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Marion Poschmann: Die Freiheit, sich selbst loszuwerden

Marion Poschmann

Die Freiheit, sich selbst loszuwerden

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    Die Freiheit, sich selbst loszuwerden
    Die Freiheit, sich selbst loszuwerden

    Der schlimmste Satz steht hinten auf dem Buch, als Verheißung auf den Inhalt, vom Verlag (Suhrkamp!) verbrochen, dafür also kann Marion Poschmann nichts. Da steht: „Und die alte Frage wird neu gestellt: Ist das Leben am Ende ein Traum?“

    Aber nein, o nein, zum Glück ist der zweite Roman der in Berlin lebenden Dichterin eben nicht nach einem literarisch so abgedroschenen Muster zu begreifen. Sonst stünde die 47-Jährige damit ja auch hoffentlich nicht – wie bereits mit ihrem Prosa-Erstling „Die Sonnenposition“ – unter den letzten sechs Nominierten für den heute, zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse zu vergebenden Deutschen Buchpreis. Denn der soll ja immerhin den besten Roman des Jahres auszeichnen. Mit dem tatsächlichen Inhalt von „Die Kieferninseln“ hat Poschmann sogar gute Chancen auf den Sieg.

    Denn ihre Kunst liegt gar nicht in der Geschichte und deren Konstruktion. Die muss man nämlich nicht gerade überzeugend finden. Da (ja!) träumt ein mit seinem Leben als Honorar-Akademiker ohnehin unzufriedener Mann, dass seine weitaus erfolgreichere und selbstbewusstere Frau ihn betrügt. Und er wird, wieder wach, Gedanken und Gefühl nicht los, dass das auch stimmt, flieht darum Hals über Kopf in das ihm fremde und kulturell ferne Japan. Dort wird er, Gilbert Silvester, zufällig Zeuge, wie ein junger

    Man muss, wie gesagt, Silvester und Tamagotchi nicht überzeugend finden. Aber worum es Marion Poschmann in diesem Buch eigentlich geht, ist das Experiment des inneren Selbstmords mit dem Mittel der Sprache. Wie die japanische Spiritualität nämlich das Überwinden des Ich durch die Betrachtung des Äußeren lehrt, so formt die Autorin ihren Roman selbst zu einer solch reinigenden Reise. Schließlich hadert auch ihr Held nicht mehr nur Gedankenbriefe schreibend mit seiner Frau Mathilda in der Ferne, sondern dichtet sogar die klassisch dreizeiligen Haikus. „Tausende Nadeln, / Tausende Kilometer / vor mir, hinter mir.“ Oder: „Im letzten Licht noch / wellenumspülte Inseln, / rauschende Kiefern.“

    Das ist keine packende Literatur, sondern kunstvolle, nicht abgedroschen, sondern gedrechselt. Wenn der große Roman unter den Nominierten fehlt, könnte Poschmann damit durchaus zum Zuge kommen.

    Marion Poschmann: Die Kieferninsel Suhrkamp, 168 S., 20 ¤

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