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Ottobeuren: Ausstellung von Markus Lüpertz: Das Genie verschlingt weiter die Welt

Ottobeuren

Ausstellung von Markus Lüpertz: Das Genie verschlingt weiter die Welt

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    Markus Lüpertz inmitten seiner in Bronze gegossenen Tierkreiszeichen – zu sehen in Ottobeuren.
    Markus Lüpertz inmitten seiner in Bronze gegossenen Tierkreiszeichen – zu sehen in Ottobeuren. Foto: Matthias Becker

    Mit 78 Jahren braucht man der Welt eigentlich nichts mehr zu beweisen – und sich selbst auch nicht. Markus Lüpertz hat sich anders entschieden. Der Maler, Bildhauer und Grafiker, der längst zu den bedeutendsten Künstlern der Gegenwart zählt, will noch keine Ruhe geben, auch wenn er sich beim Gehen auf einen Stock stützt und Verschnaufpausen braucht. Seine künstlerische Energie scheint ungebrochen, und offenbar treibt ihn die Neugier auf die Welt auch im achten Lebensjahrzehnt zu einem ebenso unermüdlichen wie ungeduldigen Schaffen an.

    Das ist nun im Museum für zeitgenössische Kunst in Ottobeuren zu sehen. Dessen Leiter Markus Albrecht konnte Diether Kunerth, dem dieses Haus eigentlich gewidmet ist, dazu überreden, sich mal für drei Monate lang ganz zurückzuziehen und es komplett einem Kollegen zu überlassen. Dahinter stand die Idee, mit einem großen Namen den Bekanntheitsgrad des Kunsthauses in der Allgäuer Provinz, das in diesen Tagen fünf Jahre alt wird, zu steigern; 6000 Besucher pro Jahr sind einfach (noch) zu wenig des Zuspruchs.

    Markus Lüpertz biss an – beziehungsweise sein Düsseldorfer Galerist Till Breckner. Dieser sorgte dafür, dass die 2000 Quadratmeter Fläche des Ausstellungshauses nun prall gefüllt sind mit Lüpertz-Werken; sie stammen aus einer Privatsammlung in Nordrhein-Westfalen sowie aus Breckners Galerie und Lüpertz’ Atelier in Teltow (bei Berlin). Wobei mit Ausnahme von sechs großen Entwürfen für die Glasfenster einer Bamberger Kirche und einigen Gouachen keine Malerei des erklärten Malers zu sehen ist.

    Das bietet die Ausstellung von Markus Lüpertz in Ottobeuren

    In Ottobeuren können Besucher vielmehr seinen Grafik-Kosmos entdecken mit weit über 100 Lithografien, Holzschnitten und Radierungen aus mehreren Jahrzehnten, begleitet von einem überwältigenden skulpturalen Kontrapunkt, dem Sternzeichen-Projekt mit zwölf Bronzen. Die scheinbar aus lehmigem Boden gewachsenen und deshalb so haptisch wirkenden Figuren hat Lüpertz bemalt. Mit ihrer neoexpressionistischen Ausstrahlung wirken sie typisch für das Schaffen von Lüpertz, der es im Gegensatz zu renommierten Künstlerkollegen wie Polke, Richter oder Baselitz nicht wirklich geschafft hat, einen hohen Wiedererkennungswert zu generieren und damit zu einer Art Marke zu werden. Aber das habe er auch nie gewollt, sagt er. Er folgt offenbar keinen marktstrategischen Zielen – sondern einfach seinem inneren Antrieb.

    „Et in arkadia ego“ lautet der Titel der Ausstellung, die man ein Stück weit auch als Retrospektive bezeichnen kann. Er lädt zu dem Missverständnis ein, der ebenso streitbare wie umstrittene Künstler verorte sich neuerdings im sagenhaften Arkadien, wo alles zu einem schön-harmonischen Ende gelangt ist. Von wegen. Lüpertz braucht keine paradiesischen Verhältnisse. Und nein, er hält seine Werke nicht für vollkommen, auch wenn er sich selbst zum künstlerischen Genie erklärt.

    Man muss diese vielgestaltigen Grafiken nur anschauen, um zu erkennen: Dieser exzentrische Mensch, der gern mit konservativ-elegantem Anzug und dicken Ringen an den Fingern auftritt, hat sein Suchen und auch seinen Furor nicht aufgegeben. Er verschlingt weiterhin die Welt mit allen ihm zur Verfügung stehenden künstlerischen Mitteln, lotet die Tiefen und Formen der menschlichen Existenz mit immer neuen Bildern und Plastiken aus, spürt leidenschaftlich der griechischen Mythologie und der deutschen Geschichte nach. Und hat für dies alles eine Formensprache gefunden, die auf einzigartige Weise zwischen Figurativem und Abstraktem changiert.

    Der Weg ist das Ziel bei Lüpertz’ Grafiken

    Bekannt geworden ist Lüpertz mit Gemälden und Plastiken von archaischer Monumentalität. In Ottobeuren zeigt er, dass er im gleichen Geist kleinteilig und fein arbeiten kann. Suggestive Kraft strahlen die arkadischen Menschen-Szenen, die er bunt koloriert, ebenso aus wie die dichten Lithografien der Tosca-Reihe in düsterem Schwarzweiß. Und in den Lithografien mit Motiven aus der Sixtinischen Kapelle spielt er mit dem, was der Künstlertitan Michelangelo so großartig an die Decke dieses Kunsttempels gepinselt hat, reibt sich daran, interpretiert, kommentiert.

    Der Weg ist das Ziel bei Lüpertz’ Grafiken. Deshalb arbeitet er auch seriell, erstellt zu einem Thema mal fünf, mal zehn, mal zwanzig Varianten. Lüpertz bleibt auch im fortgeschrittenen Alter der Neugierige – immer auf der Suche nach der Kraft und der Schönheit des Lebens.

    Die Ausstellung im Museum für zeitgenössische Kunst in Ottobeuren läuft bis 11. August; geöffnet Dienstag bis Freitag von 11 bis 16 Uhr, Samstag, Sonntag und Feiertag von 12 bis 17 Uhr. Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen (25 Euro).

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