Während die schwarze Bürgerrechtsbewegung mit Filmen wie „Mississippi Burning“ (1988), „Malcolm X“ (1992) oder „Selma“ (2014) in Hollywood über die Jahrzehnte hinweg regelmäßig thematisiert wurde, fanden die gesellschaftlichen Veränderungen, welche die amerikanische Frauenbewegung in den 70er Jahren erkämpfte, in Kino und Fernsehen bisher kaum Beachtung. Dies ändert sich nun grundlegend mit der herausragenden Serie „Mrs. America“, die in Deutschland auf Sky zu sehen ist.
Dabei wählt Drehbuchautorin Dahvi Waller („Mad Men“) einen durchaus provokanten Ansatz, indem sie eine erklärte Anti-Feministin zur Zentralfigur der Erzählung macht: Phyllis Schlafly (Cate Blanchett) heißt die Dame aus Illinois, die es sich zum Ziel gesetzt hat, als konservative Jeanne d’Arc gegen die Frauenrechtlerinnen ins Feld zu ziehen. Phyllis ist eine bekennende Hausfrau, Mutter von sechs Kindern und Gattin eines erfolgreichen Juristen. Aber sie ist auch eine Frau mit Ambitionen, die bereits 1952 als Kandidatin der Republikaner erfolglos in den Kongresswahlkampf zog.
Die Feministinnen nehmen Phyllis Schlafly als Gegnerin nicht ernst
Schlafly ist eine vehemente Gegnerin der Abrüstungsverhandlungen, aber ihre Expertise bleibt in der Partei ungehört. Deshalb sucht sie nach einem Arbeitsfeld, mit dem sie in ihrer konservativen Umgebung auch als Frau ernst genommen wird, und das ist der Kampf gegen das sogenannte „Equal Rights Amendment“ (ERA). Der Verfassungszusatz soll Frauen gleiche Rechte zusichern und wurde 1972 von Senat und Repräsentantenhaus abgesegnet. Nun muss die Änderung noch in 38 von 50 Bundesstaaten ratifiziert werden, um endgültig in die amerikanische Verfassung aufgenommen zu werden.
Die Frauenbewegung macht auf allen politischen Ebenen mobil. Die Aktivistinnen sind sich sicher, dass die Zeit reif ist für den Wandel. Als Phyllis Schlafly mit ihrem selbst verlegten Newsletter die Kampagne gegen das ERA startet, nehmen die Feminstinnen sie als Gegnerin nicht ernst. Aber mit ihrem provokanten Anti-Feminismus, der die „Privilegien“ der Hausfrauen verteidigt und vor Frauen-Wehrpflicht und Unisex-Toiletten warnt, wird Schlafly zum beliebten Gast in TV-Talkshows. Auch die Republikaner erkennen, dass man mit Schlaflys reaktionärer Mobilisierungsstrategie Wählerstimmen gewinnen kann.
Cate Blanchett porträtiert die Anti-Frauenrechtlerin äußerst differenziert
Über neun äußerst spannende Episoden verfolgt „Mrs. America“ den politischen Kampf um den Verfassungszusatz und nimmt in jeder Folge eine neue Perspektive ein. Äußerst differenziert porträtiert die fabelhafte Cate Blanchett die Anti-Frauenrechtlerin, die wie ihre männlichen Parteikollegen nach Macht und Karriere strebt und sich gerade durch die erlebten Enttäuschungen in ihrem reaktionären Weltbild festbeißt. Dem gegenüber wird in anderen Folgen jeweils eine der feministischen Aktivistinnen vorgestellt. Rose Byrne spielt die Journalistin Gloria Steinem, die in den Medien zum Gesicht der Bewegung wird und für das Recht auf Abtreibung eintritt, Margo Martindale die Realo-Aktivistin Bella Abzug, und die umwerfende Uzo Aduba brilliert in der Rolle von Shirley Chisholm, die als erste schwarze Frau bei den Demokraten ins Rennen um die Präsidentschaftskandidatur ging.
In schillernden Farben zeigt „Mrs. America“ die feministische Aufbruchstimmung jener Jahre, aber auch die Widersprüche im Lager der Aktivistinnen. Gleichzeitig lässt die Serie nie die Antagonistin aus dem Auge, die mit äußerster Hartnäckigkeit ihr antifeministisches Profil schärft. Gerade die Darstellung der Gleichzeitigkeit von feministischer Befreiung und reaktionärer Gegenbewegung bestimmt die Qualität und die Aktualität von Dahvi Wallers intelligentem Drehbuch. Die Serie zeigt, dass die Polarisierung der US-Gesellschaft, wie wir sie heute drastisch erleben, schon damals angelegt war. Frappierend sind auch die Parallelen zwischen Schlaflys Kampagne, die auch vor gezielten Falschinformationen und Allianzen mit ausgewiesenen Rassistinnen nicht zurückschreckt, zu den politischen Strategien Donald Trumps. Genau wie dieser wurde Schlafly von ihren politischen Gegnerinnen auf fatale Weise unterschätzt und konnte dadurch die Ratifizierung des Gleichstellungszusatzes verhindern. Und natürlich war es kein anderer als Donald Trump, der Schlafly bei ihrer Beerdigung 2016 als „konvervative Heldin“ würdigte.
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