Es ist wie bei einem dieser Kindergeburtstage, bei dem die Eltern aber mal wirklich so alle Register ziehen wollen: Es gibt einen Clown, einen Zauberer, einen DJ, eine Hüpfburg, den ganzen Spielkram, der sowieso im Garten rumliegt, ein Monsterbüffet mit süßem Glibberzeug, Smarties-Muffins, Burgern und Würsten, zwischendurch wird noch schnell ein Alpaka durch den Garten geschleift – und am Ende sitzen die Kinder überreizt und verstört in der Ecke, möchten am liebsten sofort den Lieblingsschlafanzug anziehen und vor allem: Ruhe. Willkommen bei „Music Of The Spheres“, dem neunten Coldplay-Studioalbum.
Die Platte, nach Abzug dreier Einsprengsel aus neun Songs bestehend, ist überwältigt kolossal. Aber sie begeistert nicht und berührt auch nicht besonders. So gut wie nichts erinnert an die alten Coldplay, die im Jahr 2000 mit dem Album „Parachutes“ und Songs wie „Yellow“ mit Melancholie und lyrischer Kraft überzeugten und damit als scheinbar so kleine, feine Band zu einer der erfolgreichsten der Welt avancierte.
Die Erde ist Coldplay zu eng geworden
Inzwischen aber passt es, dass die vorab veröffentlichte Single „Higher Power“ Premiere auf der internationalen Raumstation ISS feierte. Die Erde ist dieser Band zu eng geworden. Sie kreierte für „Music Of The Spheres“ ein Planetensystem, das mit audiovisuellem Bohei eingeführt wurde und am 15. und 16. Oktober in der (mit Amazon verwirklichten) Installation „The Atmospheres“ unter anderem in Berlin begutachtet werden kann. Das aber, wenn Intro und „Higher Power“ mal verklungen sind, auch total schnell egal wird.
Stattdessen fallen der etwas hohle Pomp sowie der megamassive Einsatz von Synthesizern auf, mit denen nicht nur, aber auch das Stück „Humankind“ zugekleistert wird. Die Nummer soll irgendwie um die Menschlichkeit der Menschen gehen – aber Seele? Eher Fehlanzeige. Und wenn Coldplay ihr Collage-Konzept mit „People Of The Pride“ auf die Spitze treiben, das klingt, als hätte die Band versucht, alle etwa 5783 Musikgenres dieser Welt in dreieinhalb Minuten zusammenzufassen, liegt sie selbst letztlich unter all dem verschüttet.
Und die Kollaborationen machen den Anschein, als hätte man sich gezielt Zustimmung und Reichweite dazugekauft: Ex-Teenie-Star Selena Gomez etwa im ganz schönen „Let Somebody Go“ – und natürlich „My Universe“ mit den K-Pop-Boys von BTS, das in den USA direkt auf Platz eins landet.
Chris Martin singt im Duett mit seiner eigenen von Autotune zu Alienpiepsen verfremdeten Stimme
Und dann singt Chris Martin in „Biutyful“ noch im Duett mit seiner eigenen von Autotune zu Alienpiepsen verfremdeten Stimme – Kindergeburtstag eben. Versöhnlich ist inmitten all des trivialen Remmidemmis nur „Coloratura“, 10 Minuten 18 Sekunden lang: ein liebevoll verspieltes und entspannend zartes Mini-Musical mit all der emotionalen Tiefe und Wärme, die man dem Rest des Albums aus unerfindlichen Gründen abgepresst hat.