Der Pianist Igor Levit ist ein medial ausgesprochen präsenter Musiker. Die Aufmerksamkeit zieht er damit nicht nur in seinen Aufnahmen auf Tonträgern und in Konzerten auf sich, sondern auch mit ungewöhnlichen Aktionen (Kurzkonzerte aus dem heimischen Wohnzimmer während des Lockdowns) und politisch-gesellschaftlichen Kommentaren (vor allem gegen Antisemitismus und die AfD) insbesondere in den Sozialen Medien. Der „twitternde Pianist“ hatte in Kollegenkreisen und unter Rezensenten schon manch kritische Anmerkung für sein Treiben im Netz gefunden.
Zweifel an Levits Qualitäten als Pianist
Das waren leise Zwischentöne im Vergleich zu dem Crescendo, das nun der Musikkritiker Helmut Mauró, wohl aus Anlass der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an den Künstler, entfachte: In einem polemisch bis aggressiv formulierten Artikel im Feuilleton der Süddeutschen Zeitungspielt der Verfasser den „Twitter-Virtuosen“ Levit gegen den zurückhaltenderen Kollegen Daniil Trifonov aus und zieht die pianistischen Qualitäten Levits in Zweifel. Dafür führt er „das spielerisch Unverbindliche“ und „theatralisch vorgetragenes Pathos“ an und bringt es in Verbindung mit dessen Internet-Popularität, die vor allem für seinen internationalen Erfolg verantwortlich sei.
Problematisch, neben den zweifelhaften Bewertungskriterien des Kritikers, ist die persönliche Verunglimpfung des Pianisten, die gefärbt ist mit einen antisemitischen Tonfall. Denn der Artikel ist spöttisch überschrieben mit „Igor Levit ist müde“ und bezieht sich damit auf mehrere Tweets des Pianisten zum Anschlag auf einen jüdischen Studenten in Hamburg Anfang Oktober. „Einfach ermüdend. Ermattend“ hatte Levit da unter anderem geschrieben und damit bekundet, wie leid er die Betroffenheits-Phrasen und Nie-wieder-Beteuerungen sei. „Opferanspruchsideologie“ nennt Mauró das, wenn der selbst von antisemitischen Angriffen betroffene Igor Levit das Netz als „Bühne für ein Pausenstück“ nutzt.
Entschuldigung bei den Lesern und dem Künstler
Zuhauf empörte Twitter-Kommentare und Leserbriefe sowie zahlreiche Artikel und Beiträge in den Medien brachte das der Süddeutschen Zeitung ein. Deren Chefredakteure hatten ihrem freien Autor am Freitag mit Hinweis auf die Meinungsfreiheit noch zur Seite gestanden. Am Dienstag erschien nun eine Entschuldigung bei den Lesern und dem Künstler – was wiederum zu verwunderten Reaktionen in den Medien führte. Vom „Druck der Masse“ ist da etwa in der Frankfurter Allgemeinen Zeitungdie Rede.
Igor Levit, das steht fest, ist auch ohne eigenes Zutun medial präsent.