und noch kurzerhand das Geräusch eines vorbeifahrenden Sportwagens eingebaut. Der Siegeszug von Mungo Jerry nahm seinen Anfang: Das Lied dudelte aus sämtlichen Musikboxen und Transistorradios.

    Allein in Deutschland hielt sich „In the Summertime“, eine Mischung aus Blues und Skiffle, über 28 Wochen auf dem 1. Platz. In Amerika, wo britische Bands immer einen schweren Stand hatten, kam der Song immerhin auf Platz drei. In der Heimat England reichte es für 20 Wochen auf dem ersten Platz.

    50 Jahre später schüttelt Ray Dorset immer noch leicht fassungslos den Kopf, wenn er an diese Zeit denkt. Dorset arbeitete damals in einem Forschungslabor. „Ich habe ein bisschen auf der Gitarre in der Tonart D-Dur rumgespielt, als ich auf die Melodie kam“, erzählt er. Der mittlerweile 74-jährige, der mit einer deutschen Frau verheiratet ist, schrieb dann auch noch den Text zum Song: „Das Schreiben ging mir leicht von der Hand und ohne sie nochmal groß zu ändern, hatte ich die Zeilen schon auf dem Papier. Und deshalb sage ich immer, dass die physische Seite des Songs, sprich Text und Musik, in nur 10 Minuten fertig gestellt war.“

    Einen Tag nach der Veröffentlichung spielte Mungo Jerry in Newcastle im Rahmen-Programm des Hollywood Music-Festival. Dorset bekommt erklärtermaßen heute noch eine Gänsehaut, wenn er daran zurückdenkt: „Das werde ich nie vergessen. Das war so ein euphorischer Moment. 35000 Leute waren da. Die klatschten mit und trommelten auf alles, was sie finden konnten. Die Zuschauer taten wirklich alles, was ich durchs Mikrofon rief. Wenn ich sagte: ,Zieht euch aus‘, dann haben sie’s gemacht. Eigentlich meinte ich mit ,Zieht euch aus‘ aber: Befreit euch von euren Hemmungen. Irgendwann wurde die Veranstaltung abgebrochen, die Presse schrieb von einer „Mungomania.“

    Dabei waren die 35000 Fans nicht in erster Linie wegen Mungo Jerry gekommen. Es traten ja solche Größen wie Black Sabbath, Grateful Dead und Ginger Baker auf. Doch Mungo Jerry war der Hit. In 40 Sprachen wurde „In the Summertime“ schließlich übersetzt, sogar ins Chinesische. Unter den 100 meistverkauften Liedern befindet sich „In the Summertime“ mit über 40 Millionen verkaufter Schallplatten zwischen Madonna („Vogue“) und Neil Diamond („Cracklin Rosie“) auf Platz 82. Diese Liste führt übrigens Bing Crosby mit „White Christmas“ an. Etliche Künstler haben „In the Summertime“ gecovert. Zum Beispiel der Reggae-Sänger Shaggy, dem damit auch ein kommerzieller Erfolg gelang. Trotz des Hits: Im Prinzip hatte sich Dorset dem Blues verschrieben. „In the summertime“ aber fällt eher in die Sparte „fröhlicher Popsong.“ Aber für Dorset sind solche Vergleiche nicht wichtig: „Ich setze mir selbst keine Grenzen, was die Musikgenres angeht. Wenn ich den richtigen Vibe fühle und in den Groove komme, würde ich sicherlich in jeder Musikrichtung etwas kreieren.“

    Seine Band wurde allerdings nicht ganz glücklich in der Folge. Die beiden Mitglieder Colin Earl und Paul King wollten Dorset 1972 sogar feuern. Wohl aus Neid, weil er bei den Medien meist im Mittelpunkt stand. Doch das Management der Band drehte den Spieß um, warf Earl und King aus der Gruppe und ließ Ray Dorset eine neue Formation basteln – aber dies ist eine andere Geschichte.

    Nach „In the Summertime“ wurde es etwas ruhiger um Mungo Jerry. Mit „Lady Rose“ kletterte die Band zwar noch einmal in die Hitparaden und auch „Allright, Allright, Allright“ konnte sich später hören lassen. Heute ist Ray Dorset immer noch mit seiner Band unter dem Namen Mungo Jerry unterwegs. 2017 hat er das Album „Touch the Sky“ herausgebracht und 2019 im Vorfeld des jetzigen Jubiläums die CD „xstreme“. Gleichzeitig betrachtet er sein „In the Summertime“ weiterhin als „Gottesgeschenk“: „Dieser Song hat Millionen von Menschen aus mittlerweile fünf Generationen weltweit viel Freude und liebevolle Erinnerungen geschenkt. Die Gefühle, die der Song vermitteln soll, sind in erster Linie: Liebe, Friede, Glück und die Lebensfreude.“

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