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Museen im Lockdown: Acht persönliche Liebeserklärungen an Museen

Canalettos Gemälde von Schloss Nymphenburg hängt noch in der Alten Pinakothek in München – die Betrachter aber fehlen.
Museen im Lockdown

Acht persönliche Liebeserklärungen an Museen

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    Kunstareal München: Künstlerische Wucht

    Gründe, nach München zu fahren, gibt es zuhauf. Gründe, regelmäßig – und unabhängig von Sonderausstellungen – die Alte Pinakothek sowie das Brandhorst-Museum zu besuchen, ebenfalls. Und Gründe, dabei stets gezielt zwei bestimmte Räume aufzusuchen, dies folgt schon allein aus der Aussicht auf höchste künstlerische Wucht. So geistig anregend das Tiefgeschoss im Brandhorst Museum ist, so horizonterweiternd die immer ein wenig stiefmütterlich vom Publikum behandelten altdeutschen Maler im Erdgeschoss der Alten Pinakothek bleiben (derzeit gemischt mit Werken der Neuen Pinakothek): Die Lieblingsorte befinden sich da wie dort im ersten Stock. Im Brandhorst Museum ist es der überwältigende Saal mit Cy Twomblys zwölfteiligem, im Halbrund gehängten „Lepanto“-Zyklus, ein Gipfel zeitgenössischer Historienmalerei; in der Alten Pinakothek ist es Saal eins mit dem überwältigenden Columba-Retabel von Rogier van der Weyden, im Zentrum die Anbetung der Heiligen Drei Könige. Und immer fällt der Blick auf das Kruzifix knapp über dem Neugeborenen (Rüdiger Heinze)

    Maximilianmuseum Augsburg: Glanz und Prunk

    Das Maximilianmuseum in Augsburg.
    Das Maximilianmuseum in Augsburg. Foto: Michael Hochgemuth

    Augsburg bittet zu Tisch. Es ist allerfeinst angerichtet mit silbernen, rosettenartig geformten Tellerchen, mit imposanten Deckelschüsseln voller Girlanden und Bocksköpfen als massive Griffe oder auch einem fliegenden Engel als Aufsatz sowie goldenen Saucieren. Dazu glitzern und blinken die reich gezierten Kerzenständer und die putzige Garnitur von Salz und Pfeffer. Stück für Stück nötigt das Silbergeschirr in der XXL-Vitrine des Augsburger Maximilianmuseums Staunen über die kunsthandwerkliche Geschicklichkeit der hiesigen Goldschmiede ab.

    Allein diese Abteilung erzählt unendlich viel über die glanzvollen Epochen der Stadtgeschichte. Fürsten und Würdenträger in ganz Europa waren scharf auf das Augsburger Silber. Man sagt, es habe zeitweise hier mehr Gold- und Silberschmiede als Bäcker gegeben. Vor kurzem ist die erlesene Sammlung noch ein Stück angewachsen dank des Nachlasses des Mäzens Kurt F. Viermetz, der systematisch Schätze auf Auktionen angekauft hatte. Passend ist der prachtvolle Felicitassaal überwölbt von einem barocken Deckenfresko des antiken Götterhimmels. (Alois Knoller)

    Leopoldmuseum Wien: Schieles Kunst

    Erst diese Woche wieder kam ein digitaler Gruß aus Wien. Per Mail schrieb das Leopoldmuseum, was es denn alles zu sehen gibt, wenn ab 10. Februar wieder Gäste eingelassen werden. Eine Sonderausstellung über die Emil Pirchan etwa. Es sind aber die Gemälde von Egon Schiele, die mich jedes Mal, wenn ich in Wien bin, ins Museumsquartier ziehen. Das Leopold Museum besitzt nach eigenen Angaben mit 42 Gemälden, 184 Aquarellen, Zeichnungen und Druckgrafiken die größte und bedeutendste Schiele-Sammlung der Welt. Ich liebe Schieles Kunst, die Art, wie er Menschen auf Papier und Leinwand festgehalten hat. Möglicherweise wird mich das alles beim nächsten Besuch, beim ersten seit Corona, noch mehr bewegen, wenn ich die Kunst eines Künstlers ansehe, der einst Opfer einer Pandemie wurde. Schiele starb 1918 an der Spanischen Grippe. Jeder Besucher des Leopoldmuseums weiß nun, wie sich Pandemie anfühlt. Vielleicht werde ich dann draußen, auf dem Vorplatz, auf einer der großen Liegebänke in mich gehen und Schieles Kunst im heute noch einmal sacken zu lassen. (Lea Thies)

    Monacensia München: Das literarische Gedächtnis

    Großstadt kann ermüdend sein, das gilt auch für München, fallweise gar für seine großen Museen, wenn es dort mal wieder Trubel herrscht. Dann heißt es aufzubrechen zu einer dieser kleinen Fluchten, die diese Stadt eben auch ermöglicht. Also das Isar-Hochufer hinauf und einbiegen in die Maria-Theresia-Straße. Dort steht die Monacensia, „das literarische Gedächtnis der Stadt München“, Literaturarchiv und Bibliothek und Ausstellungshaus in einem. Allein das Haus ist eine Wucht, entworfen vom Bildhauer Adolf von Hildebrand als Villentraum für Arbeit und Leben. Im Erdgeschoss wartet die Dauerausstellung auf, gewidmet dem literarischen München zur (Residenz-)Zeit Thomas Manns – wo sich zwischen Handschriftlichem und Gedrucktem, Fotos und Erinnerungsstücken solche Preziosen entdecken lassen wie die Einladungskarte zur Nobelpreisfeier des „Buddenbrook“-Autors. Ein intimer, auratischer, inspirierender Ort – wen akut Lektürelust überfällt, der kann im Obergeschoß in die Präsenzbibliothek greifen und in dunklen Ledersesseln der Welt abhanden kommen. (Stefan Dosch)

    Kempten-Museum: Das Wohnzimmer der Stadt

    Das Kemptener Museum "Zumsteinhaus"-
    Das Kemptener Museum "Zumsteinhaus"- Foto: Ralf Lienert

    Es ist fast schon tragisch: Da erhalten die Kemptener ein nigelnagelneues Museum – und nach gerade mal drei Monaten kommt der Shutdown. Dem im Dezember 2019 eröffneten Kempten-Museum ist das passiert. Dabei ist es so konzipiert, dass man immer wieder reingeht, nicht nur ein einziges Mal. Es sollte das Wohnzimmer der Stadt sein. Dazu haben die Museumsmacher extra einen Salon mit Café eingerichtet, einen Vortragsraum geschaffen und einen Saal mit wechselnden Ausstellungen. Die Besucher sollen sich wohlfühlen wie in einem Wohnzimmer – und immer wiederkommen. Das habe ich mir auch vorgenommen, nicht nur wegen des Cafés. Schließlich kann man in den Ausstellungsräumen des prachtvollen Stadtpalais gegenüber der Residenz ständig Neues entdecken – bei freiem Eintritt übrigens. Die Infotafeln sowie die Hör- und Videostationen laden ein, in die Tiefen der Geschichte hineinzuschauen, hineinzulesen, hineinzuhören. Das ist alles hervorragend gestaltet und nach neuesten museumspädagogischen Erkenntnissen konstruiert – nun aber unerreichbar. Wie schade! (Klaus-Peter Mayr)

    Villa Jauss Oberstdorf: Paradies mit Panorama

    Die Villa Jauss in Oberstdorf.
    Die Villa Jauss in Oberstdorf. Foto: Günter Jansen

    Das ersehnte Paradies ist manchmal gar nicht so fern: Als prunkvolle Reiterin auf einem stolzen Ross erscheint es, mit Blumen gekrönt und geschmückt, geführt von einer Gestalt, die vage bleibt: Mann oder Frau? „Das neue Jerusalem“ nennt der spanische Surrealist Salvador Dalí seine fantastische Vision. Um dieses Blatt zu sehen, muss man nicht in Metropolen reisen. Es genügt ein Ausflug aufs Land, in Deutschlands südlichste Ecke, nach Oberstdorf. Dort beherbergt das Kunsthaus Villa Jauss eine beachtenswerte Sammlung von Grafiken. Ein großzügiger Oberstdorfer stiftete diese Sammlung, die unter anderem Werke von Chagall bis Beuys, von Picasso bis Lüpertz enthält: Hugo J. Tauscher. Sie ist nicht immer – und schon gar nicht in vollem Umfang – zu sehen, weil die von norditalienischer Architektur inspirierte Villa inmitten eines kleinen Parks ihren begrenzten Platz mehrfach im Jahr für zeitgenössische und manchmal auch für etwas ältere Kunst freiräumt. Ein Besuch lohnt sich, sobald das Haus wieder seine Pforten öffnet – nicht nur wegen des Ausblicks am Fuße der Alpen. (Klaus Schmidt)

    Städel in Frankfurt: Kiefers riesige "Argonauten"

    Das Städel in Frankfurt.
    Das Städel in Frankfurt. Foto: Boris Roessler,dpa

    Das gehört fest zu Frankfurt-Besuchen. Das Städel ist ein Muss. Ein Museum, das es so in Deutschland in dieser Qualität und Größe nicht noch einmal gibt. Bürgerengagement gehört auch im 21. Jahrhundert fest dazu, wenn ein Anbau von über 50 Millionen Euro finanziert werden muss. Und: Das spürt man auch in der Sammlung, die nicht auf ein großes Adelshaus zurückgeht, sondern auf das erstarkende Bürgertum des 19. Jahrhunderts. Also viel weniger Herrscherporträts, dafür Alte Meister, die jedes Mal aufs Neue gesehen werden wollen, und dann Großartiges aus dem 19., 20. und 21. Jahrhundert. Immer ein Muss sind zwei Werke, die Jahrhunderte durchmessen und unterschiedlicher nicht sein könnten: Jan van Eycks „Lucca-Madonna“ von 1437, ein kleines Gemälde, aber so anders als die mittelalterliche Kunst, dass es bis heute fasziniert. Und dazu dieses Riesenbildnis von Anselm Kiefer, „Die Argonauten“, aus dem Jahr 1990, ganze fünf Meter breit, eine Arbeit zum Durchwandern inklusive eingearbeiteter Schlangenhaut, in seiner Trostlosigkeit gewaltig und verschlingend. ( Richard Mayr)

    Edwin-Scharff-Museum Neu-Ulm: Kunst und Kind unter einem Dach

     In der Mitmach-Ausstellung „Architektierisch“ des Edwin-Scharff-Museums  können Kinder Schlafplätze von Orang-Utans nachbauen.
    In der Mitmach-Ausstellung „Architektierisch“ des Edwin-Scharff-Museums können Kinder Schlafplätze von Orang-Utans nachbauen. Foto: Alexander Kaya

    Mein Neffe Raphael nähert sich – Wort um Wörtchen, das er lernt – der unvermeidlichen Wieso-Weshalb-Warum-Phase. Ein Knapp-mehr-als-Dreikäsehoch, der diese seltsame, große Welt verstehen will. Tante, erklär! Wie gerne würde ich ihn jetzt einladen, auf einen Besuch im Neu-Ulmer Edwin-Scharff-Museum – denn das ist immer ein Erlebnis für Weltentdecker. Doch die Ausstellung „Architektierisch“ wartet dort jetzt auf die Wiedereröffnung: Hier können Kinder erforschen, wie wilde Tiere leben – mit Luftballons Wespennester bauen, aus Ästen ein Haus für Orang-Utans basteln.

    Das Scharff-Museum ist ein verblüffendes Haus, d as Kinder- und Kunstmuseum unter ein Dach bringt: Gleich neben „Architektierisch“ stellt das Haus Skulpturen von Renée Sintenis aus – auch ihren goldenen Bären, die Berlinale-Trophäe. Dazu gibt es literarische Abende, kulturelle Stadtrundgänge, Ferienprogramme und Museumsfeste – eigentlich. Der Titel der nächsten Foto-Ausstellung heißt: „Where children sleep“. Irgendwann endet der Tiefschlaf und das Museum wird öffnen. Dann gehen wir hin. Versprochen, Raphi! (Veronika Lintner)

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