Mit den drei großen Münchner Orchestern unter ihren jeweils namhaften Chefdirigenten hat Diana Damrau nun schon Lieder von Richard Strauss musiziert: mit den Philharmonikern unter Thielemann sowie Gergiev, mit dem Staatsorchester unter Petrenko und mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter Mariss Jansons.
Die letzte Verpflichtung wird Diana Damrau wohl niemals in ihrem Leben vergessen: Denn nach der Aufnahme im Januar 2019 waren Straussens „Vier letzte Lieder“ mit Jansons und dem BR–Orchester auch noch mal Bestandteil der großen Europa-Herbsttournee 2019 mit Abstecher nach New York. Und dort dann wurde der Programmpunkt mit der Damrau zum Schwanengesang von Mariss Jansons: Am 8. November 2019 dirigierte er unter Aufbietung aller Kräfte sein letztes Konzert in der Carnegie Hall, am 1. Dezember 2019 starb er in St. Petersburg.
Diana Damrau singt Strauss deutlich besser als Netrebko und Anja Harteros
Und nun liegt die 2019-Zusammenarbeit zwischen Damrau und Jansons also als ein Vermächtnis vor. Doch nicht der tragische Hintergrund davon ist für die Bedeutung der Aufnahme entscheidend – vielmehr: Indem die Damrau langsam auf die 50 zusteuert, indem sie die vier Strauss-Abgesänge eben auch schon unter Petrenko sang, hat sie die nötige Erfahrung und die nötige Reife erlangt, „Frühling“, „September“, „Beim Schlafengehen“ und „Im Abendrot“ mit der gebotenen Noblesse und Abgeklärtheit vollkommen frei erklingen zu lassen. Vergleicht man ihre Interpretation etwa mit denjenigen von Anna Netrebko und Anja Harteros, ist sonnenklar, was in den heimischen CD-Schrank gehört: DD. Netrebko hat mit der Aussprache Probleme, Harteros liegt nicht über den Dingen.
Unterschwellig erotische„Mädchenblumen“
Aber die „Vier letzten Lieder“ sind ja nur der Einstieg zu dieser Aufnahme; zusammen mit dem kongenialen Pianisten Helmut Deutsch folgen weitere 20 Klavierlieder von Strauss, darunter solche, die noch zum Frühwerk zu zählen sind, sowie manche Rarität auf Tonträger: Dass sich Diana Damrau mit ihrem Niveau etwa für den vierteiligen, unterschwellig erotischen Zyklus „Mädchenblumen“ einsetzt (1888) und für die drei „Ophelia“-Lieder (1918), wird manchen Strauss-Freund beglücken. Im Übrigen beweist die Damrau auch eine bemerkenswerte, neue dramatische Grundierung ihres hohen Soprans: „Die Nacht“, „Ruhe, meine Seele!“, „Lob des Leidens“ und „Befreit“ könnten vom Sinngehalt ebenfalls „vier letzte Lieder“ in Abschiedsstimmung sein.