Es geht um nicht weniger als die DNA des Pop-Hits. Und das ist nicht im übertragenen Sinn gemeint. Die neusten Untersuchungen von Wissenschaftlern aus Leipzig und dem norwegischen Bergen ist nicht von ungefähr im biologischen Fachmagazin Current Biology erschienen. Untersucht wurden 745 Songs, die es zwischen 1958 und 1991 in die US-Charts geschafft hatten – auf der Suche nach dem Hit-Rezept. Und das ist, samt Ergebnis, eine interessante Sache. Aber mit bedenklichen Folgen.
Die besten Hits kommen von UB 40 und den Beatles
Rund 80.000 Akkordfolgen haben die Wissenschaftler untersucht, die sie aus all den Songs wie „Knowing Me, Knowing You“ von Abba, „Red, Red Wine“ von UB 40 und „Ob-La-Di, Ob-La-Da“ von den Beatles gewannen. Und dann haben sie die zentralen Akkordfolgen 40 Probanden vorgespielt, die, während ihre Hirnaktivitäten gemessen wurden, selbst beschreiben sollten, wie angenehm sie das jeweils Gehörte empfanden – ohne jedoch die Songs erkennen zu können: Dazu stutzten die Forscher die Songs auf zentrale Akkordpassagen zusammen, die sie jeweils über einen standardisierten Grundrhythmus setzten.
Das Ergebnis mag vielleicht in seiner Allgemeinheit nicht überraschen: dass der Hörgenuss wesentlich auf das richtige Zusammenspiel aus Spannungs- und Überraschungsmomenten in den Akkordfolgen baut. Aber dass das vorbildhaft eben von „Ob-La-Di, Ob-La-Da“ erfüllt wird, das war vielleicht nicht unbedingt zu erwarten. Wobei die Größe der Komposition vielleicht auch von der Einfalt des Textes verdeckt wirkt. Wenn das nur von mehr Popmusik zu behaupten wäre! Neu am Ergebnis ist jedenfalls, dass gutklingende Stellen nicht reichen, sondern dass es aufs Umfeld im Song ankommt.
Lennon auf Drogen als Vorbild für den perfekten Hit
Was daraus entstehen könnte, ist aber das Gegenteil von Kreativität. Die Ergebnisse, so die Forscher, können dazu genutzt werden, Programme mit Künstlicher Intelligenz zu erstellen, die selbstständig solche Musik komponieren, die ankommt. Statt Kunst also automatisiertes Bedienen von Reizreaktionsschemata – und das soll mit wissenschaftlicher Präzision der Hit werden.
Das vorbildliche „Ob-La-Di, Ob-La-Da“ übrigens entstand während gut einer Woche im Juli 1968. Ein entscheidender Moment war, als John Lennon, genervt von der bisherigen Arbeit am Song, völlig zugedröhnt ins Studio kam, sich einfach an Klavier setzte, mit Wucht in die Tasten haute, es doppelt so schnell spielte wie bis dahin geplant – und jubelte: „This is it!“ Und so sangen und spielten es die Beatles dann tatsächlich. Davon sollen nun also Maschinen lernen. Lennon auf Drogen war also der perfekte Aufspürer des menschlichen Genusszentrums – und Maschinen sollen nun werden wie er. This is it?
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