"Wann bringt Alicia Keys denn nun endlich ihr neues Album heraus"? Fragen wie diese haben die Fans der amerikanischen Sängerin seit Monaten gestellt. Nun hat das Warten ein Ende: Mit sechs Monaten Verspätung ist jetzt "Alicia" erschienen.
Es ist Anfang Februar, da gibt die 15-fache Grammy-Gewinnerin ein kleines Privatkonzert in Berlin. Corona ist da noch kein großes Thema. Der prachtvolle Meistersaal der Hansa-Studios, in denen bereits David Bowie und U2 produzierten, ist mit Duftkerzen geschmückt. Keys spielt den rund 100 Fans am Klavier einige Songs vor, die Wochen später eigentlich erscheinen sollen.
"Die Leute erwarten großartige Musik. Und diese Erwartung will ich erfüllen", sagt die 39-Jährige zuvor im dpa-Gespräch über ihr siebtes Studioalbum.
Die im New Yorker Arbeiterviertel Hell's Kitchen geborene Sängerin unterschrieb schon als Teenager ihren ersten Plattenvertrag. Ihr Debütalbum "Songs In A Minor" schaffte es 2001 direkt auf Platz eins der US-Charts, bescherte ihr fünf Grammys und den weltweiten Hit "Fallin’". Im Laufe ihrer Karriere arbeitete Keys ("Empire State of Mind", "Girl On Fire") auch als Schauspielerin und moderierte zweimal die Grammy-Verleihung.
Auf ihrem neuen Album, das sich wegen der Corona-Krise immer wieder hinauszögerte, zeigt sich die zweifache Mutter gefühlvoll, aber auch wütend. "Ich habe Seiten an mir kennengelernt, die ich bislang noch nicht gut genug kannte. Das hört man auch. Die Musik ist sehr bunt, sie bringt dich an verschiedene Orte. Das finde ich sehr interessant", erklärt Keys.
Die jazzige Ballade "Grandmesy Park" sticht dabei besonders hervor. Sie handelt davon, sich in einer Beziehung für den anderen zu verstellen. "Du willst, dass die andere Person glücklich ist. Ohne zu bemerken, dass du dich ganz allmählich für sie veränderst und anders verhälst. Und am Ende kennt die Person gar nicht dein wahres Ich, weil du dich für sie von dir selbst entfernt hast."
Der Song, der mit Geräuschen wie dem Tropfen von Wasser oder einem Taktstock spielt, bekommt beim intimen Berlin-Gig am meisten Applaus. Viele Zuhörer scheinen sich damit zu identifizieren.
Überhaupt spricht Keys mit ihren Texten den "einfachen" Menschen aus der Seele, auch wenn die in armen Verhältnissen aufgewachsene Musikerin mittlerweile ein Luxusleben führen dürfte.
"Good Job" widmet sie etwa allen, die in ihrem Job essenziell für die Gesellschaft sind, aber nur selten gelobt werden. "Du machst einen guten Job, lass dich nicht unterkriegen. Die Welt braucht dich jetzt. Erkenne, dass du wichtig bist", heißt es darin.
Die bewegende Ballade wurde passenderweise während der Hoch-Zeit der Corona-Pandemie veröffentlicht, in der Krankenschwestern und Kassierer die Gesellschaft am Laufen hielten. Ihre bisher erfolgreichste Single-Auskoppelung "Underdog" behandelt ebenfalls die oft unterschätzten Helden des Alltags wie alleinerziehende Mütter, Soldaten oder Medizinstudenten.
Sie sei sehr bodenständig und intuitiv, sagt Keys über sich selbst. Den musikalischen Beweis liefert sie auf ihrem teils biografischen Album "Alicia" hervorragend - wenn auch mit etwas Verspätung.
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