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Oper: Bittersüße Versuchungen

Oper

Bittersüße Versuchungen

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    Tod und Liebe, Verrat und Intrige, die Händel-Oper „Ariodante“ bietet große Ausschläge auf der Gefühlsskala. Das Theater Ulm bringt mit den Sängern (v.l.) Yosehmeh Adjei, Edith Lorans und Kinga Dobay in der Regie von Igor Folwill eine gelungene Inszenierung auf die Bühne.
    Tod und Liebe, Verrat und Intrige, die Händel-Oper „Ariodante“ bietet große Ausschläge auf der Gefühlsskala. Das Theater Ulm bringt mit den Sängern (v.l.) Yosehmeh Adjei, Edith Lorans und Kinga Dobay in der Regie von Igor Folwill eine gelungene Inszenierung auf die Bühne. Foto: Foto: Hermann Posch/Theater Ulm

    Ulm Zwischen Leben und Tod ergießt sich in Händels „Ariodante“ eine Woge aus Glück und Schmerz. Diesen Stoff hat Regisseur Igor Folwill am Theater Ulm von einer sensiblen Kammeroper zu einem rauschenden Volkstheater vorangetrieben. Denn mit einem musikantischen Kunstgriff verknüpft er am Ende Bühne mit Zuschauerraum und rundet damit ein von und nach allen Seiten gelungenes Musiktheater ebenso souverän wie pfiffig ab.

    Lange Zeit war diese Händel-Oper von den Spielplänen verschwunden. Erst in den 1970er Jahren fand das 1735 in London uraufgeführte dreiaktige Werk wieder zurück auf die Bühnen. Dabei besticht die Oper durch feingliedrige Instrumentalpartien, die Nils Schwekendiek seinen spritzigen Ulmer Philharmonikern auch ohne Taktstock bis in die zarten Verästelungen der Rezitative klangschön entlocken kann.

    Im metallisch fluoreszierenden, durch zwei Drehtüren in Bewegung versetzten Bühnenraum von Britta Lammers, in dem sich Weite genauso wie Enge darstellen lässt, (Licht: Ulrich Babst), spannt sich nach Salvi und Ariost („Der rasende Roland“) auf Italienisch mit deutschen Übertiteln ein bittersüßer Bogen zum doppelten Liebesglück, den Angela C. Schuetts in kreativen Kostümen behutsam historisierend einkleidet.

    Polinesso entfacht eine böse Verwechslungsintrige

    Ritter Ariodante und Königstochter Ginevra sind ein Traumpaar. Doch ihre Heirats- und Thronfolgepläne durchkreuzt Nebenbuhler Polinesso durch eine böse Intrige mithilfe der ihm verfallenen Hofdame Dalinda, für die wiederum Ariodantes Bruder Lurcanio entflammt. Aus Scham stürzt sich Ariodante von den Klippen. Er überlebt, wogegen Lurcanio Polinesso im „Gottesgericht“ ersticht.

    Im kathartischen Schmusefinish der Paare Ariodante/Ginevra und Lurcanio/Dalinda, denen der Todesschreck noch in den Knochen steckt, zeigt der sensible Spieltrieb Folwills Extraklasse: Ein Holzbläsertrio hält auf der Bühne Zwiesprache mit dem Orchestergraben und raumgreifend positionierten Doppelchören, die plötzlich auf der Empore erschallen und auf die Protagonisten zuwandern. Hymnisches Volkstheater mit Hintersinn, das Spiel im Spiel, dazu der Kick mit der Überraschung des Unmöglichen: Der von Lurcanios Lanze tödlich durchbohrte Polinesso springt auf und klopft Ariodante versöhnlich auf die Schulter.

    In dieser spannenden Spieloper lässt Kinga Dobay (in der Königsritterpartie des liebenden und verzweifelten Ariodante) ihren großen Mezzosopran mit Präzision perlen, bündelt tänzerische Wucht mit samtiger Gestaltungsgabe, kann aber auch in zurückhaltenden Momenten voller Poesie erglühen.

    Lyrische Leuchtkraft vermittelt Sopranistin Katarzyna Jagietto als Ginevra auch im klagenden Arioso. Auf Augenhöhe ist Edith Lorans biegsamer Sopran in der Rolle der verführten und reumütigen Dalinda. Ihr impft Polinesso (Yosemeh Adjei), dessen geschliffener Countertenor zum exotischen Publikumsliebling avanciert, wie ein diabolischer Samurai sein hundsgemeines Täuschungsmanöver ein.

    Tenor Alexander Schröder (Lurcanio) und Bassist Jeoung-Su Seo (König von Schottland) komplettieren die ausgezeichnete Riege der Gesangssolisten, die aus Georg Friedrich Händels zeitlos-barockem Beziehungsthriller einen Ulmer Musiktheaterknüller machen.

    Händels „Ariodante“ wieder am 23. und 28. Februar, jeweils 20 Uhr, im Theater Ulm

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